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Polysilizium: Würgt der Preissprung die Solar-Rallye ab?

18.05.2008  |  Rainer Hahn
Peking - (www.emfis.com) - "Alles fällt - der China-Solar-Index hält" habe ich am 9. November des vergangenen Jahres an dieser Stelle getitelt. Die massive Korrektur an den Asien-Börsen hatte damals gerade erst eingesetzt. Durch die Bank gab es in allen Börsensegmenten Kursverluste. Lediglich die chinesischen Solar-Aktien hielten dem Verkaufsdruck zunächst stand. Dies erschien auch nicht verwunderlich - handelte es sich dabei doch um einen schillernden Wachstumssektor, der sich zudem von allen konjunkturellen Gegebenheiten abzukoppeln schien.

Nun, schließlich sind die chinesischen Solartitel dann doch eingebrochen, und zwar nicht zu knapp. Das von mir besprochene Zertifikat auf den S-BOX China Solar Index (WKN: DB2CSL), das im Dezember in der Spitze bis auf 19,1 Euro gestiegen war, rauschte binnen dreier Monate auf nur noch 7,40 Euro ab. Dies ließ sich natürlich mit der allgemeinen Panikstimmung erklären, die in dieser Zeit besonders für asiatische Titel um sich griff. Daneben wurden seinerzeit beispielsweise auch die deutschen Solaraktien massiv verprügelt. Besonders geisterhaft waren allerdings die Zahlen, die zeitgleich von den entsprechenden Unternehmen veröffentlicht worden sind. JA Solar etwa hatten im März ein Gewinnwachstum von 47 Prozent und einen Umsatzsprung von über 300 Prozent gemeldet. Die Aktie rutschte dennoch täglich fast um einen zweistelligen Prozentbereich nach unten. Suntech Power wiederum hatten ihren Nettogewinn um 70 Prozent steigern können, Solarfun Power berichteten einen Gewinnanstieg um 116 Prozent. Die jeweiligen Titel schrammten jedoch kontinuierlich abwärts. Wie ließ sich dies erklären?

Anfang 2008 tauchte ein Schreckgespenst auf, das den strahlenden Solar-Himmel aus Sicht der Anleger plötzlich schlagartig verdunkelte: Die Gefahr eines Polysilizium-Mangels (engl.: Polysilicon). Silizium ist der wichtigste Rohstoff für die Halbleiterherstellung; das damit verwandte polykristalline Silizium wiederum ist die Ausgangsbasis für kristalline Solarzellen. Dieser Solarzellen-Typ ist weiterhin der Standard in der industriellen Fertigung und kommt in fast allen Photovoltaik-Panels zum Einsatz, die der alternativen Stromproduktion dienen. Und dieser Grundstoff, auf dessen Herstellung sich weltweit nur wenige Konzerne verstanden, wurde allmählich knapp - oder zumindest sehr teuer.

Laut "Wallstreet Journal" war ein Kilogramm Polysilizium im Jahr 2004 noch für rund 45 Dollar zu haben. Im Februar 2008 mussten Käufer, die sich an den Spot-Märkten eindeckten, dann bis zu 470 Dollar je Kilogramm dafür zahlen. Zwar verfügten viele Solarzellen-Hersteller über längerfristige Liefervereinbarungen, mit denen sich diese Preisverzehnfachung halbwegs abdämpfen ließ. Die Notierungen an den Termin-Märkten machte den Marktteilnehmern aber schnell klar, wohin die Reise ging. Durch den Solar-Boom war eine Nachfrage entstanden, die sich dauerhaft mit den bestehenden Produktionskapazitäten einfach nicht mehr decken ließ.

Viele Solaraktien-Inhaber bekamen es daraufhin mit der Angst zu tun. Die enormen Wachstumsraten der Solarzellen-Hersteller waren am Markt plötzlich nichts mehr wert. Wofür sollten die jährlichen Umsatzverdoppelungen auch gut sein, wenn gleichzeitig astronomisch steigende Polysilikon-Preise die Gewinnmargen immer stärker unter Druck bringen würden? Stattdessen wurde in erster Linie darauf geachtet, wie die Solarunternehmen sich ihre mittelfristige Rohstoff-Versorgung zu sichern gedachten. Auch die Produzenten selbst bemühten sich verzweifelt, sich einen besseren Zugang zu ihren Polysilizium-Quellen zu verschaffen. Ad-hoc-Meldungen über neue Liefervereinbarungen hatten am Markt plötzlich einen höheren Stellenwert als die Jahresabschlüsse oder Umsatzprognosen. Erste Meldungen von Silizium-Ventures oder von Beteiligungen an den begehrten Zulieferern machten die Runde. Aber allen Beobachtern war klar, dass die Panel-Hersteller für die Sicherung ihrer Rohmaterialien einen hohen Preis zu zahlen hatten. War das nun das Ende des Traums vom kommenden solaren Zeitalter?

