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Preisfindung in der Stahlindustrie im Umbruch

23.02.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
- Seite 4 -
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der im Frühjahr 2008 eingeführte LME-Stahlkontrakt stark an Akzeptanz gewonnen hat. Der LME-Stahlkontrakt, dessen kleinste handelbare Einheit ein „Lot“ von 65 Tonnen ist, bezieht sich auf den halbfertigen Stahlknüppel (steel billets), der vorwiegend in der Bauindustrie Verwendung findet und wegen seiner universellen Verwendbarkeit Ähnlichkeiten mit dem Charakter eines Rohstoffs hat. Der Stahlkontrakt war zunächst für zwei Lieferregionen aufgelegt, die aber im Juli letzten Jahres zusammengeführt wurden. Damit ist die Liquidität nochmals erheblich gestiegen. Insgesamt wurden im letzten Jahr gut 190 Tsd. Kontrakte bzw. 12,4 Mio. Tonnen umgesetzt (Grafik 9, S.6).

Das entsprach einer Versechsfachung gegenüber dem Vorjahr und einem Nennwert von knapp 6 Mrd. USD. Verglichen mit den 46 Mio. Aluminium-Kontrakten (HighGrade) bzw. 1,1 Mrd. Tonnen, die dem Dreißigfachen der jährlichen Jahresproduktion von Aluminium entsprechen, ist der Umschlag bei Stahl, der noch nicht einmal ein Prozent der jährlichen Stahlproduktion entspricht, aber äußerst gering. Die Liste der Produzenten, die sich an der LME für die Einlieferung ihrer Stahlknüppel haben registrieren lassen, zeigt zudem, dass vor allem die großen Unternehmen zurückhaltend sind. Nichtsdestotrotz zeigt der Preisverlauf des Dreimonatskontrakts einen starken Gleichlauf mit den Benchmark-Preisen für Betonstahl in Europa (Grafik 10).

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Aktuelle Lage und Preisaussichten

Die Stahlindustrie ist mit Schwung aus der Rezession gekommen. Während sich die Nachfrage in den Schwellenländern vor allem dank Chinas immensen Konjunkturpakets schon im Vorjahr erholt hatte, hat im Jahr 2010 auch die Nachfrage in den Industrieländern kräftig angezogen. Alles in allem steht gemäß World Steel Association ein globales Nachfrageplus von 13% zu Buche. Die Aussichten für die Stahlindustrie sind angesichts der Fortsetzung des globalen Aufschwungs positiv. Allerdings dürfte sich die Dynamik abflachen.

Ausschlaggebend ist eine sich abzeichnende Verlangsamung des chinesischen Wachstumstempos. Bezogen auf die Abnehmerbranchen dürften sowohl in der Automobilindustrie als auch im Maschinenbau die Zuwachsraten der Produktion geringer ausfallen als im Vorjahr. Diese Verlangsamung überkompensiert die Beschleunigung der Aktivitäten im Bausektor. Rückenwind dürfte jedoch der Lagerzyklus geben, denn allgemein beurteilen die Endverbraucher und die Zwischenhändler ihre Vorräte noch als niedrig bis normal.

Aber nicht nur eine hohe Nachfrage, sondern vor allem auch die steigenden Rohmaterialkosten sprechen für höhere Preise. Chinas Nachfragesog - im Januar wurde mit 69 Mio. Tonnen soviel Eisenerz eingeführt wie nie zuvor - hat die Preise am Spotmarkt für Eisenerz auf annähernd 200 USD je Tonne getrieben. Auch Kokskohle hat sich nicht zuletzt bedingt durch die Angebotsprobleme immens verteuert. Wir rechnen vorerst mit weiter steigenden Rohmaterialpreisen. Insbesondere die Kontraktpreise für das zweite Quartal dürften nochmals deutlich über den aktuellen Vertragspreisen liegen. Im Verlauf des zweiten Halbjahrs sollte die Dynamik jedoch stark nachlassen und die Preise für die Rohmaterialien nachgeben.

Bei den Produktionskosten für Stahlknüppel, die vorwiegend in der Elektrostahlherstellung produziert werden, gibt zwar der am aktuellen Rand zu beobachtende leichte Rückgang Schrottpreise etwas Entlastung. Wir erachten die Preiskorrektur aber eher als vorübergehend, denn ein massiver Preisrückgang war in der Vergangenheit nur dann zu beobachten, wenn die Kosten der beiden Produktionsverfahren massiv auseinander gelaufen sind. Das ist zur Zeit aber
nicht der Fall.

Alles in allem rechnen wir für den Dreimonatskontrakt für Stahl aufgrund der weiter steigenden Rohmaterialpreise im zweiten Quartal mit einer Verteuerung auf 590 USD je Tonne. Zum Jahresende erwarten wir einen Stahlpreis von 620 USD je Tonne. Im kommenden Jahr gehen wir von einer Abschwächung der Preisdynamik aus.


Nachwort:

Mit dieser Studie ist ein Anfang gemacht. In den kommenden Ausgaben werden wir Themen wie die Segmentierung des Stahlmarktes, die Strukturen der Märkte für die wichtigsten Rohmaterialien sowie für Stahlschrott, neue Produktionsverfahren etc. vertiefen.

Auf einen Blick

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