Rohstoffe kompakt: Industriemetalle: Eisenerz und Kokskohle werden sich drastisch verbilligen

Entsprechend ist der Bedarf an Eisenerz bereits spürbar gefallen. Chinas Eisenerzimporte sind im Oktober eingebrochen: laut Zollbehöre lagen sie mit knapp 31 Mio Tonnen fast 9 Mio Tonnen niedriger als im September. Auf Basis von Meldungen für Verschiffungen könnten diese im November und Dezember sogar auf ein Niveau von 20 Mio. Tonnen zurückfallen. Darüber hinaus sind die Vorräte in den chinesischen Häfen rasant gestiegen. Auch wenn sie zuletzt wieder etwas gefallen sind, liegen sie Ende November mit knapp 69 Mio. Tonnen 35% höher als zu Jahresbeginn. Außerdem wies der Präsident des chinesischen Eisen- und Stahlverbandes darauf hin, dass die Vorräte einiger Hütten eine Reichweite von vier Monaten erreicht hätten.
Unabhängig von den jüngsten Tendenzen war/ist eine nennenswerte Ausweitung der Minenkapazitäten geplant. Allein in China werden laut Aussagen der Metallurgischen Minenindustrie 17 neue Projekte mit einer Gesamtkapazität von 120 Mio. Tonnen in den nächsten zwei bis drei Jahren ihre Produktion aufnehmen. Auch in Australien werden mit der Erweiterung des Pilbara Projektes des drittgrößten australischen Eisenerzproduzenten Fortescue, dem Ausbau der Hope Downs Mine und der Yandicoogina Mine von Rio Tinto und in Brasilien mit dem Carajas Projekt von Vale weitere Minenkapazitäten geschaffen.
Dennoch haben die Produzenten bereits auf die verschlechteren Absatzperspektiven mit Proudktionskürzungen reagiert. Im einzelnen hat der Branchenprimus Vale (CVRD) mit Wirkung Anfang November seine Produktion um 30 Mio Tonnen pro Jahr gekürzt. Damit wurde das Produktionsziel für das laufende Jahr um 9% auf 325 Mio Tonnen reduziert. Während der zweitgrößte der Branche, BHP Billiton, noch keine Kürzungen angekündigt hat, will Rio Tinto seine Produktion in West-Australien um 10% bzw. seinen Export um 20 Mio Tonnen senken.
Der drittgrößte australische Anbieter Fortescue hat Kürzungen ab dem 17. November angekündigt und damit das Produktionsziel für das laufende Jahr von 22 auf 20 Mio Tonnen reduziert. Hinter dieser Schließung stehen allerdings die Vorbereitungen für die oben erwähnte Ausweitung des Pilbara Projektes. Über Kürzungen in der chinesischen Eisenerzförderung ist bislang nichts bekannt. Damit beläuft sich die Summe der Kürzungsankündigungen auf knapp 3% der Weltproduktion. Bezogen auf den weltweiten seewärtigen Handel sind es immerhin knapp 7%.

Für die weiteren Aussichten gilt: das Tempo des Abschwungs in der Stahlindustrie wird nahezu ungebremst an die Eisenerzproduzenten weitergegeben. Grafik 4 zeigt den sehr engen Verbund zwischen Eisenerz- und Stahlproduktion, der letzlich in den Produktionsverfahren und der ausschließlichen Verwendung von Eisenerz für die Roheisenproduktion begründet liegt. Einfachen Schätzungen zufolge führt ein Rückgang der Rohstahlproduktion um 1% zu einem Rückgang der Eisenerzproduktion um 0,8%. Bislang gehen unsere Stahlanalysten im kommenden Jahr von einem Rückgang der Rohstahlproduktion um 3% aus, nach einem Minus von 1% im laufenden Jahr. Das passt zu den derzeitigen Prognosen für das Weltwirtschaftswachstum von gut 2%. Angesichts der sich fast täglich weiter zuspitzenden Lage in den Abnehmerbranchen und der Meldungen über Produktionskürzungen besteht das Risiko, dass der Einbruch im kommenden Jahr deutlich stärker ausfallen wird.
Entsprechend sind in der Vergangenheit auch die Preise für Eisenerz den Entwicklungen an den Stahlmärkten gefolgt. Während Mitte der 70erJahre die Verhandlungspreise in Folge des Einbruchs der Stahlkonjunktur nur moderat nachgaben, war in der Rezession Anfang der 80er Jahre zwei Jahre in Folge ein Rückgang der Preise um jeweils gut 12% zu verzeichnen; auch in der Rezession Anfang der 90er Jahre sind die Preise mit zweistelligen Raten gefallen.
Aber nicht nur die verschlechterten Absatzperspektiven sprechen für spürbar niedrigere Preise, sondern auch die deutlichen Wechselkursverschiebungen. Denn die Währungen der wichtigsten Exportländer sind stark unter Druck geraten. Sowohl der australische Dollar als auch der brasilianische Real haben gegenüber dem US Dollar seit Mitte Juli mehr als 30% an Wert verloren. Da die Vertragspreise in US-Dollar fakturiert sind, während die Kosten primär in Landeswährung anfallen, sind die Margen der Produzenten in den langlaufenden Verträgen gestiegen bzw. an den Spotmärkten weniger stark unter Druck geraten. Damit können viele Produzenten also nach wie vor profitabel arbeiten.