Kommt bald eine neue "Weizen-Rallye"?


US-Lagerbestände abermals angehoben
Der Weizen in den USA hat die Flut-Katastrophe in diesem Jahr offenbar gut überstanden. Nicht zuletzt deshalb sah sich das US-Landwirtschaftsministerium am 11. Juli veranlasst, die Schätzungen bezüglich der 2008/09er Endbestände von zuvor 487 auf jetzt 537 Millionen Scheffel anzuheben, was primär der um elf Prozent auf 56,59 Millionen Acres ausgeweiteten Anbaufläche geschuldet aber auch dem guten Zustand des Frühlingsweizens. Aktuell werden 63 Prozent der Pflanzen mit "good to excellent" bewertet. Ein Woche zuvor waren es lediglich 61 Prozent. Ganz spurlos sind die Wetter-Kapriolen an dem Getreide aber offenbar doch nicht vorbeigegangen. Denn in der letzten Saison wiesen zum jetzigen Zeitpunkt 75 Prozent einen guten bis ausgezeichneten Zustand auf. Das viel beachtetet Ending Stock to Use Ratio wird nunmehr bei 23 Prozent gesehen, was gegenüber dem Wert der letzten Saison ein Plus von stattlichen zehn Prozent bedeutet. Im längerfristigen Vergleich liegt das Verhältnis zwischen Vorräten und Verbrauch aber nach wie vor im unteren Mittelfeld.
Auch weltweit überwiegend üppige Ernten
Auch auf globaler Ebene stehen die Zeichen auf Entspannung: In Australien dürfte die Ernte trotz zeitweiliger Trockenheit im Vergleich zum zurückliegenden Jahr recht üppig ausfallen, da gerade für die kommenden Tage vermehrte Niederschläge angekündigt sind, und auch in China rechnet man mit höheren Erträgen. Auch in weiten Teilen Europas und insbesondere in der Schwarzmeer-Region könnte der Output rekordverdächtige Marken erreichen. Lediglich im Ostseeraum erwarten Experten auf Grund der wochenlangen Frühsommer-Trockenheit Einbußen, die jedoch nicht großartig ins Gewicht fallen. Unterm Strich werden sich am Ende des laufenden Wirtschaftsjahres laut den amerikanischen Behörden daher 133 Millionen Tonnen Weizen in den weltweiten Lagerhäusern befinden. 2007/08 waren es lediglich 116 Millionen Tonnen.
Überangebot trotz höherer Nachfrage
Der Anstieg der Vortragsbestände hat - wie könnte es auch anders sein - seine Ursache in einem Überangebot an Weizen. Einem Weltaufkommen von 664,2 Millionen Tonnen soll ein Verbrauch von nur 647,2 Millionen Tonnen gegenüberstehen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das zwar einen Anstieg um etwa 20 Millionen Tonnen, der hauptsächlich auf der vermehrten Verwendung als Futtergetreide zurückzuführen ist, nachdem die Maispreise in fast schon Schwindel erregende Höhen gestiegen sind.
Rückläufige amerikanische Exporte
Für die USA erwartet man zudem einen 20prozentigen Rückgang der Exporte. Bis dato sind die Ausfuhren um 14 Prozent gefallen. Einerseits machen die guten Ernten in vielen Regionen den Zukauf von Weizen überflüssig und anderseits schreckt der nach wie vor recht hohe Preis ab. Alles in allem sehen die fundamentalen Rahmenbedingungen also auf den ersten Blick alles andere als "bullisch" aus. Einige Anleger könnten daher zu der Auffassung gelangen, dass die Weizenpreise ihren wirklichen Crash erst noch vor sich haben. Dem ist unserer Meinung nach jedoch absolut nicht so:
Geringere Anbauflächen vorprogrammiert
Langsam aber sicher wird der Markt sein Augenmerk bereits auf die nächste Saison richten. Und in Anbetracht der gegenwärtigen Mais- und Sojabohnen-Notierungen muss von einem deutlichen Rückgang der Weizen-Anbaufläche ausgegangen werden. Da der Verbrauch hoch bleiben wird und auch von einer konjunkturellen Abkühlung nicht belastet wird, können wir uns durchaus vorstellen, dass die Lagerbestände im kommenden Wirtschaftsjahr einen neuerlichen Tiefschlag erhalten. Zwar halten wir es für nicht sonderlich wahrscheinlich, dass Weizen seine alten Höchststände demnächst wieder erreicht, weil diese ohnehin zum Großteil von Spekulationen getrieben waren. Einen moderaten Kursanstieg erachten wir bis Jahresende allerdings für gut möglich, vor allem wenn sich die Witterungsbedingungen in der einen oder anderen bedeutenden Anbauregion verschlechtern sollten.
Technisch noch keine Trendwende nach oben in Sicht
Auf der anderen Seite muss eingestanden werden, dass charttechnisch aktuell (noch) kaum etwas für steigende Notierungen spricht. Der längerfristige Aufwärtstrend ist "Geschichte" und seit März dieses Jahres herrscht sogar ein erkennbarer Abwärtstrend vor. Gestern schloss September-Weizen auf Schlusskurs-Basis unter der psychologisch wichtigen Support-Marke von 800 US-Cents. Gleichzeitig notiert der Future sowohl unter seiner Neun- als auch seiner 18-Tage-Linie, was zweifellos als "bärisches" Signal gewertet werden muss. Dass der MACD in diesem Umfeld ein Verkaufssignal generiert und auch der RSI signifikant unter 50 liegt, verwundert nicht. Einen kleinen Hoffnungsschimmer für die "Bullen" gibt derzeit allein die Stochastik, die kurz vor einem Kaufsignal steht. Sollte die Marke von 800 US-Cents jedoch nicht zügig zurückerobert werden, muss mit einem abermaligen Test der 750 US-Cents gerechnet werden.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de