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Spekulationen mit Agrar-Rohstoffen - unmoralisch?

23.02.2012  |  EMFIS
RTE - Thailand unterhält eine große strategische "Reis-Reserve". Die Hauptaufgabe dieser Einrichtung ist es, durch Käufe und Verkäufe von Reis auf die Marktpreise einzuwirken. 

Sobald die Reispreise in Thailand auf ein (aus Sicht der Regierung) zu niedriges Niveau fallen - und die Reisbauern keine "anständigen" Preise mehr bekommen - kauft die Organisation in großem Stil Reis auf dem Markt und macht ihre Speicher voll. Wenn die Preise dagegen stark gestiegen sind, und der Reis für Teile der Bevölkerung womöglich zu teuer geworden ist, dann wirft sie Bestände auf den Markt, was dann die Preise wieder auf ein erträgliches Niveau bringen soll. 

Zwar kann man den staatlichen thailändischen Reishändlern durchaus vorwerfen, dass sie sich bei ihren Transaktionen manchmal von populistischen Motiven lenken lassen. Im Großen und Ganzen ist der Zweck der Organisation aber durchaus wohlmeinend, denn sie bemüht sich, Preisspitzen abzuglätten und dadurch Belastungen für die Bevölkerung abzumildern.

Interessanterweise tut sie damit genau das, was auch die meisten Rohstoff-Spekulanten tun - sie kauft, wenn sie den Reispreis für zu niedrig hält, und verkauft, wenn sie ihn für zu hoch hält - und verdient dabei in der Regel auch noch ordentlich Geld!


Die bösen Spekulanten

In der Tat konnte mit börsengehandelten Nahrungsmitteln in den vergangenen Jahren jede Menge Geld verdient werden. Zuletzt wurde die Spekulation mit Agrarrohstoffen allerdings auch massiv an den Pranger gestellt. Der Grund ist, dass sich die wichtigsten Lebensmittel mittlerweile erheblich verteuert haben. 

Nachdem die Lebensmittelpreise jahrzehntelang auf dem absteigenden Ast waren, ergab sich im vergangenen Jahrzehnt ein enormer Anstieg. 2011 stieg der Preisindex der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN nochmals über das 2008 erreichte Rekordniveau, das in vielen ärmeren Ländern bereits zu Hungerrevolten geführt hatte. Gleichzeitig wurde in den vergangenen Jahren auch die Spekulation mit Agrarrohstoffen immer populärer.

Ohne Zweifel sind hohe Lebensmittelpreise für einen großen Teil der Weltbevölkerung ein bitteres Los. Und rund um den Erdball sind die vermeintlichen Hauptschuldigen dafür längst ausgemacht - es sind die Investmentbanken, Hedgefonds, Trader und sonstige Investoren, die die Agrarrohstoffe als neue Spielweise entdeckt haben. Sind also auch hier wieder einmal die gierigen Zocker für das Elend der Welt verantwortlich? Und sind vor diesem Hintergrund Agrar-Investments für den Privatanleger überhaupt noch moralisch vertretbar?

Die Kritiker der "Finanzwelt" sehen zwischen den gestiegenen Lebensmittelpreisen und der Zunahme der Spekulation mit Agrargütern einen klaren Zusammenhang. Dieser ist allerdings keineswegs so eindeutig, als uns in den einschlägigen Medien vorgegaukelt wird. Insbesondere lassen sich Ursache und Wirkung hier nur schwer trennen. Dass sich die Investoren und Spekulanten zuletzt auf die Agrarrohstoffe geradezu gestürzt haben, ist nicht zu leugnen. 


Allerdings hat dieses Interesse auch einige handfeste Gründe:

- Über viele Jahrzehnte hinweg produzierte die Landwirtschaft im Westen "Überschüsse", und die beunruhigenden Entwicklungen im Hinblick auf die Welternährung wurden ignoriert. Tatsache ist aber, dass sich die Weltbevölkerung zwischen 1960 und 2011 von 3 auf 7 Milliarden Menschen mehr als verdoppelt hat. 

- Allein in den kommenden zwei Jahrzehnten werden weitere 1,4 Milliarden neue Erdenbürger hinzukommen, und bis 2050 werden 9 bis 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben - eine Bevölkerung, die mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Mitteln und Verfahren unter gar keinen Umständen ausreichend ernährt werden kann.

- Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, zusätzliche Nahrungsmittel zu produzieren, stark begrenzt. Die Weltmeere sind größtenteils überfischt, und landwirtschaftliche Flächen sind nicht beliebig vermehrbar. Stattdessen wird in den kommenden Jahrzehnten durch Verstädterung, Erosion, Versteppung und Raubbau schätzungsweise mehr als das Doppelte an Ackerland verloren gehen, über das derzeit die EU-Staaten verfügen. Und für eine zusätzliche Verknappung sorgt dann noch der wachsende Anbau von Pflanzen zur Energieproduktion (Rapsöl, Biodiesel).

