Oil Markets Weekly

Die Rallye der Ölpreise wurde in der vergangenen Woche vorerst etwas gestoppt. Zu Wochenbeginn hatten sowohl WTI als auch Brent fast wieder alte Höchststände eingenommen, doch Sorgen um die schwächelnde USKonjunktur und ein etwas stärkerer USD führten im Wochenverlauf zu einer leichten Kurskorrektur. Aktuell notiert Brent knapp unter 100 USD je Barrel, während sich WTI noch oberhalb der 100 USD-Marke bewegt. Die USA sind der größte Ölverbraucher der Welt, ein Abgleiten in eine Rezession hätte gravierende Folgen für die Ölnachfrage und damit für die Ölpreise. Die USRohöllager konnten zuletzt einen Aufbau vorweisen, allerdings lag der Zugewinn deutlich unter den Erwartungen.
Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die Ölnotierungen auf dem aktuellen Niveau fundamental kaum zu rechtfertigen sind. Die OPEC hat den Output in den letzten Monaten deutlich erhöht und in den Nicht-OPEC-Staaten haben mehrere neue Projekte ihren Betrieb aufgenommen bzw. werden dies in den kommenden Monaten tun. Darüber hinaus sprechen die bestehenden Unsicherheiten bezüglich der US-Konjunktur, die saisontypische Schwächephase der globalen Ölnachfrage im zweiten Quartal und die komfortablen Lagerbestände für eine Entspannung der fundamentalen Situation. Der US-Dollar sollte sich nach Meinung der Volkswirte der HSH Nordbank zur Jahresmitte stabilisieren und im zweiten Halbjahr sogar leicht zur Stärke neigen. Kurzfristig mögen neue Rekordtiefs des Dollar die Ölpreise weiter unterstützen, früher oder später sollten sich die Notierungen jedoch wieder an den fundamentalen Gegebenheiten orientieren und nach unten korrigieren. Allerdings gehen wir nun davon aus, dass die Ölpreise im Jahresverlauf nicht so stark herunterkommen werden wie ursprünglich angenommen, da die Hauptantriebskraft für die hohen Ölpreise momentan noch zu stark von anderen Faktoren ausgeht. Details zu unserer neuen Prognose finden Sie auf den Seiten 2 und 3.
US-Lagerbestände
Nachdem in der Vorwoche sowohl die Importe als auch die Raffinerieauslastung für einen massiven Bestandsaufbau bei den US-Rohölvorräten gesorgt hatten, wirkten beide Faktoren zuletzt in gegensätzliche Richtungen. Gesunkene Importe waren ausschlaggebend dafür, dass die Rohölvorräte weniger stark als erwartet gestiegen sind. Die Entwicklung bei den Importen überwog dabei die geringeren Raffinerieaktivitäten. Die Importe fielen um 1,1 Mio. auf 9,47 Mio. bpd, während die Raffinerieauslastung entgegen den Erwartungen um 1,2 Prozentpunkte auf 83,8% sank. So konnten die Rohölvorräte um 0,2 Mio. boe zulegen und liegen, verglichen mit dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahren, mit knapp 312 Mio. boe auf Normalniveau. Obwohl die wöchentliche Entwicklung der Einfuhren derzeit witterungsbedingt hochvolatil ist, sollte die Produktion der OPEC und der meisten anderen Lieferantenstaaten für ein weitgehend stabiles Angebot sorgen. Gleichzeitig belasten die schwachen Raffineriemargen und die laufende Instandhaltungssaison weiterhin die Nachfrage. Entsprechend rechnen wir für die kommenden Wochen mit einer Fortsetzung des saisontypischen Aufwärtstrends bei den Lagerbeständen.
