Rohöl vor heftigen Kursrücksetzern?

Unterm Strich kann daher festgehalten werden, dass die jüngsten Preisanstiege beim Rohöl primär spekulationsgetrieben waren. Derartige Übertreibungsphasen dauern manchmal länger als zunächst angenommen, so dass es schwer ist, den genauen Zeitpunkt der Trendwende vorherzusagen. Fest steht aber: Der Ölmarkt wirkt gegenwärtig massiv überhitzt, was man unter anderem an dem sehr nervösen Handel in der Vorwoche gut erkennen konnte. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass wir die 80 US-Dollar (vielleicht sogar auch 85 US-Dollar) kurzfristig sehen. Dann aber dürften die Notierungen den "Rückwärtsgang" einlegen. Bis Ende des Jahres sind Kurse mit einer Sechs als erster Zahl wesentlich wahrscheinlicher als Notierungen von 90 oder gar 100 US-Dollar je Barrel.
CoT-Daten mahnen zur Vorsicht
Die kommerziellen Händler an den Terminmärkten sind gegenwärtig mit übet 111.000 Kontrakten netto short positioniert. In den zurückliegenden zwölf Monaten gab es niemals eine ähnlich hohe Positionierung auf der „kurzen Seite“ und auch im historischen Vergleich ist die aktuelle Situation kann die aktuelle Situation als „extrem“ bezeichnet werden. In der Vergangenheit kam es bei Nettoshortpositionen dieser Gruppe zwischen 75.000 und 95.000 Kontrakten immer zu einem Rückschlag im übergeordneten Aufwärtstrend. Allzu lange sollte dieser daher auch jetzt nicht auf sich warten lassen.
"Bärische" Saisonalität
Die langfristige Saisonalität (23 Jahre) ist noch bis in den Herbst hinein "bullish". Etwas anders stellt sich das Bild jedoch dar, wenn man auf den hier nicht abgebildeten fünfjährigen jahreszeitlichen Preisverlauf schaut. Hier bildet Brent Oil bereits im August sein saisonales Hoch aus. Die Signifikanz dieses Muster war auch in den letzten Jahren trotz des übergeordneten Aufwärtstrends erstaunlich hoch und so erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch in diesem Jahr mit einem gewissen Druck auf die Preis aufgrund des saisonalen Musters in den nächsten Wochen gerechnet werden muss.
Charttechnisch noch alles im "grünen Bereich"
Der Aufwärtstrend seit Jahresbeginn ist ungeachtet der vorübergehenden Rücksetzer in der Vorwoche unverändert intakt. Sollte der September-Future den Widerstand bei 77,50 US-Dollar überwinden können, ist ein Anstieg bis auf 79,30 US-Dollar nicht auszuschließen, zumal solche alten Hochs eine fast schon magnetische Wirkung auf Märkte haben. Für wahrscheinlicher erachten wir allerdings einen Abprall an den 77,50 US-Dollar nach unten, da der MACD derzeit noch ein Verkaufssignal generiert. Geschieht dies ist entscheidend, ob der Support bei rund 75 US-Dollar hält. Wir dieser unterschritten, drohen Anschlussverkäufe bis 71,20 oder sogar 68,50 US-Dollar.
Fazit
Fundamental mögen die längerfristigen Aussichten für deutlich höhere Preise sprechen. Allerdings sollte es auf dem Weg dahin schon bald eine erkennbare Unterbrechung geben. Noch gibt es keine Signale für einen Short-Einstieg, diese könnten sich jetzt aber sehr zeitnah ergeben. Ein Long-Einstieg an dieser Stelle verbietet sich angesichts der aufgezeigten Risiken von selbst und bestehende Long-Positionen sollten mit deutlich engeren Stopps als in den Vorwochen abgesichert werden.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de