Seltene Erden - alle Augen auf China


Nachdem wir vor knapp zwei Jahren zum ersten Mal das Thema "Seltene Erden" aufgegriffen haben, hat sich seitdem in diesem speziellen Rohstoff-Segment einiges getan. Unter dem Begriff "Seltene Erden" werden 17 Elemente (Metalle) des Periodensystems zusammengefasst, die essentielle Bestandteile in derProduktion vieler Anwendungen in der Hightech- und Rüstungsindustrie sind.
Die Preise derSeltenen Erden haben sich auf Durchschnittsbasis zwischen 2010 und 2011 gemäß Daten des australischen Minenproduzenten Lynas Corp. mehr als verdreifacht (z.B. Lanthan, Cer, Neodym), im Falle von Dysprosium und Samarium sogar versechs- bzw. versiebenfacht, nachdem sie schon in den Jahren zuvor deutlich gestiegen waren. Dass diese Preisanstiege innerhalb so kurzer Zeit übertrieben waren, zeigte sich im Anschluss. Indiesem Jahr stand bis Ende Juli ein Minus von 15-80% zu Buche. Dennoch liegen die meisten Preise nach wie vor deutlich über den Niveaus von vor zwei Jahren. Die in der Grafik dargestellten Preise ausgewählter Seltener Erden in Shanghai dienen der Veranschaulichung dieser Entwicklung (Grafik 1).
Sie sind aber nicht handelbar. Für Seltene Erden gibt es nach wie vor keinen Börsenhandel. Somit ist die Preisgestaltung sehr intransparent und weder Verbraucher noch Produzenten haben bislang die Möglichkeit, Preise abzusichern.
Wenn man über das Thema Seltene Erden spricht, rückt unweigerlich immer wieder ein Land in den Mittelpunkt des Geschehens: China. Im Folgenden beleuchten wir die Rolle und Entwicklung Chinas bei Seltenen Erden. Im März hatten die USA, die EU und Japan China vor der Welthandelsorganisation WTO aufgrund der Exporteinschränkungen bei den Seltenen Erden verklagt. In China gibt es seit 1999 Exportquoten für Seltene Erden.
In den letzten Jahren wurden die Quoten jedoch sukzessive deutlich reduziert - von über 50 Tsd. Tonnen im Jahr 2009 auf aktuell gut 30 Tsd. Tonnen.Allen voran die USA werfen China vor, dass es dadurch zu schwerwiegenden Unterbrechungen und Verzerrungen der globalen Versorgungskette kommt. Ferner würden so die Preise für einheimische Hersteller künstlich niedrig gehalten und ausländische Firmen genötigt, ihre Aktivitäten nach China zu verlagern. Als Reaktion auf die Klage hatte die WTO im Juli schließlich angekündigt, eine Untersuchung der Exportpolitik Chinas durchzuführen.

Das Reich der Mitte hatte die Produktions- und insbesondere Exportkürzungen mit der Erhaltung der Ressourcen und dem Schutz der Umwelt begründet.Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie ließ zwar als Antwort auf die WTO-Mitteilung verlautbaren, dass sich China an alle WTO-Entscheidungen halten werde, allerdings will man zugleich die Regulierung im Sektor weiter verschärfen. Ein Sprecher des Ministeriums wird diesbezüglich mit folgenden Worten zitiert: "Unabhängig davon, was die WTO sagt, muss die chinesische Regierung in der Lage sein, ihre Ressourcen an Seltenen Erden zu erhalten, und sie muss gewährleisten, dass diese knappen Elemente unter Berücksichtigung des Umweltschutzes und nachhaltigem Abbau einen größeren Beitrag für die Menschheit leisten."
Um dies zu erreichen, wurde ein Wirtschaftsverband für Seltene Erden gegründet und ein Prozess zur Konsolidierung dieser Industrie gestartet. Demnach werden keine neuen Verarbeitungsanlagen mehr genehmigt und bestehende dürfen nicht erweitert werden. Zugleich wurden die Lizenzen zum Abbau der Seltenen Erden landesweit auf 65 nahezu halbiert. Dadurch soll es zu einer Konsolidierung der Industrie kommen und die Produktion bei großen Staatskonzernen gebündelt werden.
Ferner ist geplant, veraltete Technologien zu ersetzen. Zu guter letzt soll verstärkt gegen den illegalen Abbauder Seltenen Erden vorgegangen werden. Daneben sind auch langfristig orientierte Maßnahmengeplant. So berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, dass China in 8-10 Jahren ein strategisches Reservensystem für "wichtige" Mineralien schaffen will. Dazu dürften auch Seltene Erden gehören.
Warum schaut überhaupt die ganze Welt auf China, wenn es um Seltene Erden geht? Daten der US-Geologiebehörde USGS zufolge besitzt China mit 55 Mio. Tonnen die weltweit größten bekannten Reserven von Seltenen Erden. Mit Abstand folgen auf den Plätzen die Staaten der ehemaligen Sowjetunion (19 Mio. Tonnen) und die USA (13 Mio. Tonnen). Doch damit nicht genug: Mit einer Produktion von rund 130 Tsd. Tonnenhatte China im letzten Jahr gemäß USGS einen Weltmarktanteil von 97% und damit ein Quasi-Monopol (Grafik 2).
Ferner wird geschätzt, dass es in China Produktionskapazitäten von jährlich 200-250 Tsd. Tonnen gibt, wovon ein Teil derzeit entweder aus umweltpolitischen oder ökonomischen Gründen vorübergehend stillgelegt ist. Schon kleine Änderungen der chinesischen Abbau- und Exportpolitik haben daher große Auswirkungen auf denWeltmarkt und damit die Preise. Dies könnte sich zwar in absehbarer Zeit ändern, da außerhalb Chinas neue Minen und Verarbeitungsanlagen in Betrieb genommen werden bzw. dies geplant ist. So hat kürzlich der US-Produzent Molycorp die "Mountain Pass"-Mine in den USA in Betrieb genommen. Diese soll 20 Tsd. Tonnen Seltene Erden pro Jahr produzieren.
Noch größer ist mit einer jährlichen Kapazität von 40 Tsd. Tonnen die "Mount Weld"-Mine in Australien, die laut Angaben des Minenbetreibers Lynas Corp. im nächsten Jahr die Produktion aufnehmen soll. Auch andernorts wie z.B. in Kanada werden Vorkommen erschlossen. Um die Monopolstellung Chinas aufzubrechen, reicht dies bislang jedoch nicht. Nunkommt ein weiteres Problem hinzu: Im aktuellen Marktumfeld wird es für die Unternehmen zunehmend schwieriger, die notwendigen Finanzierungen zur Erschließung der Vorkommen bzw. zum Ausbau der Produktion zu erhalten. Dadurch könnte es zu Verzögerungen bei der Inbetriebnahme oder sogar zur vollständigen Einstellung von Projekten kommen, wodurch die Abhängigkeit von China eher zu- als abnehmen würde.