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Rohstoffe kompakt - Ölmarkt: Anatomie einer Blase (Teil II)

28.08.2008  |  Eugen Weinberg
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Im Zuge dessen stiegen die Rohölimporte deutlich an und China wurde in den vergangenen drei Monaten sogar erstmals zum Netto-Importeur von Benzin. Auch wenn der implizite Ölverbrauch in China im Juli aufgrund der höheren Importe und einer höheren Raffinerieauslastung um 9,5% stieg bzw. den stärksten Anstieg seit zwei Jahren verzeichnet hat, liegt letzteres hauptsächlich daran, dass die Kraftstoffpreise Anfang Juli um rund 20% erhöht wurden. Weitere Preiserhöhungen dürften nach dem Ende der Olympischen Spiele folgen, was den Zuwachs der Ölnachfrage in China deutlich dämpfen sollte.

Es ist auch davon auszugehen, dass die Lagerbestände noch ausreichend hoch sind, wobei die Importe von Rohöl und Ölprodukten in der kommenden Zeit sinken werden. Einen ersten Hinweis hierfür lieferten bereits die im Juli um 7% gesunkenen Rohölimporte. Eine geringere Nachfrage in China dürfte unter dem Strich dafür sorgen, dass sich das Sentiment beim Ölpreis dramatisch eintrübt.

Auch dürfte ein schwächeres Nachfragewachstum in China weitere Abwärtsrevisionen der Weltnachfrage zur Folge haben. Derzeit geht die IEA davon aus, dass die globale Ölnachfrage in diesem Jahr um 800 Tsd. Barrel pro Tag zunimmt, wobei der Zuwachs in Chinas allein 500 Tsd. Barrel pro Tag betragen sollte. Anfang des Jahres hatte man noch einen Anstieg um insgesamt 2 Mio. Barrel pro Tag prognostiziert. Für diese Abwärtsrevision zeichnen vor allem die OECDLänder verantwortlich, deren Ölverbrauch in diesem Jahr um 600 Tsd. Barrel pro Tag fallen soll.

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Noch immer stellen die OECD-Staaten rund 60% der weltweiten Ölnachfrage, wobei dieser Anteil ständig zu Gunsten der Schwellenländer zurückgeht. Besonders ausgeprägt ist die Nachfrageschwäche in den USA. So haben die US-Amerikaner laut US-Verkehrsministerium im 1. Halbjahr 2008 mit dem Auto fast 70 Mrd. Kilometer weniger zurückgelegt als noch im Vorjahr, was einer Entfernung von rund 100.000 Mal zum Mond und zurück entspricht (Grafik 4). Das US-Energieministerium berichtete Mitte August, dass der durchschnittliche Ölverbrauch im selben Zeitraum um insgesamt um 800.000 Barrel pro Tag bzw. fast 4% gegenüber dem Vorjahr zurückging.

Auch in Europa bleibt die Nachfrage äußerst schwach. Die spürbare Abschwächung der Nachfrage in den OECD-Ländern geht einher mit einem deutlich gestiegenen Angebot durch die OPEC. Jüngsten Erhebungen von Petroligistics zufolge konnte die OPEC ihren Output im August um 450.000 Barrel auf knapp 33 Mio. Barrel pro Tag steigern. Damit übertrifft die PEC die eigenen Zielvorgaben derzeit um rund eine Mio. Barrel pro Tag. Diese Entwicklung dürfte zu einem weiteren Aufbau der überirdischen Lagerbestände weltweit beitragen.

Die Rohöllagerbestände in den USA sind in den vergangenen Wochen bereits deutlich gestiegen und liegen nur noch knapp unter dem 5-Jahresdurchschnitt. Anfang Juli betrug die Abweichung noch 8%. Mit dem Ende der Sommer-Fahrsaison Anfang September und dem Näherrücken der Heizsaison dürfte sich der Fokus stärker auf die Destillate-Vorräte richten, wozu neben Diesel auch Heizöl zählt. Diese sind für die Jahreszeit gut gefüllt und liegen im Gegensatz zu den zuletzt deutlich zurückgegangenen Benzinlagerbeständen am oberen Ende des 5-Jahreskorridors.

Selbst wenn für den jüngsten Anstieg des OPEC-Angebots möglicherweise nur vorübergehende Faktoren wie zuvor zurückgehaltene Lieferungen aus dem Iran verantwortlich zeichnen, könnten Rufe nach einer Kürzung der Förderquoten beim nächsten OPEC-Treffen am 9. September, welche bislang vor allem von den Falken (Venezuela, Iran, Libyen) zu hören waren, in Anbetracht steigender Lagerbestände auch bei anderen Kartellmitgliedern auf offene Ohren stoßen. Eine Kürzung der Fördermenge würde den kurzfristigen Preisanstieg in Richtung 130 USD weiter unterstützen.

Weiterer Rückenwind für einen kurzfristigen Ölpreisanstieg könnte durch die bis in den November andauernde Hurrikansaison in den USA kommen. Die Wetterbehörden in den USA gehen davon aus, dass die Hurrikanaktivität in diesem Jahr stärker ausfallen wird als durchschnittlich üblich. Dazu kann es jederzeit zu einer erneuten Eskalation des Konfliktes zwischen Russland und der NATO und des Streits um das iranische Atomprogramm kommen. Selbst wenn der Ölpreis daraufhin steigen sollte, ist die seit Mitte Juli laufende Korrekturphase damit noch nicht abgeschlossen. Weil die vorherige Übertreibung besonders ausgeprägt war, dürfte die Korrektur dieses Mal heftiger ausfallen und mit 6-12 Monaten auch relativ lange anhalten. Von daher könnte der Ölpreis das fundamental gerechtfertigte Niveau, welches wir zwischen 80 und 100 USD je Barrel sehen, kurzzeitig durchaus auch unterschießen.

Die zuletzt stark gestiegenen Produktions- und Transportkosten sprechen allerdings dafür, dass das langfristige Preisniveau deutlich höher liegt als vor einigen Jahren. Es ist auch nicht das erste Mal, dass der Ölpreis innerhalb kurzer Zeit über 20% an Wert verliert. Bereits in den Jahren 2003 und 2006 kam es zu ähnlich scharfen Preisrückgängen. Diese erwiesen sich aber als nur mittelfristige Korrekturen. Unsere grundsätzlich positive langfristige Haltung hat sich deshalb nicht geändert. Der Aufholprozess in den Schwellenländern ist noch lange nicht abgeschlossen. So liegt der tägliche Rohölverbrauch pro Kopf in China bei weniger als 1 Liter, während in den USA durchschnittlich rund 11 Liter Rohöl pro Kopf verbraucht werden. Wir gehen deshalb nach wie vor davon aus, dass die Ölnachfrage in den Schwellenländern weiter massiv zunehmen und einen Ölpreisanstieg auf lange Sicht unterstützen wird (Grafik 5).





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