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Stark gespaltener Gasmarkt

25.04.2012  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die Preisunterschiede am internationalen Gasmarkt waren wohl niemals zuvor so hoch wie aktuell. Die Preise am amerikanischen Markt dürften aufgrund der Produktionserfolge bei Schiefergas bis zur Fertigstellung von LNG-Exportterminals in gut drei Jahren niedrig bleiben. Außerhalb des US Marktes bleiben die Spotpreise durch den hohen Importsog Japans und der tendenziell stark steigenden Gasbedarf Chinas gut unterstützt. Der traditionell durch langfristige Lieferbeziehungen geprägte kontinentaleuropäische Gasmarkt kann sich dem Strukturwandel nicht entziehen.

Die Divergenzen am internationalen Gasmarkt dürften wohl niemals so groß gewesen sein wie aktuell: derzeit kostet Erdgas in Japan, das wegen der abgelegenen (Insel-) Lage und der Erdbebengefahr kein Erdgas über Pipeline bezieht, sondern auf Importe von verflüssigtem Gas (LNG) angewiesen ist, fast achtmal soviel wie in den USA. Doch auch die Erdgaspreise in Europa liegen mehr als viermal so hoch wie in den USA, wobei der deutsche Grenzübergangspreis andeutet, dass in Kontinentaleuropa in der Regel 25% mehr für Gas gezahlt wird als auf dem Spotmarkt in Großbritannien (Grafik 1).

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Der börsengehandelte US-Erdgaspreis spiegelt in erster Linie die lokale Angebots- und Nachfragesituation in den USA wider. Hier ist es vor allem die massive Ausweitung des Angebots, welche den Preis unter Druck gesetzt hat. Allein im vergangenen Jahr stieg die US-Erdgasproduktion um knapp 8% und damit gut dreimal so stark wie die Nachfrage. In Volumina betrachtet war es der stärkste jemals registrierte Anstieg. Hintergrund sind die anhaltenden Produktionserfolge bei Schiefergas. Die USA sind somit auf dem besten Wege, zum Selbstversorger zu werden: Mit knapp 5 Mrd. Kubikfuß waren die täglichen Nettoimporte, welche zum Großteil aus Kanada stammen, im vergangenen Jahr so niedrig wie zuletzt im Jahr 1992. Die Differenz zwischen Produktion und Verbrauch ist von 16% der Produktion im Jahr 2007 auf gut 5% im Jahr 2011 geschrumpft (Grafik 2).

Diese Entwicklung hat die US-Erdgaslagerbestände kräftig steigen lassen. Zusätzlich bedingt durch einen milden Winter sind die Vorräte zurzeit fast 60% höher als sonst zu dieser Jahreszeit üblich (Grafik 19, Seite 6). Damit besteht das Risiko, dass am Ende der gerade begonnenen Auffüllphase im Spätherbst die Kapazitätsgrenzen der Erdgasspeicher erreicht werden. Diese bezifferte die EIA unlängst in einem Report auf 4,39 Bio. Kubikfuß. Gegenüber der im vergangenen Spätherbst erreichten maximalen Auslastung von 3,85 Bio. Kubikfuß besteht damit zwar noch etwas Spielraum. Allerdings begann der Lageraufbau in diesem Frühjahr auf einem knapp 800 Mrd. Kubikfuß höheren Niveau als vor einem Jahr. Ein ähnlicher Lageraufbau wie im Vorjahr würde somit ausreichen, damit die Kapazitätsgrenze gegen Ende der Auffüllphase erreicht wird.

Ob es dazu kommt, wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit die Nachfrage in diesem Jahr stark genug ausfällt, um den Lageraufbau zu bremsen. Die US-Energiebehörde EIA erwartet für 2012 einen Nachfrageanstieg um 4,2% auf 69,6 Mrd. Kubikfuß pro Tag. Denn mit den niedrigen Preisen - diese befinden sich derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit mehr als zehn Jahren - hat die bislang eher aus operativen Gesichtspunkten attraktive gasbasierte Stromproduktion auch an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. So hat sich der Preisvorsprung der kohlebasierten Stromproduktion gegenüber Gas fast eingeebnet. Die Nachfrage nach Erdgas zur Stromerzeugung soll der EIA zufolge im Jahr 2012 um 16% steigen und damit den niedrigeren Bedarf bei Wohnungen und Gewerbe mehr als ausgleichen.

Dem höheren Verbrauch stand bis zuletzt eine steigende Produktion gegenüber. Angesichts der geringen Rentabilität der Gasproduktion mag dies auf den ersten Blick paradox wirken. Die EIA erwartet für 2012 zwar einen deutlich geringeren Anstieg der Produktion als im vergangenen Jahr. Denn die Bohraktivitäten sind in den letzten vier Monaten um 30% eingebrochen. Mit rund 630 Bohrungen lag die Zahl Mitte April 2012 sogar niedriger als in der Rezession 2009. Dass die Produktion dennoch hoch bleibt, erklärt sich zum einen mit der gestiegenen Effizienz der Bohrungen. Zum anderen fällt Gas vermehrt als Kuppelprodukt der Ölförderung an, denn die Bohraktivitäten im Ölbereich sind massiv gestiegen. Durch die höhere Produktion von Schiefergas auf dem Land sinkt auch die Bedeutung der Gasproduktion im Golf von Mexiko. Diese machte im vergangenen Jahr nur noch 12% der Gesamtproduktion aus, verglichen mit 30% im Jahr 2006. Dadurch verringert sich auch die Abhängigkeit der US-Erdgasproduktion von Wettereinflüssen wie der Hurrikansaison.

Der US-Erdgaspreis ist aufgrund des größtenteils witterungsbedingt unterdurchschnittlichen Lagerabbaus in den Wintermonaten massiv unter Druck geraten und zuletzt sogar erstmals seit mehr als zehn Jahren unter die Marke 2 USD je mmBtu gerutscht. Der extrem hohe Lagerüberhang dürfte noch für einige Zeit bestehen bleiben. Die Chancen auf eine baldige Erholung der Preise sind daher gering. Wir haben deshalb unsere Preisprognose für Henry Hub für das laufende Jahr um einen US-Dollar gesenkt und rechnen für 2012 nur noch mit einem Durchschnittspreis von 2,25 USD je mmBtu. Erst gegen Ende des Jahres dürfte, normale Witterungsbedingungen vorausgesetzt, der Preis etwas steigen, weil sich dann der Lagerüberhang aufgrund einer höchstens noch geringfügig steigenden Produktion und einer anziehenden Nachfrage verringern dürfte.

Erst wenn sich für den amerikanischen Produzenten neue Absatzmärkte öffnen, dürfte sich der US-Preis dem internationalen Umfeld anpassen. Ein Schritt in diese Richtung ist der Ausbau des Panamakanals, der 2014 fertig sein soll. Dann können die großen LNG-Tankschiffe vom atlantischen zum asiatischen Markt gelangen. Amerikanischen Unternehmen, die sich langfristigen Verträgen zur Abnahme festgelegter LNG-Mengen verpflichtet haben, bietet sich über Reexporte dann die Möglichkeit, von dem hohen Preisniveau am asiatischen Markt zu profitieren. Darüber haben sich bereits einige Firmen um Exportlizenzen beworben. Mit dem Bau von Verflüssigungsterminals ist begonnen. Im Jahr 2016 könnten die USA dann zum Nettoexporteur werden. Dazu müssten allerdings auch gesetzliche Vorschriften abgeändert werden, welche derzeit noch den Export von Erdgas aus den USA beschränken.




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