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CO2-Preis nach Brexit-Schock kaum erholt

20.07.2016  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Das britische Votum für einen Ausstieg aus der EU hat die Preise im EU-Emissionshandel unter Druck gesetzt. Und anders als an vielen anderen Finanzmärkten bleibt eine Preiserholung bislang aus. Dabei ist noch keinesfalls sicher, dass die Briten das EU-ETS verlassen werden. Die noch einige Zeit andauernde Unsicherheit wird wohl auf den Preisen lasten, zumal im Falle eines Ausstiegs ein wichtiger Motor des Reformprozesses fehlen würde. Wir haben unsere Prognose nach unten revidiert: Erst im nächsten Jahr dürften die Preise wieder auf 6 Euro je Tonne steigen.

Die Preise im EU-Emissionshandel sind nach der britischen Entscheidung für den Ausstieg aus der EU massiv unter Druck geraten (Grafik 1). Nach der Bekanntgabe des Votums rutschte der Preis für das Recht zur Emission einer Tonne CO2 bis Anfang Juli um fast 25% auf 4,5 Euro je Tonne. Und anders als die Kurse an den meisten anderen Finanzmärkten konnte sich der Preis seitdem kaum erholen. Mit knapp 4,8 Euro je Tonne notiert er weiterhin nur leicht über dem 2-Jahrestief.

Ausschlaggebend ist die Sorge um einen Austritt Großbritanniens aus dem EUEmissionshandelssystem (EU-ETS). Das Land steht für rund 10% der erfassten Emissionen. Dass sich die Briten ebenso aus dem Emissionshandel verabschieden werden wie aus der EU ist jedoch keinesfalls zwangsläufig. Schließlich haben sich mit Norwegen, Liechtenstein und Island auch drei Nicht-EU-Länder dem System angeschlossen. Einiges spricht sogar für die weitere Teilnahme: Zum einen zählen die Briten zu den "Gründungsvätern" des EU-Emissionshandelssystems: Noch bevor der EU-weite Handel startete, gab es in Großbritannien das "UK-ETS".

Zum anderen bepreist Großbritannien mit der Einführung der "Carbon Support Prices" in der Stromerzeugung den Ausstoß von CO2 deutlich teurer als die Emissionsrechte im EU-ETS derzeit handeln. Die "Carbon Price Support Rate", die 2013 als Primärenergiesteuer für Stromerzeuger eingeführt wurde, liegt bei 18 GBP je Tonne und ist damit rund viermal so hoch wie das Recht zur Emission einer Tonne CO2 derzeit handelt (siehe grauen Kasten).

Die Stromerzeuger, die für knapp drei Viertel der britischen Emissionen stehen, dürften folglich nur begrenzt auf einen Ausstieg drängen. Für einen Verbleib im EU-ETS spricht auch, dass ein Großteil der britischen Umweltpolitik mittlerweile auf EU-Ebene festgezurrt ist. So hat Großbritannien beispielsweise seine Verpflichtungserklärung zum Pariser Abkommen im Dezember nicht als Nationalstaat, sondern im Rahmen der EU abgegeben. Und auch die EU will (vorerst) kein Tischtuch zerschneiden: So wurde das Rücktrittsangebot des britischen Parlamentsabgeordneten Ian Duncan als Berichterstatter für den Umweltausschuss zurückgewiesen. Somit wird er vorerst den Refomprozess für die vierte Handelsperiode weiter leiten.

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Eine weitere Teilnahme Großbritanniens am europäischen Emissionshandel ist also nicht auszuschließen. Wenn sich die Briten aber doch für einen Ausstieg entscheiden würden, dann würde sich als Zeitpunkt der Wechsel in die vierte Handelsperiode zum Jahr 2021 anbieten, auch wenn dieser angesichts der sich wohl zwei Jahre hinziehenden EUAusstiegsverhandlungen ambitioniert scheint.

Für die langfristige Preisentwicklung im EU-Emissionshandel wären dann zwei Faktoren entscheidend: Erstens die "technischen" Details, beispielsweise um wieviel würde nach dem Ausscheiden die Obergrenze der Zertifikate im EUETS reduziert. Und zweitens: Wer treibt den Reformprozess weiter voran? Wie die Einführung der "Carbon Price Support Rate" zeigt, stehen die Briten in Umweltfragen eher auf dem Gaspedal als auf der Bremse. Sie gelten als federführend in Fragen der europäischen Umweltgesetzgebung und drohen damit als Motor im Reformprozess auszufallen.

Wie auch immer sich die Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU langfristig gestalten wird, Fakt ist, dass die Unsicherheit am Markt vorerst auf den Preisen lasten wird. Sie könnte die britischen Unternehmen veranlassen, noch vorhandene überschüssige Zertifikate aus den Büchern zu verkaufen. Und je wahrscheinlicher ein Ausstieg wird, desto eher könnten die britischen Versorger von dem Hedging ihres künftigen Bedarfs absehen, der meist über zwei Jahre hinaus abgesichert wird. Die entsprechend geringere Nachfrage könnte die Preise belasten.

Über das Brexit-Thema hinaus halten sich derzeit die preisstützenden und preisbelastenden Faktoren die Waage: Grundsätzlich "positiv" war die Ankündigung der schwedischen Regierung, von 2018 bis 2040 jährlich 7 Mio. Zertifikate zu kaufen und zu löschen. Wir hatten in unserem letzten Rohstoffe kompakt mit dem Schwerpunktthema CO2-Mindestpreis bereits auf diese Möglichkeit der Mengensteuerung hingewiesen. Das angekündigte Volumen ist aber angesichts der jährlichen Obergrenze von 1,8 Mrd. Zertifikaten zu gering, um einen Preiseffekt zu erwirken. Preisbelastend ist dagegen die zuletzt deutliche Verteuerung von Kohle, welche letztlich die kohlebasierte Stromproduktion unattraktiver macht und damit den Bedarf an Emissionsrechten bremst (Grafik 2 und 3).

Alles in allem haben wir deshalb unsere Preisprognose nach unten korrigiert: Kurzfristig könnten die Preise zwar bedingt durch das geringere Angebot in den Versteigerungen im August und der zuletzt höheren Handelsumsätze wieder auf 5 Euro je Tonne zulegen. Aber erst im nächsten Jahr - mit dem Fortschreiten des Reformprozesses für die vierte Handelsperiode - dürfte der CO2-Preis wieder auf 6 Euro je Tonne steigen.

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Auf einen Blick

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