- Indessen ist die Nahrungsmittel-Nachfrage ist in den letzten Jahren tatsächlich erheblich gestiegen. Dies liegt nicht nur daran, dass die Weltbevölkerung angewachsen ist. Der Hauptgrund dafür ist vielmehr die an sich erfreuliche Tatsache, dass ein bis zwei Milliarden Menschen in den Schwellenländern nicht mehr völlig verarmt sind, sondern sich heute in einem bescheidenen Umfang mehr und besseres Essen leisten können. Dabei wirkt sich das etwas höhere Einkommen einer Milliardenbevölkerung auf die Gesamtnachfrage weltweit viel drastischer aus als die Wohlfahrtszuwächse im Westen, wo der Ernährungsbedarf schon längst gesättigt ist. 

- Eine ganz erhebliche Zusatz-Nachfrage entsteht durch den Fleischkonsum, der in den Schwellenländern derzeit geradezu explodiert. Um Masttiere hochzupäppeln, wird ein Vielfaches an Kalorien in Form von Getreide, Mais oder Soja verbraucht, als dann in Form von Fleisch auf den Teller kommt. Doch gerade für die aufstrebende Bevölkerung in den Schwellenländern ist tierisches Eiweiß der Inbegriff einer höherwertigen Kost, die man sich künftig verstärkt leisten will. Ein besonders dramatisches Beispiel dafür ist die Entwicklung in China. Zwar liegt dort der Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch noch weit unter dem westlichen Niveau. Dennoch steht das Land mit seiner Milliarden-Bevölkerung bereits für 49 Prozent des weltweiten Schweinefleisch-Verbrauchs!

Angesichts solcher Szenarien braucht man für steigende Lebensmittelpreise keine Spekulanten mehr. Die fundamentalen Ursachen liegen nicht nur jenseits des Verantwortungsbereichs der Finanzwelt. Vielmehr sind in den vergangenen Jahren auch gerade die Preise für solche Nahrungsmittel, die gar nicht an den Terminbörsen gehandelt werden, besonders stark gestiegen – in Schwellenländern waren das wegen der massiv gestiegenen Nachfrage neben Fleisch insbesondere Eier, Obst und Frischgemüse. 


Die Händler handeln gar nicht wirklich

Natürlich haben sich die Akteure an den Rohstoffmärkten bemüht, diese Entwicklungen richtig einzuschätzen - und davon zu profitieren. Wie schon immer an der Börse ging es dabei aber in erster Linie darum, die tatsächlichen Entwicklungen in der "realen Welt" vorwegzunehmen, aus denen sich dann aus einer Vielzahl von Faktoren eine Prognose über den künftigen fairen Wert ergibt. Stellt sich die Prognose eines Traders als richtig heraus, dann gewinnt er Geld - liegt er falsch, dann verliert er Geld. 

Es wird oft vergessen, dass an den Terminbörsen zwar eine gewaltige Anzahl von Kontrakten bewegt wird. In Regel handelt es sich dabei aber um Futures mit einem Liefertermin, der in der Zukunft liegt. Der überwiegende Teil der "Spekulanten" ist also nicht daran interessiert, den zugrunde liegenden Rohstoff tatsächlich zu kaufen oder zu verkaufen, sondern stößt den Kontrakt vor seinem Auslaufen wieder ab. 

Dadurch nehmen die Händler zwar Einfluss auf den Marktpreis, nicht aber auf das tatsächliche Verhältnis von Angebot und Nachfrage, das auf lange Sicht den Markt bestimmt. Die Trader haben vielleicht schöne Schreibtische mit großen Bildschirmen darauf, aber keine Silos, in denen sie Getreide bunkern, das andere Leute gerne essen würden. Und in der Zwischenzeit sorgen sie dafür, dass die echten Produzenten und Verarbeiter einen liquiden Markt vorfinden, auf dem sie ihre erheblichen Risiken absichern können. 


Wo liegt der faire Preis?

Wer behauptet, dass die Nahrungsmittel-Preise von den Spekulanten "unnatürlich weit" nach oben getrieben werden, der müsste auch den Nachweis erbringen, dass sich der "natürliche Preis" ohne Spekulation in ganz anderen Regionen befinden würde. Dies ist schwer möglich, denn auch ohne Börsen werden die Preise für Agrarrohstoffe letztlich von Angebot und Nachfrage bestimmt, und können stark schwanken. Und es kommt seltsamerweise äußerst selten vor, dass größere Rohstoffmengen im echten Leben zu ganz anderen Preisen gehandelt werden als zu den vermeintlich unrealistischen Börsen-Preisen - es sei denn, Käufer und Verkäufer haben langfristige Preisvereinbarungen abgeschlossen, was dann für eine der beiden Parteien ein herbes Verlustgeschäft bedeutet. 

Was sind überhaupt die richtigen Preise für Agrarrohstoffe? Sollen sie viel kosten, damit die vielen armen Landwirte in den Entwicklungsländern ein gutes Auskommen haben? Oder sollen sie wenig kosten, damit sie für jedermann erschwinglich sind? Als Mexiko 1994 dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA beitrat, war die Klage groß, dass der billige Mais aus den USA die mexikanischen Kleinbauern ruinieren würde. Heute spricht man angesichts der hohen Maispreise stattdessen von der "Tortilla-Krise", durch die sich dort viele Arme nicht einmal mehr ausreichend Maismehl leisten können. Schuld waren natürlich in beiden Fällen die Globalisierung, die Wallstreet und die bösen USA im Allgemeinen - doch kann man es jedem Recht machen? 


