Energie: Ölpreis auf 12-Monatstief


Ende der vergangenen Woche ist der Preis für Nordseeöl der Sorte Brent nochmals deutlich eingebrochen und notierte zuletzt sogar unter der 80-Dollar-Marke. Damit hat der Ölpreis den tiefsten Stand seit September 2007 erreicht. Je stärker der Strudel der Finanzkrise wird und je schlechter damit die Perspektiven für die Weltkonjunktur werden, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass die globale Ölnachfrage sinkt.

Übertreibt der Markt?
Die Sorgen um den Zustand der Weltkonjunktur sind angesichts des Ausmaßes der Finanzkrise sicher berechtigt. Allerdings ist das Tempo des Preisverfalls bei Öl in den letzten Tagen so rasant gewesen, dass der Markt hier möglicherweise bereits übertrieben hat. Immerhin notierte Brent Ende September noch bei gut 100 Dollar - innerhalb von nur acht Handelstagen ist der Preis damit um mehr als 20% eingebrochen. Auch der Abstand zur 200-Tage-Linie hat mittlerweile mit mehr als 30 Dollar einen neuen Negativrekord aufgestellt.

Starke Baisse fundamental nicht gerechtfertigt
Die starke Baisse scheint auch aus fundamentaler Sicht übertrieben. Immerhin hat der IWF Mitte letzter Woche für das Jahr 2009 relativ robuste BIP-Wachstumsraten für China (9,3%), Indien (6,9%) und Russland (5,5%) veröffentlicht. Der Optimismus des IWF für die BRICStaaten wird durch die OECD Leading Indicators unterstützt, die sich insbesondere für China und Russland weiterhin sehr positiv darstellen. China, Indien und Russland sind aktuell die Nummer 2, 4 und 5 im weltweiten Ölverbrauch. Insofern überrascht es nicht, dass die IEA für die Jahre 2008 und 2009 mit einer Steigerung der Ölnachfrage gegenüber 2007 von insgesamt 1,1 Mio. Barrel pro Tag (mbpd) rechnet.

Dieser Nachfragesteigerung steht ein immer stärkerer Rückgang auf der Angebotsseite gegenüber. So werden die ersten kanadischen Ölsandprojekte auf dem aktuellen Ölpreisniveau unrentabel. In Kanada revidierten die Hersteller die Prognose für die Produktion im Jahr 2015 von 3,4 mbpd auf jetzt 2,8 mbpd. Auch erste Tiefwasser-Projekte in Nigeria und Angola dürften bei Preisen unter 0 Dollar unrentabel werden. Schließlich hat die OPEC eine Sonderkonferenz für Mitte November einberufen, bei der eine Förderkürzung ebenfalls ganz oben auf der Agenda steht. Der weiter steigenden Ölnachfrage dürfte damit in den nächsten Monaten ein knapperes Angebot gegenüberstehen. Dies dürfte dazu führen, dass die Preiserosion bald zu einem Ende kommt.
© Dr. Frank Schallenberger
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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