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Ende der “Zinn-Hausse“ in Sicht?

23.05.2008  |  Marc Nitzsche
Gerade an den Rohstoffmärkten ist es manchmal gut, ein wenig über den “Tellerrand“ des Gängigen hinaus zu schauen. Basismetall-Fans, die das in den vergangenen Monaten gemacht hatten, sind möglicherweise auf Zinn gestoßen. Und wer dann auch noch den Mut hatte, zu Jahresbeginn long zu gehen, kann sich aktuell über einen ansehnlichen Gewinn freuen. Schließlich ist Zinn das Basismetall, welches in 2008 bisher die größten Preissteigerungen erzielte. Lesen Sie, was die Gründe für diese bemerkenswerte “Rallye“ sind und ob der Bullenmarkt sich weiter fortsetzt oder die “Bären“ bereits in den Startlöchern stehen.


Lagerbestände im freien Fall

Verantwortlich für die rund 50prozentige Verteuerung seit Januar ist in erster Linie der massive Rückgang der Lagerbestände an der London Metal Exchange. Beliefen sich die Lagerbestände Ende 2007 noch auf rund 12.000 Tonnen, sind es zur Stunde nur noch etwa 8.000 Tonnen. Mittlerweile sind sogar die Tiefststände vom Frühjahr letzten Jahres unterboten. Von daher ist die “Hausse“ keineswegs “auf Sand gebaut“ sondern fundamental durchaus unterlegt.


China: Vom Exporteur zum Importeur

Sorge bereitet vielen Händlern vor allem, dass China - seines Zeichens der weltweit größte Zinn-Produzent - mittlerweile vom Netto-Exporteur zum Netto-Importeur geworden ist. Nicht zuletzt wohl auch wegen der vor einiger Zeit eingeführten zehnprozentigen Exportsteuer sind die chinesischen Ausfuhren fast vollständig zum Erliegen gekommen. Im Februar 2008 exportierte das “Reich der Mitte“ gerade einmal noch drei Tonnen Zinn. Im Monat zuvor waren es noch 300 Tonnen und vor einem Jahr noch über 1.300 Tonnen. Die Einfuhren bewegen sich demgegenüber momentan in einer Größenordnung von etwa 1.000 Tonnen pro Monat. Dies hat zur Folge, dass dem Weltmarkt derzeit im Vergleich zur Situation von vor zwölf Monaten mehr als 2.000 Tonnen jeden Monat fehlen. Kein Wunder also, dass die Lagerbestände sich im “Sinkflug“ befinden.


Rückläufige Produktion im “Reich der Mitte“

Erschwerend kam hinzu, dass die Produktion im asiatischen Riesenreich zuletzt erkennbar rückläufig gewesen ist. So sank der Zinn-Output in den ersten drei Monaten um stattliche 13 Prozent. Auf Grund des schweren Erdbebens muss davon ausgegangen werden, dass die Erzeugung auch im zweiten Quartal weiter gefallen ist. Genaue Zahlen zu den Förderausfällen liegen noch nicht vor. Aber einige Produktionsstätten in der Nähe des Epizentrums müssen eventuell sogar dauerhaft geschlossen bleiben, wie kürzlich zu hören war. An diesen “Supergau“ glauben wir zwar nicht, weil die Asiaten fleißige Menschen sind und nach solchen Katastrophen erfahrungsgemäß in die Hände spucken und alles recht zügig wieder aufbauen. Nichtsdestotrotz dürfte die Versorgungssituation bei Zinn sicherlich noch ein Weilchen angespannt bleiben.


Förderbeschränkungen in Indonesien angekündigt

Längerfristig rechnen wir jedoch damit, dass der globale Output nicht unerheblich zunimmt. Zwar hat der zweitgrößte Produzent Indonesien unlängst angekündigt, seine jährliche Fördermenge vorerst auf 100.000 Tonnen zu beschränken, um die Lebensdauer der Minen zu erhöhen, Umweltschäden einzudämmen und illegalen Abbau zu verhindern. Diese Maßnahme mag im ersten Moment vielleicht dramatisch klingen. Allerdings muss man bedenken, dass die indonesische Produktion 2007 lediglich bei geschätzten 85.000 Tonnen lag. Wirkliche Einbußen sind durch den Schritt daher eher nicht zu erwarten. Davon abgesehen sehen wir eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung diese Ankündigung nur vorgenommen hat, um die Zinn-Preise weiter in die Höhe zu treiben. Wer Indonesien kennt weiß, dass as gut möglich ist. Kommt es hart auf hart (sprich: werden die 100.000 Tonnen erreicht, glauben wir nicht, dass der Inselstaat tatsächlich hinsichtlich der Zinn-Förderung auf die Bremse tritt.


Längerfristig zunehmender Output wahrscheinlich

Darüber hinaus verzeichnen andere Länder erhebliche Zuwächse bei der Zinn-Produktion. Insbesondere in Bolivien und Malaysia sehen wir deutliche Kapazitätsausweitungen. Nach Einschätzung der Economist Intelligence Unit könnte die Weltproduktion an raffiniertem Zinn in diesem Jahr um acht Prozent zulegen. Für das Jahr 2009 erwartet die EIU einen weiteren Anstieg um 5,6 Prozent. Damit würde sich nach Marktdefiziten in den zwei vergangenen Jahren ein kleiner Überschuss bilden. Kommt es dazu, dürften die Notierungen signifikant zurückkommen.


Eingeläutete Korrektur dürfte weitergehen

Vor diesem Hintergrund erscheinen die aktuellen Zinn-Notierungen trotz der (noch) “bullischen“ Rahmenbedingungen erkennbar zu hoch. Deshalb halten wir es für gut möglich, dass die kürzlich eingeläutete Korrektur wenigstens noch ein bisschen weitergeht. Ob es zu einer generellen Trendwende des Markts kommt, lässt sich zur Stunde noch nicht abschätzen. Aber unter Einbeziehung aller fundamentalen Faktoren sind die Risiken auf der Abwärtsseite sicherlich höher als das Aufwärtspotenzial.


Auch charttechnisch mittlerweile schwach

Untermauert wird diese Einschätzung auch durch die Charttechnik. Die jüngsten Rücksetzer haben den Zinn-Preis unter seinen zwölftägigen gleitenden Durchschnitt gedrückt. Zudem generiert der MACD ein klares Verkaufssignal und auch der RSI ist dabei, in den “bärischen“ Bereich (unter 50) vorzudringen. Auch wurden gestern auf Schlusskursbasis die Unterstützung bei 24.000 US-Dollar und der steile Aufwärtstrend seit Jahresbeginn gebrochen. Sofern sich das nicht als „Falle“ herausstellt, muss mit einem weiteren Rückgag wenigstens bis zum nächsten Support bei knapp 23.000 US-Dollar gerechnet werden. Fällt auch diese Marke, könnte es schnell bis in den Bereich von 20.000 US-Dollar südwärts gehen. Zugegeben: Soweit sind wir noch nicht. Aber zumindest ergibt sich von der technischen Warte aus ein weiteres kurzfristiges Abwärtspotenzial von noch einmal gut fünf Prozent.


© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader







Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de
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