Braucht die Landwirtschaft höhere Preise?

Es ist noch gar nicht lange her, da ertrank in Europäische Union in Milchseen, und die Preise für Mais und Getreide lagen gerade mal knapp über deren Brennwert. Dies führte nicht nur dazu, dass sowohl die Landwirte selbst als auch die eher agrarisch geprägten Staaten in erheblichem Ausmaß verarmten. Auch die Landwirtschaft als solche wurde dadurch erheblich zurückgeworfen, denn gerade in ärmeren Ländern fehlten den Bauern schlichtweg die Mittel, um die als notwendig erkannten Investitionen auch umzusetzen. 

Die aktuelle Ernährungslage wäre möglicherweise bei weitem nicht so prekär, wenn die Preise für Agrarrohstoffe nicht jahrzehntelang am Boden gelegen wären. Umgekehrt eröffnen uns die derzeit hohen Lebensmittelpreise möglicherweise den Hauch einer Chance, dass die Landwirtschaft neue Mittel und Wege findet, um der kommenden Nahrungsmittelkrise ansatzweise beizukommen. 

Bedauerlicherweise gab es auch in den Zeiten sehr niedriger Nahrungsmittelpreise nicht weniger Hunger auf der Welt als heute. Zwar waren Lebensmittel im Überschuss vorhanden, doch die Armen hatten kein Geld, um sie sich zu kaufen. Die meisten Armen heute sind nicht deswegen arm, weil die Nahrungsmittelpreise gestiegen sind - sondern die Preise sind deshalb gestiegen, weil viele ehemalige Arme heute nicht mehr ganz so arm sind wie früher. 

Für jene Menschen, die vom globalwirtschaftlichen Aufschwung bisher nicht profitiert haben, ist das ein schwacher Trost. Der Grund dafür sind aber nicht die Rohstoff-Spekulanten, sondern das zunehmend bedrohliche Missverhältnis von Angebot und Nachfrage in der Nahrungsmittelproduktion, das sich in den kommenden Jahrzehnten vermutlich weiter verschärfen und auf lange Sicht noch zu deutlich höheren Agrarrohstoff-Preisen führen wird. 


Wo also investieren? 

Nach unserer bescheidenen Meinung sind Agrarrohstoff-Investments somit nicht verwerflich, sondern gewöhnliche Kapitalmarkt-Aktionen - und dazu auf mittlere Sicht auch überdurchschnittlich erfolgversprechend.

Es ist allerdings auch verständlich, dass mancher Anleger sein Open-End-Partizipationszertifikat auf Mais etc. möglicherweise angesichts der weltweit angespannten Ernährungssituation mit zunehmend gemischten Gefühlen betrachtet. 

Wir empfehlen zur Beruhigung des Gewissens alternativ Investments in Basiswerte, die eher einen gewisse Luxus-Bedarf abdecken, aber grundsätzlich der gleichen Dynamik wie die übrigen Agrarrohstoffe unterworfen sind. Mais, Reis, Getreide oder Palmöl gehören zu den dringend benötigten Grundnahrungsmitteln - auf Kaffee, Kakao oder Schweinefleisch (z.B. CME Lean Hogs) können die Leute dagegen in schweren Zeiten auch mal unbeschadet verzichten.

Auf lange Sicht sehr aussichtsreich erscheinen Investments in Wald, Ackerland und Agrarflächen, die in den kommenden Jahrzehnten immer begehrter werden dürften. Diese Möglichkeit ist allerdings nicht für jeden Anleger praktikabel. In unseren Breiten sind außerdem die Land-Preise bereits deutlich gestiegen. In exotischen Ländern wiederum ist die rechtliche Lage manchmal undurchsichtig, und es ist nicht immer ganz einfach, nachzuprüfen, ob es sich um seriöse Angebote handelt. 


Agrar-Aktien als ideale Investments

Optimal sind breit diversifizierte Investments in Aktien aus dem Agrarsektor. Von Landmaschinenherstellern über Agrarhändler, Saatgutbetriebe und Düngerproduzenten bis hin zu Zucker- oder Fleischfabrikanten gibt es eine Vielzahl von Unternehmen, die von der zu erwartenden Dynamik im Agrarsektor profitieren können.



In der aktuellen Ausgabe des http://emerging-markets-report.de/" class="external-link-new-windowEMERGING MARKETS REPORT finden Sie einige interessante Agrar-Werte aus den Emerging Markets. Denn in den Schwellenländern wächst einerseits die Nachfrage nach Agrarrohstoffen besonders stark, andererseits befinden sich auch die jeweiligen landwirtschaftlichen Sektoren dort in einem nachhaltigen Umbruch.

Auch die Agrar-Story ist in großen Teilen eine Schwellenländer-Story!

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