Ausblick 2009 - Rohstoffpreise trotzen der Krise

Der Einfluss der Finanzinvestoren ist zuletzt deutlich gewachsen. In der Folge haben sich Rohstoffe von reinen Wirtschaftsgütern, deren Preisentwicklung nur von der Angebots-/Nachfrage-Situation abhängt, zu einer eigenständigen Anlageklasse entwickelt. Insofern sind spekulative Übertreibungen in beide Richtungen nicht überraschend, wie sie auch in anderen Anlageklassen vorkommen. Die Finanzinvestoren dürften dafür sorgen, dass die Preisentwicklung deutlich volatiler wird, so dass mit einer Zunahme der Tagesschwankungen gerechnet werden muss. Dies gilt insbesondere in Phasen von Wendepunkten, welche wir im ersten Halbjahr 2009 erwarten.

Lagerbestände und Contango der Terminkurve
Der Abverkauf und die Zwangsliquidationen durch die Finanzanleger haben auch die Form der Terminkurve von Backwardation in der Vergangenheit in Contango gedreht, d.h. früher lagen die Terminpreise unter dem Kassakurs, jetzt liegen sie weit darüber (Grafik 6). Diese Konstellation hat mehrere Gründe und Implikationen. Einerseits deutet Contango auf eine derzeit ausreichende Versorgung am Ölmarkt hin. Auch die Kreditklemme hat direkte Auswirkungen, da diese einerseits Liquidationen zu jedem Preis begünstigt und andererseits eine Arbitrage entlang der Kurve unmöglich macht. Darüber hinaus spiegelt die Form der Kurve teilweise die Erwartungen der Marktteilnehmer wider, dass das jetzige Preisniveau langfristig gesehen zu niedrig ist und die Preise daher künftig wieder steigen werden.
Die Implikationen vom Contango sind auf den ersten Blick negativ. Die Lagerbestände werden einerseits weltweit massiv ausgebaut, wobei man jetzt auch die Öltanker als „schwimmende Öltanks“ benutzt. Dies dürfte langfristig das Preispotenzial stark begrenzen. Andererseits macht Contango die Investments in Rohöl augenscheinlich unattraktiv wegen des sog. „negativen Rollertrags“. Dennoch zeigt der zweite Blick, dass den Zeiten ausgeprägten Contangos oft starke Erholungsphasen folgen (Grafik 7).
Der Lageraufbau könnte jedoch auch längerfristig einen positiven Effekt auf die Preise haben, wenn diese Lagerbestände aus strategischen Gründen gebildet und damit dem Markt auf unbestimmte Zeit entzogen werden. So möchte auch China seine Strategischen Ölreserven künfitg massiv ausbauen. Aktuell befinden sich schätzungsweise 102 Mio. Barrel in den Staatsreserven, weitere 170 Mio. Barrel sollten bald dazu kommen. Außerdem sollten die kommerziellen Lagerbestände von bis zu 209 Mio. Barrel aufgebaut werden. Es ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass in den USA die Strategischen Rohölreserven von derzeit 701,8 Mio. Barrel weiter ausgebaut werden. Der Ausbau von Strategischen Ölreserven weltweit hat aufgrund der immensen Größe dieseer Reserven durchaus eine signifikante Auswirkung auf die Gesamtnachfrage. Auch ist damit zu rechnen, dass angesichts der hohen geopolitischen Risiken sich künftig mehr Länder dem IEA-System anschließen, das eine Lagerhaltung in Höhe von 90 Tages-Nettoimporten vorschreibt.
Risiken: Geopolitische Spannungen und Nationalismus
Wie kaum ein anderer Rohstoff unterliegt Rohöl geopolitischen Risiken. Weiteres Konfliktpotenzial bei den großen Ölproduzenten Nigeria, dem Iran, Venezuela und Russland dürfte für einen nachhaltigen Risikoaufschlag beim Ölpreis sorgen. Auch der jüngste Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat sowohl direkte als auch indirekte Implikationen auf den Ölpreis. Zum einen greift man in dieser Situation verstärkt auf Dieselgeneratoren, Schwer- und Heizöl zu.
Zum anderen rücken dadurch erneut die angebotsseitigen Risiken in den Fokus der Marktteilnehmer, während in den letzten Monaten der Markt nur die Risiken bei der Nachfrage beachtet hat. Man sollte nicht vergessen, dass Russland mitterweile nicht nur der größte Gas-, sondern auch Ölproduzent und –exporteur ist. Auch sind die Fronten im Streit um das Atomprogramm Irans, des zweitgrößten OPEC-Exporteurs, noch immer verhärtet. Die Eskalation des Konflikts in Gaza und der darauf folgende Anstieg des Ölpreises zeigen erneut, dass der Nahe Osten ein latentes Risiko für die Ölversorgung birgt. Auch bleibt abzuwarten, ob sich die Tendenzen zur Verstaatlichung und der verstärkten Staatskontrolle im Energiesektor in wichtigen Förderländern, wie z.B. Venezuela oder Russland, weiter fortsetzen. All dies spricht für eine Zunahme bzw. Beibehaltung der Risikoprämie beim Ölpreis in den kommenden Monaten.
Ausblick für Ölprodukte
Die Preise für Benzin und Diesel sind zusammen mit dem Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte 2008 deutlich unter Druck geraten. Benzin ist dabei deutlich stärker gefallen als Diesel und sogar stärker als der Ölpreis selbst, wobei sich der Benzinpreis von der Spitze im Sommer auf das Tief im Winter nahezu geviertelt hat. Zeitweise notierte der Benzinpreis an der NYMEX (ohne Steuern) sogar 5 USD pro Barrel niedriger als der Ölpreis, d.h. die Raffinerien mussten für Rohöl teilweise vor Kosten mehr bezahlen als sie für verarbeitetes
Benzin einnahmen.
Dies war aus unserer Sicht nur möglich, weil die internationalen integrierten Ölkonzerne diese Verluste durch den Verkauf von Rohöl und Heizöl kompensieren konnten. Dennoch ist die Benzinnachfrage dramatisch gesunken und lag in den USA im Jahr 2008 um bis zu 5% unter dem Vorjahr. Dagegen konnte Diesel vom verstärkten Einsatz von Dieselmotoren weltweit wegen ihrer Sparsamkeit und insbesondere in Europa wegen der starken Steueranreizen für Diesel profitieren. Auch die zeitweisen Engpässen bei der Stromversorgung in China und Südafrika haben den Dieselbedarf erhöht, weil es auch zur Betreibung von Dieselgeneratoren verwendet wird. Nicht zu vergessen ist, dass das mit Diesel eng verwandte Heizöl im Winterhalbjahr verstärkt verwendet wird, was jetzt auch die höheren Dieselpreise (vor Steuern) erklärt.