Wann endet der “freie Fall“?


Spekulative “Blase“ geplatzt
Um es gleich vorweg zu nehmen: Eine definitive Antwort hierauf haben wir nicht. Allerdings hoffen wir inständig, dass zumindest einige Leser sich unsere bereits Mitte Februar geäußerten warnenden Worte zur Entwicklung an den Rohstoff-Märkten zu Herzen genommen und ihre Gewinne bei Long-Engagements mitgenommen haben. Denn dass es zu dem jetzt gesehenen Preiseinbruch kommt, war eigentlich fast so sicher, wie das Amen in der Kirche. Lediglich über den Zeitpunkt konnte man vielleicht diskutieren.
Allerdings war angesichts der beinahe schon abenteuerlichen Kurszuwächse zu Jahresbeginn eben auch klar, dass es nicht mehr allzu lang dauern kann. Immerhin hatte sich bei nüchterner Betrachtung in einigen Bereichen erkennbar eine spekulative Blase gebildet, die nun schlicht und ergreifend geplatzt ist. Hiervon betroffen waren natürlich in erster Linie Rohstoffe wie Kakao, Kaffee oder Zucker, bei denen die deutlichen Verteuerungen nicht auf die fundamentale Situation sondern primär auf den Einstieg kapitalkräftiger Fonds zurückzuführen waren. Insofern erstaunt es natürlich nicht, dass gerade diese Güter in den Verliererlisten der vergangenen beiden Wochen ganz oben standen.
Sind Rohstoffe maßlos überteuert?
Wenngleich die Märkte ganz unzweifelhaft kurzfristig signifikant überhitzt waren, kann von einer maßlosen fundamentalen Überteuerung bei vielen Rohwaren keine Rede sein. Nominal mögen zahlreiche Naturschätze auf einem Allzeithoch notieren. Inflationsbereinigt jedoch liegen insbesondere die Agrargüter teilweise zwischen 50 und 90 Prozent unter ihren realen Rekordpreisen der 1970er Jahre. Daraus schließen die Dauer-Optimisten, dass Rohstoffe nach wie vor über ein beachtliches Aufwärtspotenzial verfügen.
So einfach ist es unserer Ansicht aber nicht! Zugegeben: Bei den genannten Daten handelt es sich um eine mathematisch beweisbare Tatsache. Von daher wäre es töricht, selbige abzustreiten. Die daraus gezogene Schlussfolgerung weiterer quasi zwangsläufiger Kursanstiege hat dennoch ihre Tücken. Denn dabei wird ein ganz wesentlicher Punkt übersehen:
Andere Zeiten, andere Preise
Dabei handelt es sich um den technologischen Fortschritt. Im Gegensatz zu früher verfügt die Menschheit heute über erhebliche bessere technische Möglichkeiten. In der Landwirtschaft lassen sich dadurch die relativen Erträge zur Anbaufläche nicht unerheblich steigern. Mit Einschränkungen gilt das auch für den Metallsektor. So dauert es derzeit um die fünf Jahre von der Exploration bis zur Inbetriebnahme einer neuen Mine. Vor einigen Dekaden war diese Zeitspanne mehr als doppelt so lange. Gleichzeitig lassen sich mit modernen Abbaumethoden oftmals wesentlich mehr Rohstoffe aus dem Boden holen. Von daher ist der bloße Hinweis auf die inflationsbereinigten Preise von vor 30 Jahren als Indiz für weiter steigende Kurse viel zu eindimensional.
Damit Sie uns nicht falsch verstehen: Auch wir können uns einen Fortgang der Rohstoff-Rallye durchaus vorstellen. Allerdings sollte man stets die aktuelle Angebot/Nachfrage-Situation im Auge behalten. Nicht selten nimmt nämlich aus dem genannten Grund das Angebot stärker zu als der Bedarf. Und bei derartigen Rohstoffen kommt es dann zwangsläufig zu heftigen Kurseinbußen. Da nützt das gebetsmühlenartige Beschwören billiger Preise letztlich gar nichts. In der Gesamtschau stellt sich die Lage bei den meisten Rohstoffen jedoch nach wie vor recht “bullisch“ dar. Und genau aus diesem Grund sind weitere Rücksetzer zwar möglich. Bei nicht wenigen Gütern allerdings dürften wir nach der letzten Woche aber bereits wieder ganz interessante Einstiegskurse haben.
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