Ölpreis vor weiteren Rücksetzern


An den Rohstoffmärkten begann das Jahr mit einem Paukenschlag: Amerikanisches Leichtöl der Sorte WTI kletterte zum ersten Mal in der Geschichte in den dreistelligen Bereich auf 100 US-Dollar. Auch Brent stieg bis knapp unter die 100-Dollar-Marke. Die Sorge vor kurzfristigen Knappheiten am Ölmarkt ließ die Notierungen dabei kräftig anziehen. So kam es in Nigeria und Algerien zu politischen Spannungen. Die beiden größten Ölförderer Afrikas rangieren unter den Top 10 der wichtigsten Ölexporteure. Zudem mussten in Mexiko, dem sechstgrößten Förderer der Welt, wetterbedingt alle Ölhäfen geschlossen werden. Und schließlich hat der neuerliche Schwächeanfall des US-Dollars den Ölbullen einmal mehr Rückenwind gegeben.

Öllagerabbau in den USA bereitet Sorgen
Auch der rapide Abbau der Öllager in den USA hat in den letzten Wochen die Sorgen bezüglich möglicher Knappheiten verstärkt und die Preise nach oben getrieben. Zuletzt gingen die US-Lagerbestände acht Wochen in Folge zurück. Alleine in den letzten sechs Wochen ermäßigten sich die US-Öllager fast um 10%. Sie liegen damit etwa 5% unter dem 10-Jahresdurchschnitt und haben das tiefste Niveau seit über drei Jahren erreicht.
US-Benzinlager dagegen prall gefüllt
Im Gegensatz zu den Öllagern erfolgte bei den USBenzinlagern in den letzten Monaten dagegen ein rapider Lageraufbau. In den letzten 14 Wochen kletterten die Bestände um rund 12 Mio. Barrel auf über 213 Mio. Barrel und haben damit fast ein 10-Jahreshoch erreicht. Die ab Mai einsetzende “Driving Season“ in den USA dürfte daher momentan nicht geeignet sein, sich als Preistreiber zu erweisen.

OPEC ist weiterhin gefordert
Zunächst haben die dreistelligen Ölpreise nur ein sehr kurzes Gastspiel am Markt geben. Insbesondere die Meinung, wonach eine schwächere US-Konjunktur den Ölhunger der USA drosseln wird, hat zuletzt für rückläufige Preise gesorgt. Immerhin sind die USA weltweit immer noch für fast ein Viertel des gesamten Ölverbrauchs verantwortlich. Dennoch sollten die OPECVerantwortlichen auf der nächsten Konferenz in Wien am 1. Februar nicht wie zuletzt im Dezember auf einen kurzfristigen Preisrückgang schielen. Ohne eine Erhöhung der Förderquoten dürfte der weltweite Ölmarkt im Jahr 2008 trotz einer schleppenden US-Nachfrage ein deutliches Produktionsdefizit ausweisen. Erst wenn die OPEC den Ölhahn weiter aufdreht, dürfte die Sorge um kurzfristige Lieferprobleme nachlassen. Dann besteht auch die Chance auf deutlich rückläufige Ölpreise.
Chinesische Nachfrage leicht gebremst
Entlastend sollte sich zudem auswirken, dass der Ölhunger aus Südostasien bei einem Preis von 100 USDollar nicht mehr so stark ausgeprägt ist wie bisher. Denn die steigende Ölnachfrage aus China war in den letzten Monaten ein starker Preistreiber am Ölmarkt. Zwar stieg die chinesische Ölerzeugung in den letzten zehn Jahren mit einer Rate von 1,5% p.a. - im gleichen Zeitraum nahm der Verbrauch im Reich der Mitte jedoch mit einer Rate von mehr als 7% zu, so dass der zunehmende Ölbedarf mehr und mehr über Importe gedeckt werden musste. Im Jahresdurchschnitt 2007 wurden 3,26 mbpd nach China eingeführt. Allerdings zeigten sich zum Jahresende deutliche Abschwächungstendenzen. So lagen die Importe im Dezember bereits über 5% unter dem Jahresdurchschnitt. Auch die im November 2007 umgesetzten Preiserhöhungen um 10% für Benzin, Diesel und Kerosin sollten Wirkung zeigen.

Fazit
Unter der Voraussetzung, dass die OPEC sich zu einer Erhöhung der Förderquoten durchringt, sollten sich die Ölpreise von ihren Rekordständen wieder deutlich ermäßigen. Neben dem gebremsten Ölhunger aus Südostasien dürfte auch die schwächere US-Konjunktur den Ölbullen etwas Wind aus den Segeln nehmen. Zudem mehren sich die Anzeichen, dass sich der Ölpreis in den letzten Monaten von seinem fundamentalen Niveau recht deutlich entfernt hat. Betrachtet man beispielsweise den Zusammenhang zwischen Ölpreisen und der OECD-Industrieproduktion während der letzten zehn Jahre, ergibt sich ein “faires“ Niveau für das schwarze Gold von 80-85 US-Dollar. Vor diesem Hintergrund erhöhen wir unser Dreimonatsziel für Brentöl auf 85 USDollar. Die Prognose zum Jahresende 2008 passen wir leicht auf 80 US-Dollar an.
© Dr. Frank Schallenberger
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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