Norwegens Ölarbeiter heben die Preise

Im ersten Quartal legten die Ölpreise zu, vor allem aufgrund erhöhter Risiken um das iranische Atomprogramm. Im zweiten Quartal wurde der Fokus wieder auf die fundamentalen Faktoren Angebot, Nachfrage und Lagerbestände gelegt, und die Preise für Rohöl gerieten stark unter Druck. Das zweite Halbjahr startete indes mit heftigen Preissprüngen - allein am Freitag legte der Brent Spotpreis um 7% zu und verbuchte den höchsten Tagesgewinn seit April 2009. Der Grund hierfür dürfte weniger am Beginn des EU-Embargos gegen den Iran liegen, welches am 1. Juli begann und bereits in den Dispositionen der Marktteilnehmer berücksichtigt sein dürfte, als an der erhöhten Risikofreude nach dem EU-Gipfel und dem Streik in der norwegischen Ölindustrie, der seit dem 24. Juni im Gang ist.
Norwegens Ölarbeiter im Streik
Der Streik der norwegischen Ölarbeiter sorgte bereits zu Beginn vor einigen Tagen für eine Stabilisierung der Ölpreise. Der resultierende Produktionsausfall der bestreikten sechs Ölfelder beläuft sich bislang auf rund 240.000 bpd und blieb damit überschaubar. Zuletzt gewann der Arbeitskampf jedoch an Schärfe. Die Vertreter der Arbeitgeberseite, der Industrieverband OLF, drohten mit einer landesweiten Aussperrung der Ölarbeiter ab kommenden Dienstag, was die gesamte Ölproduktion des Landes betreffen würde. Diese hat sich angesichts sinkender Förderraten in der letzten Dekade zwar auf 1,6 Mio. Barrel halbiert, womit das Land bei geringem Eigenverbrauch von rund 250.000 Barrel derzeit der achtgrößte Ölexporteur ist. Solange der Arbeitskampf anhält, dürfte dies der dominierende Faktor für die Ölsorte Brent bleiben, da der Output des Oseberg-Ölfeldes ebenfalls zur Brentfamilie zählt.

Iran-Embargo hat begonnen
Im Konflikt um das iranische Atomprogramm begann am 01. Juli Teil zwei der Handelshemmnisse, nachdem die US-Sanktionen gegen den Iran bereits seit einigen Wochen greifen. Nach Angaben der IEA fiel die iranische Ölproduktion bereits auf 3,3 mdpd und könnte nach Inkrafttreten des EU-Embargos bis auf 2,5 mbpd sinken. Die Abnehmerländer haben sich bereits auf Alternativen eingestellt. So springt beispielsweise der Swing-Producer Saudi-Arabien in die Bresche, der seine Produktion auf rund 10 mbpd erhöht hat. Insgesamt ist es für den Iran schwierig, sein Rohöl auf dem Weltmarkt zu handeln, da europäische Versicherungskon-zerne keine iranischen Tanker mehr versichern.
Politik, Teil 3: Eurokrise
Während die Themen Iran und Norwegen vor allem die Sorgen um die Angebotsseite betreffen, gibt die Eurokrise den Takt bei der Nachfrageseite vor. So wurden die Ergebnisse des letzten EU-Gipfels positiv interpretiert; die resultierende höhere Risikoneigung und freundlichere Einschätzung der Konjunktur und damit der Ölnachfrage hievte die Ölpreise nach oben. Im laufenden Jahr dürfte Europa dennoch in die Rezession abrutschen, auch in China bleibt die Konjunkturlage labil. Die jüngste Zinssenkung in China wurde zuletzt von den Märkten auch als Eingeständnis konjunktureller Schwierigkeiten gewertet. Insgesamt haben die Risiken für die globale Konjunkturentwicklung zugenommen.

Globale Ölnachfrage 2012 mit leichtem Wachstum
Das Wachstum der globalen Ölnachfrage dürfte daher auch etwas geringer ausfallen als von OPEC, EIA und der Internationalen Energieagentur IEA erwartet. Die Schätzungen der drei Häuser liegen bei einem Wachstum von ca. 800.000 bis 900.000 Barrel pro Tag, was einem Wachstum von weniger als einem Prozent entspricht. Aufgrund der gestiegenen konjunkturellen Risiken könnte sich dies noch als zu optimistisch erweisen.

Lager weiter gut gefüllt
Der Ölmarkt bleibt weiter im Spannungsfeld zwischen Markt und Politik. Die gestern veröffentlichten Lagerbestände in den USA fielen zwar wegen des Tropensturms Debby deutlich geringer aus als erwartet (Lagerabbau 4,27 Mio. Barrel auf 382,9 Mio. Barrel), die Bestände befinden sich jedoch weiterhin auf Rekordniveaus. Auch Angebots-Nachfrageaspekte deuten auf ein Überangebot auf dem Weltmarkt hin und sprechen nicht für steigende Preise. Die Faktoren Iran und Streik in Norwegen könnten jedoch in den nächsten Wochen weiterhin für Unruhe sorgen und den Ölpreis über der 100-Dollar-Marke halten.

© Frank Klumpp, CFA
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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