Ölmarkt bleibt länger überversorgt


Bei einem erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen mit dem Iran und einer damit verbundenen Lockerung bzw. Aufhebung der Sanktionen "droht" zusätzliches Rohöl aus dem Iran an den Markt zu gelangen. Aktuell produziert und exportiert der Iran ca. 1 Mio. Barrel pro Tag weniger als vor dem Inkrafttreten der Sanktionen im Jahr 2012 (Grafik 4).
Noch strittige Punkte sind der Zeitrahmen für die Lockerung der Sanktionen und die damit einhergehende Überwachung, dass sich der Iran an die verständigten Punkte hält. Durch die mehrmalige Verlängerung der Gespräche ist die Frist verstrichen, in welcher US-Präsident Obama das Abkommen dem US-Kongress vorlegen sollte. Damit bekommt der Kongress 60 Tage Zeit, das Abkommen zu sondieren. Mit einer Lockerung der Sanktionen und zusätzlichem Öl aus dem Iran ist daher nicht vor dem vierten Quartal zu rechnen.
Der Iran dürfte kaum in der Lage sein, seine Ölproduktion nach einer Aufhebung der Sanktionen rasch zu erhöhen, weil die Produktions- und Transporteinrichtungen nach mehr als drei Jahren der Stilllegung erst wieder instandgesetzt werden müssen. Allerdings verfügt der Iran noch über hinreichend Lagerbestände. Realistisch ist daher ein Anstieg des iranischen Ölangebots um maximal 500 Tsd. Barrel pro Tag bis zum Jahresende und um weitere 500 Tsd. Barrel pro Tag im nächsten Jahr.
Gelingt es der OPEC nicht, dieses zusätzliche Angebot durch anderweitige Kürzungen auszugleichen, bleibt das Überangebot am globalen Ölmarkt noch für längere Zeit bestehen. Wo diese Kürzung herkommen soll, ist fraglich. Saudi-Arabien dürfte jedenfalls kaum dazu bereit sein, Platz für seinen "Erzfeind" Iran zu schaffen. Auch der Irak dürfte seine Ölproduktion in den kommenden Monaten eher steigern als verringern, sofern die politischen Umstände im Land dies erlauben.
Kurzfristig bestehen aufgrund des weiterhin beträchtlichen Überangebots und der deutlich gestiegenen Risikoaversion Abwärtsrisiken für den Ölpreis. Ein Preisrückgang unter 55 USD je Barrel bei Brent und unter 50 USD je Barrel bei WTI ist daher vorstellbar. Die Zuspitzung der Schuldenkrise in Griechenland sehen wir dabei als weniger bedeutsam. Selbst im Falle eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone sollten die Auswirkungen auf den Ölmarkt begrenzt sein. Sofern es keine Ansteckungseffekte auf andere Länder der Eurozone gibt, sind die Folgen für die Ölnachfrage zu vernachlässigen.
Anleger, die sich wegen der Unsicherheit in Bezug auf Griechenland von ihren Ölinvestments trennen wollten, dürften dies mittlerweile weitgehend getan haben. Das größere Abwärtsrisiko geht von China aus. Dort ist der Aktienmarkt innerhalb eines Monats um mehr als 30% gefallen (Grafik 5), was negative Auswirkungen auf die Einkommen der privaten Haushalte haben dürfte. Der chinesische Automobilproduzentenverband hat zudem gerade seine Wachstumsprognose für die Fahrzeugabsätze in diesem Jahr kräftig von 7% auf 3% reduziert, was sich dämpfend auf die Benzinnachfrage auswirken dürfte.
Wir haben deshalb unsere Preisprognose für Brentöl auf 65 USD je Barrel am Jahresende gesenkt (bisher 75 USD je Barrel). Wir gehen dabei nach wie vor davon aus, dass sich das Überangebot im Jahresverlauf begünstigt durch ein fallendes Nicht-OPEC-Angebot und eine anziehende Nachfrage verringert, wenn auch weniger stark als bislang erwartet. Für das nächste Jahr senken wir unsere Jahresdurchschnittsprognose auf 73 USD je Barrel (bisher 78 USD je Barrel). Insbesondere 2016 dürfte das zusätzliche Ölangebot aus dem Iran sichtbar werden und einer stärkeren Preiserholung entgegenstehen.

Auf einen Blick



