Die reichliche Versorgung mit Rohöl, die bislang weitgehend ausgebliebenen Angebotsausfälle und die jüngsten Enttäuschungen auf der Nachfrageseite haben die spekulativen Finanzanleger offensichtlich dazu bewegt, ihre Wetten auf steigende Brentölpreise drastisch zu reduzieren. Deren Netto-Long-Positionen sind seit ihrem Rekordhoch Ende Juni / Anfang Juni um 67% zurückgegangen, was den Preisrückgang verstärkt hat (Grafik 7).
Die Brent-Terminkurve befindet sich mittlerweile im ausgeprägten Contango, d.h. Öl mit kurzfristiger Lieferbarkeit ist deutlich billiger als Öl mit späterer Lieferbarkeit. Aktuell erstreckt sich der Contango auf die kommenden sechs Monate (Grafik 2). Der Kassapreis für Brent ist sogar nochmals deutlich billiger. Eine derartige Konstellation deutet auf einen kurzfristig überversorgten Markt und eine schwache Marktverfassung hin. Sie zeigt aber auch, dass der Markt mit einer Preiserholung in den kommenden Monaten rechnet.
Wir sind der Ansicht, dass die Marktteilnehmer die kurzfristigen Angebotsrisiken unterschätzen und die Lage am Ölmarkt als zu entspannt einschätzen. Die Nachfragesorgen dürften sich als übertrieben erweisen. So erwartet auch die IEA weiterhin eine merklich höhere globale Ölnachfrage im zweiten Halbjahr und damit einhergehend auch einen steigenden Bedarf an OPEC-Öl. Die OPEC hat dieselbe Sichtweise. Das Ölangebot aus Libyen und dem Irak bleibt aufgrund der anhaltenden Kämpfe risikobehaftet. Von daher kann es jederzeit zu Störungen und einem merklichen Preisanstieg kommen, welcher durch eine Rückkehr der Finanzanleger verstärkt werden dürfte.
Wir rechnen daher weiterhin mit einem Brentölpreis von 107 USD je Barrel am Jahresende und von 110 USD je Barrel im Jahresdurchschnitt 2015. Die schwelenden Konflikte können die Ölproduktion und den Transport aber nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig beeinträchtigen. So haben die internationalen Firmen in Libyen und im Irak nicht nur teilweise ihre Arbeiter abgezogen. Sie werden aufgrund der Sicherheitslage oder wie im Falle Russlands aufgrund der Sanktionen künftig weniger in diesen Länder investieren. Dies dürfte die Ölproduktion in den kommenden Jahren weniger stark steigen lassen. Deshalb sind die langlaufenden Brent-Terminpreise seit Jahresbeginn bereits um bis zu 15 USD je Barrel gestiegen (Grafik 3).
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