Silizium ist keineswegs ein seltener Rohstoff - ganz im Gegenteil. Es gehört zu den häufigsten Elementen, die in der Erdkruste vorkommen. Die Verarbeitung zu hochwertigem Polysilizium ist allerdings ein teurer und aufwendiger Prozess. Vor allem die Reinheitsanforderungen sind enorm. Dementsprechend gab es bislang nur wenige Unternehmen, die über die entsprechenden Anlagen verfügten. Zu ihnen gehören unter anderem die deutsche Wacker Chemie, Hemlock, MEMC Electronic und die Renewable Energy Corp.. Diese etablierten Hersteller konnten sich den vergangenen Jahren ohne Frage eine goldene Nase verdienen. Allerdings haben die enormen Gewinnmargen in der Polysilizium-Produktion jetzt viele andere Wettbewerber hellhörig werden lassen.

Inzwischen zeichnet sich eine bemerkenswerte Wende ab. Die hohen Erträge in der Polysilizium-Herstellung haben beträchtliche Neuinvestitionen verursacht. Die Unternehmensberatung Koncept Analytics geht davon aus, dass allein die sieben weltgrößten Produzenten ihre Kapazitäten in den kommenden drei bis vier Jahren verdoppelt haben werden. Daneben haben allein in Taiwan acht Hersteller von Halbleiter-Wafern ihre Produktion teilweise auf Solar-Silizium umgestellt. In Japan und Korea haben die Industrieriesen Sertek und DC Chemical neue Anlagen hochgezogen, die bereits in diesem Jahr in Betrieb gehen werden. Und gerade im solar-besessenen China werden fast jeden Monat neue Polysilicon-Anlagen aus dem Boden gestampft, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch niedrigere Produktionskosten haben werden als die alteingesessenen Konkurrenten. Teilweise werden diese Fabriken von kapitalkräftigen Solarunternehmen (wie LDK Solar) mit beträchtlichen Geldmitteln ausgestattet.

Noch steht der Großteil dieser neuen Kapazitäten dem Markt noch nicht zur Verfügung. Weitsichtige Beobachter äußern sich aber schon heute skeptisch dazu, wenn manche Solarunternehmen jetzt noch versuchen, auf den Polysilizium-Zug aufzuspringen. Der New Yorker Branchendienst Lux Research geht davon aus, dass die neuen Kapazitäten spätestens 2010 ein beträchtliches Überangebot verursachen werden, was die Preise deutlich schrumpfen lassen sollte. Mike El-Hillow, Finanzchef bei Evergreen Solar, ist noch optimistischer. Er rechnet langfristig mit einem Preisrutsch auf ein Niveau von 50 bis 60 Dollar pro Kilogramm. Polysilizium, so El-Hillow, sei ein gewöhnlicher Rohstoff und unterliege damit den üblichen Zyklen. Seine Herstellung mag technisch anspruchsvoll sein, werde inzwischen aber von vielen Unternehmen beherrscht und sei außerdem nicht patentiert.

Anders als etwa Öl oder Industriemetalle steht Silizium der Menschheit in fast unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass die derzeitige Polysilizium-Rallye nicht nachhaltig sein wird. Der Nachwelt wird sie vielmehr als Episode aus der Geburtsstunde des Solarzeitalters in Erinnerung bleiben. Die Solarzellen-Produzenten selbst werden dadurch von einem enormen Druck befreit, der heute die Notierungen der entsprechenden Aktien immer noch spürbar belastet. Dies eröffnet Anlegern, die in diesen Sektor investieren, wieder beträchtliche Gewinnmöglichkeiten. Denn die Nachfrage nach Solaranlagen zur umweltfreundlichen Stromerzeugung wird auch in den kommenden Jahren - unabhängig von aller konjunkturellen Unbill - boomen.
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