Verarbeitungsmargen am Benzinmarkt schrumpfen wieder


Die stark gestiegenen Benzinpreise haben in den vergangenen Wochen sowohl in Deutschland als auch in den USA für Schlagzeilen gesorgt. Die Tankstellenpreise in Deutschland sind in der Woche zum 20. April mit 1,73 Euro je Liter auf ein Rekordhoch gestiegen. In den USA wurde Anfang April die als kritisch angesehene Marke von 4 USD je Gallone erreicht (Grafik 1). Dies entsprach einem Rekordniveau zu diesem Zeitpunkt des Jahres. Der Benzinpreisanstieg hat auf beiden Seiten des Atlantiks zu teils heftigen Reaktionen in der Öffentlichkeit geführt. In den USA hat Präsident Obama die Spekulanten für den Preisanstieg verantwortlich gemacht und eine strengere Aufsicht und Regulierung Terminmärkte gefordert.
In Deutschland stehen die Mineralölkonzerne in der Kritik. Ihnen wird vorgeworfen, die Preise mittels Absprachen nach oben zu treiben. Sind tatsächlich Spekulanten oder Preisabsprachen für den Anstieg der Benzinpreise verantwortlich oder gibt es auch fundamentale Gründe?
Der wichtigste Einflussfaktor für den Benzinpreis ist der Rohölpreis. Dieser ist in den ersten beiden Monaten des Jahres wegen der Iran-Krise um knapp 20% gestiegen. Für die Tankstellenpreise in Deutschland kommt hinzu, dass der Euro durch die Schuldenkrise in den Euro-Peripherieländern und die EZB-Krisenpolitik belastet wird und daher im Gegensatz zu vorherigen Ölpreisanstiegen keinen Puffer mehr bildet. In der Folge dieser Entwicklung hat der Brentölpreis in Euro im März das bisherige Rekordhoch von Juli 2008 übertroffen. Bis Anfang März lässt sich der Benzinpreisanstieg in Europa mit der Entwicklung des Rohölpreises erklären.
Allerdings ist der Ölpreis seither gefallen, während der Benzinpreis zunächst weiter gestiegen ist. Die Preisdifferenz zwischen dem Großhandelspreis für Benzin in Rotterdam und Rohöl erreichte Ende März mit knapp 300 USD je Tonne das höchste Niveau seit Mai 2007 (Grafik 19, Seite 3).

Um diese Entwicklung zu verstehen, nützt ein Blick in die USA. Denn die USA sind der mit Abstand größte Benzinmarkt der Welt und beeinflussen damit auch die Benzinpreisentwicklung außerhalb des Landes (Grafik 2). Grafik 3 zeigt die Preisentwicklung von US-Benzin an der NYMEX und dem WTI-Ölpreis. Auf dem ersten Blick sieht es danach aus, dass die Benzinpreise in den USA in den letzten Monaten ebenfalls deutlich stärker gestiegen sind als der Ölpreis. Die Preisdifferenz zwischen US-Benzin und WTI-Rohöl weitete sich im Zuge dessen auf ein Rekordniveau von knapp 40 USD je Barrel aus. Davon profitieren jedoch nur die Raffinerien im Mittleren Westen (Distrikt II).
Etwa die Hälfte US-Raffineriekapazitäten befinden sich aber an der US-Golfküste (Distrikt III). Für diese Raffinerien ist nicht der WTI-Ölpreis relevant, sondern der Preis für Light Louisiana Sweet (LLS). Diese Ölsorte ist 15-20 USD je Barrel teurer als WTI. Die Verarbeitungsmarge für die meisten US-Raffinerien ist somit deutlich niedriger (Grafik 4). Ende 2011 war sie zeitweise sogar negativ.

Einige US-Raffinerien an der US-Ostküste stellten ihre Produktion daher teilweise ein, was zu lokalen Angebotsverknappungen führte. In der Folge sind die Benzinvorräte an der US-Ostküste (Distrikt I) von Mitte Februar bis Ende April um 15% gesunken und damit deutlich stärker als in den anderen Distrikten und im landesweiten Durchschnitt. Da Benzin ein global gehandeltes Produkt ist und relativ einfach transportiert werden kann, hat dies auch Auswirkungen auf die europäischen Benzinpreise. Wie Grafik 5 zeigt, unterscheiden sich die Benzinpreise in den USA und Europa kaum voneinander. Bis auf wenige Ausnahmen wichen die beiden Preise in den vergangenen Jahren kaum mehr als 50 USD je Tonne voneinander ab.
Zeitweise Abkopplungen des Benzinpreises vom Rohölpreis wie im März und April hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Diese wurden in der Regel aber schnell wieder korrigiert. Ähnlich scheint es auch diesmal zu sein. Die Preisdifferenz zwischen Benzin und Brent in Europa hat sich im April auf gut 200 USD je Tonne verringert, weil der Benzinpreis in Rotterdam von seinem Anfang April verzeichneten Hoch um mehr als 100 USD je Tonne gefallen ist.
