Baumwolle: Jetzt wieder long gehen?


Höhere Lagerbestände erwartet
Anfang Februar erhöhte das US-Landwirtschaftsministerium seine Schätzungen bezüglich der Endbestände für die laufende 2007/08er Saison von vormals 7,9 auf jetzt 8,2 Millionen Ballen. Im letzten Wirtschaftsjahr lag die Vortragsrate noch bei knapp 9,5 Millionen Ballen. Insofern ist das Angebot nicht mehr ganz so erdrückend. Auch auf globaler Ebene dürften die Vorräte von 61 auf 57 Millionen Ballen zurückgehen. Das Ending Stock to Use Ratio wird sich bei 40 bzw. 45 Prozent bewegen und liegt damit ebenfalls unter dem 2007er-Wert. Dennoch bewegt sich diese Kennzahl im historischen Vergleich nach wie vor in hohen Sphären. Von akuten Versorgungsengpässen bei Baumwolle kann also derzeit noch keine Rede sein.
Historisch geringe Anbaufläche in der kommenden Saison
Das jedoch könnte sich in der 2008/09er Saison ändern. Am 22. Februar gaben die amerikanischen Behörden ihre ersten Prognosen im Hinblick auf die diesjährigen Anbauflächen bekannt. Erwartet werden lediglich 9,5 Millionen Acres. In den zurückliegenden 25 Jahren waren die Anpflanzungen niemals niedriger. Entsprechend schwach dürfte die Produktion ausfallen. Zur Stunde geht man von gerade einmal 15 Millionen Ballen und Endbeständen in Höhe von 3,7 Millionen Ballen aus. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde sich die Angebots-Situation nachhaltig zu Gunsten der „Bullen“ verändern. Immerhin lagen die Ending Stocks in den vergangenen zehn Jahren nur einmal knapp unter diesem Niveau (2004 mit 3,51 Millionen Ballen).
Stagnierende Nachfrage
Dass die Kurse vor dem Hintergrund dieser Zahlen noch nicht längst dreistellig notieren, ist in erster Linie auf die stagnierende oder sogar leicht rückläufige Nachfrage nach US-Baumwolle zurückzuführen. Insgesamt geht man für das kommende Wirtschaftsjahr von einem Bedarf in Höhe von 19,5 Millionen Ballen aus. Dadurch kommt es zu einem Angebotsdefizit von 4,5 Millionen Ballen. Nichtsdestotrotz lag die Nachfrage in den letzten Jahren des Öfteren signifikant über 20 Millionen Ballen. US-Baumwolle gehört damit zu den wenigen Rohstoffen, bei denen der Bedarf sinkt. Aber woher kommt das?
US-Textil-Industrie in der Krise
Zum einen ist dieser Umstand darauf zurückzuführen, dass der inländische Verbrauch kontinuierlich zurückgeht. Die amerikanische Textil-Industrie befindet sich derzeit in einer außerordentlich schwierigen Phase. Mit den Billig-Importen aus Osteuropa und vor allem Südostasien kann man preislich nicht konkurrieren und immer mehr Betriebe müssen die Produktion einstellen. Dies führt dazu, dass weniger Baumwolle benötigt wird.
Export lässt zu wünschen übrig
Anderseits läuft es auch beim Export alles andere als rund: China als weltweit bedeutendster Importeur der Naturfaser kann sich schon länger nicht für amerikanische Baumwolle begeistern. Stattdessen kauft man lieber in den Nachbarstaaten Indien und Pakistan ein. Dafür sind die Chinesen sogar bereit, etwas mehr zu bezahlen, wie wir im vergangenen Jahr gesehen haben. Zuletzt hat sich dieses Phänomen etwas abgeschwächt und die amerikanischen Ausfuhren konnten zulegen. Ob diese Trendwende jedoch von Dauer ist, muss bezweifelt werden. Das amerikanische Landwirtschaftsministerium rechnet für die laufende Saison zwar mit einem Plus von 21 Prozent. Aber in der Vergangenheit hat sich mehr als einmal gezeigt, dass die diesbezüglichen Vorhersagen viel zu optimistisch waren.
Auf Jahressicht moderates Aufwärtspotenzial vorhanden
Alles in allem spricht die fundamentale Lage auf Zwölf-Monats-Sicht zumindest für moderat steigende Notierungen, weil die Anbauflächen massiv zurückgehen werden und dadurch die US-Produktionsmenge erkennbar sinkt. Eine "Mega-Hausse" sollte man aber dennoch nicht erwarten. Dafür ist die Nachfrage einfach zu niedrig. Der übertrieben Kursanstieg ist mittlerweile korrigiert, so dass ein Long-Einstieg in Betracht gezogen werden kann, sobald sich der Markt etwas beruhigt hat. Unter 80 US-Cents kann man sein Glück mit einer ersten Position sicherlich versuchen. Sollte Baumwolle wider Erwarten in den Bereich von 70 US-Cents zurückkommen, bietet dieser Rohstoff auf der langen Seite ein ausgezeichnetes Chance/Risiko-Verhältnis. Vorerst jedoch erscheint es ratsam, die künftige Entwicklung erst noch einmal ein bisschen zu beobachten.
Charttechnik: Mittelfristig hui, kurzfristig pfui!
Nach den heftigen Rücksetzer in den vergangenen Handelstagen stellt sich die charttechnische Situation auf den ersten Blick naturgemäß nicht sonderlich "bullish" dar: Sowohl der MACD als auch der RSI generieren zur Stunde ein klares Verkaufssignal, so dass es durchaus noch eine "Etage" tiefer gehen kann. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass der Kurs wieder im Bereich seines mittleren Bollinger Bandes notiert. Von einer Überkauftheit des Markts kann somit keine Rede mehr sein. Abgesehen davon ist der längerfristige Aufwärtstrend seit Mitte August letzten Jahres unverändert intakt. Zur Stunde notiert Baumwolle ziemlich exakt bei seinem 18tägigen gleitenden Durchschnitt. Dort verläuft zudem auch die wichtige Unterstützung bei etwa 78 US-Cents. Entpuppt sich der Rückfall unter diese Marke als "Bärenfalle" und können die genannten 78 US-Cents zügig zurückerobert werden, würde sich die technische Lage merklich aufhellen. Noch ist es aber nicht soweit, so dass es bei unserem Rat verbleibt, den Markt vorerst weiter zu beobachten. Das ändert allerdings nichts daran, dass wir Baumwolle bis Mai dieses Jahres noch das eine oder andere Prozent Plus in jedem Fall zutrauen.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de