Infolge unverändert niedriger Temperaturen in Teilen Nordamerikas und der Produktknappheit in Europa schrumpften die Destillatevorräte in der vergangenen Woche erneut um 2,9 Mio. boe. Mit nun 113,5 Mio. boe befinden sich die Bestände auf ihrem niedrigsten Niveau seit der Woche zum 24. Juni 2005. Der Rückgang ist deutlich stärker ausgefallen als erwartet worden war. Insgesamt liegen die Bestände dieser Produktkategorie jedoch noch immer auf einem sehr komfortablen Niveaus. Die niedrige Produktion der Raffinerien und die letzten Wintertage der Saison dürften die Bestände zunächst saisontypisch weiter belasten, der konjunkturelle Abschwung sollte sich jedoch auf der anderen Seite in einer Abschwächung der Dieselnachfrage niederschlagen und somit zu einer weiterhin recht komfortablen Vorratssituation führen.
Die US-Benzinvorräte sind zuletzt überraschend gesunken, nachdem sie zuvor achtzehn Wochen lang gestiegen waren. Nach einem Rückgang von 3,5 Mio. boe liegen sie nun bei 232,5 Mio. boe. In der Vorwoche erreichten die Benzinvorräte noch den höchsten Stand seit März 1993. Die Entwicklung macht deutlich, dass die niedrigen Raffineriemargen wohl langsam anfangen, die Benzinproduktion zu beeinflussen. Doch insgesamt befinden sich die Lagerbestände am oberen Ende ihrer historischen Range, dies sollte sich auch in den nächsten Monaten so fortsetzen. Trotz der im Mai beginnenden Driving Season in den USA gehen wir davon aus, dass aufgrund der Abschwächung der US-Wirtschaft die Benzinlager gut gefüllt bleiben.
Update der Ölpreisprognose: 2008 hoch von 80 auf 93 USD
Nach einem kurzen Rücksetzer Anfang Februar zogen die internationalen Ölpreise in den vergangenen Wochen wieder kräftig an. Zwischenzeitlich erreichte WTI sogar ein Niveau von knapp 112 USD per Barrel. Im Durchschnitt des nahezu vollendeten ersten Quartals lag der Preis der US-Ölsorte bei über 97 USD, gut 22 USD mehr als wir bislang in unseren Prognosen unterstellt hatten. Dabei sind die ausschlaggebenden Treiber u.E. jedoch weniger in einer Verschärfung der fundamentalen Situation zu finden, sondern vielmehr im Bereich der anlageorientierten Kapitalzuflüsse. Die Unsicherheit an den Kapitalmärkten über die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Weltkonjunktur und die globalen Inflationsraten sowie der schwache US-Dollar trieben viele Marktteilnehmer in den scheinbar sicheren und liquiden Hafen Rohstoffe.
Dabei hat sich das fundamentale Umfeld am Ölmarkt wie erwartet deutlich eingetrübt. So lag die US-Nachfrage im Durchschnitt der vergangenen vier Wochen um knapp 5% unter dem Niveau des Vergleichszeitraumes 2007, belastet v.a. durch die aktuelle Konjunkturschwäche und die hohen Tankstellenpreise. Vor diesem Hintergrund und angesichts der nochmaligen leichten Reduzierung der Wachstumsprognose für die Vereinigten Staaten durch die Volkswirte der HSH Nordbank gehen wir jetzt für das Gesamtjahr 2008 von einem Rückgang der Ölnachfrage in Nordamerika um 0,5% bzw. 120 Tsd. bpd aus. Da wir jedoch unverändert kein Abrutschen der US-Konjunktur in eine anhaltende Rezession erwarten, dürften die Volkswirtschaften der meisten Schwellenländer weiterhin mit einem hohen Tempo wachsen. Auf globaler Ebene gehen wir daher nach wie vor von einem Nachfragewachstum aus, obgleich wir unsere Schätzung der Steigerungsrate für 2008 von 1,9% auf 1,7% auf dann knapp 87,3 Mio. bpd reduziert haben. In 2009 dürfte sich die erwartete Stabilisierung der USKonjunktur in einer leichten Beschleunigung des Nachfragewachstums auf 1,9% auf dann 88,9 Mio. bpd niederschlagen.
