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Welches Ziel verfolgt die IEA mit ihren Ölreserven?

04.07.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die Internationale Energieagentur will in den kommenden 30 Tagen 60 Mio. Barrel Rohöl aus ihren strategischen Reserven dem Markt zur Verfügung stellen. Das ist auf Tagesbasis betrachtet mehr als der Produktionsausfall Libyens ausmacht. Durch diese Maßnahme dürfte ein Überangebot am Markt bestehen. Wir fühlen uns darin bestätigt, dass der Ölpreis zuletzt vor allem durch eine Risikoprämie nach oben verzerrt war, welche nun größtenteils verschwunden ist. Wir halten an unserer Einschätzung fest, dass der Ölpreis bis zum Jahresende auf 100 USD je Barrel fallen wird, rechnen aber in Folge der IEA-Entscheidung nicht mit einem längeren Preisrückgang unter diese Marke.

Die Internationale Energieagentur (IEA) sorgte Ende vergangener Woche für einen echten Paukenschlag. Erst zum dritten Mal seit ihrer Gründung im Jahr 1973 wurden die Notfallreserven auf gemeinsamen Beschluss der 28 IEA-Mitgliedsländer hin freigegeben. In den kommenden 30 Tagen sollen demnach bis zu 60 Mio. Barrel an Rohöl und Ölprodukten aus den strategischen Lagerbeständen auf dem Markt angeboten werden. Für einen Monat tritt nun gewissermaßen ein zusätzlicher Anbieter in der Größe Nigerias auf den Markt. Als Grund für ihre überraschende Entscheidung nannte die IEA die anhaltende Unterbrechung des Ölangebots aus Libyen. Die damit verbundenen Lieferausfälle sind nach Angaben der IEA schwerwiegender als die Unterbrechungen im Anschluss an Hurrikan Katrina, als man zuletzt die strategischen Ölreserven freigegeben hatte.

Allerdings sind die Angebotsausfälle Libyens nicht neu, sondern bestehen bereits seit drei Monaten. Von daher, lässt der Zeitpunkt der Maßnahme vermuten, dass diese als Reaktion auf die fehlende Bereitschaft der OPEC erfolgte, die Förderquoten zu erhöhen. Die OPEC hat sich aufgrund des Widerstands einiger Mitgliedsländer bei ihrer Sitzung am 8. Juni nicht auf eine Anhebung der Förderquoten einigen können, obwohl sich Saudi-Arabien und die anderen Länder der Golfregion dafür ausgesprochen hatten.

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In einem wenige Wochen vor der OPEC-Sitzung veröffentlichten Kommunique hatte das IEA-Direktorium ungewöhnlich offen die Ölproduzenten zur Ausweitung des Angebots aufgefordert. Darüber hinaus wurde explizit in Aussicht gestellt, selbst alle zur Verfügung stehenden Mittel in Erwägung zu ziehen. In den Augen einiger Marktteilnehmer wurde dies als indirekte Ankündigung zur Freigabe der strategischen Ölreserven interpretiert, falls die OPEC dem Drängen nach einer Angebotsausweitung nicht nachkommt. Zudem soll es im Vorfeld des besagten OPEC-Treffens bilaterale Gespräche zwischen den USA und Saudi-Arabien über ein Tauschgeschäft gegeben haben, um lokale Angebotsengpässe in Europa zu überbrücken. Demnach hätten die USA leichtes Öl nach Europa geliefert und dafür im Gegenzug schweres Öl aus Saudi-Arabien erhalten. Diese Gespräche waren letztlich aber ebenfalls gescheitert, so dass sich die IEA letztlich zum Handeln veranlasst sah.

Eigentlich sind die strategischen Ölreserven lediglich zur Überbrückung kurzfristiger physischer Angebotsengpässe angedacht. So sind auch die bisherigen Freigaben nach dem Golfkrieg Anfang 1991 und nach Hurrikan Katrina im Spätsommer 2005 zu interpretieren. Die Freigabe zum jetzigen Zeitpunkt unterscheidet sich davon. Die libysche Ölproduktion ist aber bereits seit März unterbrochen. Zudem schien sich die dadurch bedingte Knappheit gerade aufzulösen. So hat Saudi-Arabien die Ölproduktion im Mai bereits auf neun Millionen Barrel pro Tag gesteigert. Damit liegt die Produktion knapp eine Mio. Barrel pro Tag über der offiziellen Quote (Grafik 2). Für Juni und Juli werden sogar Tagesproduktionen von knapp 10 Mio. Barrel erwartet. Dieses zusätzliche Angebot wäre mehr als ausreichend gewesen, die Lieferausfälle aus Libyen zumindest quantitativ auszugleichen.

Welches Ziel könnte die IEA mit ihrem ungewöhnlichen Schritt sonst noch verfolgen? Neben der Überbrückung von kurzfristigen lokalen Angebotsengpässen und der Beruhigung der Preise könnte dahinter auch der Versuch zu vermuten sein, der schwächelnden Konjunktur in den Industrieländern unter die Arme zu greifen. Denn es ist unbestritten, dass sich die Konjunkturdynamik allem voran in den USA nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Benzinpreise seit Jahresbeginn spürbar abgeschwächt hat. Dazu passt auch, dass der Schritt maßgeblich auf Betreiben der USA erfolgte. Diese stellen zudem mit 30 Mio. Barrel die Hälfte der freigegeben Mengen zur Verfügung, obwohl die als Grund genannten Lieferausfälle in Libyen vor allem Europa und weniger die USA betreffen. Von daher bleibt abzuwarten, ob die zur Verfügung gestellten Vorräte überhaupt vollständig abgerufen werden. Bei der letzten Freigabe im Jahr 2005 war dies insbesondere in den USA nicht der Fall.

Da die Ankündigung zur Freigabe der strategischen Reserven zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Ölpreis aufgrund von Nachfragesorgen und einer steigenden Risikoaversion ohnehin schon unter Druck stand, hatte sie auch die von der IEA gewünschte Wirkung. Der Ölpreis ist innerhalb weniger Tage um zehn US-Dollar gefallen und hat den Anstieg seit Beginn der Unruhen in Libyen komplett wieder abgegeben (Grafik 3). Die Risikoprämie, welche zeitweise 20 USD je Barrel betrug, ist beinahe vollständig verschwunden. Auch die Knappheitsprämie, welche für Brent gezahlt werden muss, hat sich im Zuge der IEA-Maßnahme deutlich verringert. Die Preisdifferenz zwischen Brent und WTI, welche Anfang Juni noch bei knapp 23 USD lag, hat sich zwischenzeitlich auf ca. 13 USD verringert. Die Knappheit an hochwertigem Öl in Europa aufgrund des weggefallenen Angebots aus Libyen war ein wichtiger Grund für die starke Ausweitung der Preisdifferenz zugunsten von Brent in den vergangenen Wochen.




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