Angebotsseitig ist seit Ende 2007 ein deutlicher Zuwachs sowohl von Seiten der OPEC als auch der Nicht-OPEC-Staaten zu beobachten. Dieser Trend sollte sich im zweiten Halbjahr und mit einer etwas abgeflachten Dynamik auch in 2009 fortsetzen. Im Vergleich zu unserer bisherigen Prognose haben wir die Schätzung der Nicht-OPEC-Förderung in 2008 dennoch um 100 Tsd. bpd reduziert, nachdem technische Probleme in Kanada und überraschend schwache Daten aus Russland und Mexiko den Ausblick eintrübten. Gleichzeitig reduzierte die IEA ihre (von uns übernommene) Wachstumsprognose für den NGLOutput der OPEC im Februar um 250 Tsd. bpd nach unten. Insgesamt schätzen wir den Call on OPEC für 2008 auf durchschnittlich 31,8 Mio. bpd, rund 0,2 Mio. bpd unterhalb der aktuellen Förderung des Kartells. Entsprechend sehen wir wenig Potenzial sowohl für Quotenkürzungen als auch für Quotenerhöhungen.
Das beschriebene fundamentale Umfeld spiegelt sich auch in den zuletzt wieder angezogenen Lagerbeständen wider. In den USA befinden sich die Benzin-Vorräte auf dem höchsten Niveau der vergangenen 15 Jahre, und die Rohöl-Vorräte in den OECD-Staaten liegen auf einem im Durchschnitt der letzten fünf Jahre normalen Niveau. Einzig die Produktklasse der Mitteldestillate zeigt aktuell in einigen Regionen (v.a. Europa) eine Angebotsknappheit an. Insgesamt dürften die Vorratsläger infolge der von uns erwarten Entwicklung von Angebot und Nachfrage über den Jahresverlauf hinweg recht komfortabel gefüllt bleiben.
Etwas fundamentale Unterstützung erhielten die Märkte dagegen durch die jüngsten Strategieaussagen der Ölmultis. Diese berichteten von einer unverändert hohen Inflation der Kosten für die Entwicklung und den Betrieb von Ölfeldern und mussten teilweise ihre Investitionsbudgets nochmals kräftig aufstocken. Die Kosten für die Ölproduzenten haben sich damit in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt, in einigen Bereichen sogar mehr als verdreifacht. Diese Entwicklung trägt langfristig natürlich zum Anstieg der Ölpreise bei.
Angesichts der im Vergleich zu 2007 deutlich entspannteren Angebots / Nachfrage-Situation halten wir das aktuelle Niveau der Ölpreise dennoch für zu hoch und eher Notierungen zwischen 70 und 80 USD für WTI und Brent für gerechtfertigt. Andererseits ist davon auszugehen, dass die oben beschriebene Unsicherheit an den Kapitalmärkten noch einige Zeit anhalten wird und der USDollar zum Euro bis 1,65 USD abwertet. Ein derartiges Szenario würde die Notierungen nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen unterstützen und Platz für weitere Preisavancen eröffnen. Wir gehen allerdings davon aus, dass sich die fundamentalen Argumente früher oder später durchsetzen werden und rechnen im Laufe der kommenden Monate mit einer Korrektur der Ölpreise. Unter dem Strich führen der starke Start der Notierungen in das Jahr 2007, unsere deutlich abgeschwächte Dollar-Erwartung und die unverändert hohen Inflationsraten der F&D-Kosten zu einer Anhebung unserer Jahresdurchschnittsprognosen. Wir erwarten jetzt für das laufende Jahr einen WTI- und Brent-Preis von 93 USD (bisher: 80 USD), gefolgt von 87 USD (83 USD) in 2009.
Die Risiken, dass unsere neuen Jahresziele verfehlt werden, sehen wir inzwischen nahezu symmetrisch nach oben (infolge von geopolitischen Einflüssen, Witterung und Cashflows) und nach unten (infolge der konjunkturellen Unsicherheiten in den OECD-Staaten) verteilt.
© Andy Sommer
Economics & Research
Quelle: HSH Nordbank AG
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