Wie weit steigt Blei noch?


Autobatterien für China
Ihren Ursprung hat die "Blei-Hausse" – wie könnte es auch anders sein – natürlich in China. Langsam aber sicher entdecken die Chinesen ihre Liebe zum Auto. Bereits heute werden daher Unmengen an entsprechenden Batterien im "Reich der Mitte" produziert, für die man das ansonsten eher verpönte Schwermetall dringend benötigt. Und in den kommenden Jahren wird dieser Trend aller Wahrscheinlichkeit nach eher noch zu- als abnehmen. Denn bis die Mehrheit der Chinesen mit einem individuellen Fortbewegungsmittel ausgerüstet ist, dürfte noch viel Wasser den Yangste hinunterfließen. Eine ähnliche Entwicklung werden wir demnächst auch in Indien mit ebenfalls über eine Milliarde Einwohner sehen. Kurz gesagt: In Asien gibt es derzeit mindestens zwei Milliarden Menschen, die aktuell noch kein Auto haben aber gerne eins hätten und sich ein solches demnächst wohl auch leisten können. Insofern wird die Blei-Nachfrage bis auf weiteres tendenziell wohl weiter zunehmen.
Einsparpotenziale weitgehend ausgeschöpft
Insbesondere auch, weil die Einsparpotenziale bei Blei nahezu ausgeschöpft sind. Mittlerweile haben eigentlich alle Industriezweige, die auf das Metall nicht verzichten können eine Substitution vorgenommen. Wer - wie die bereits angesprochenen Hersteller von Autobatterien - bis dato Blei noch in nennenswertem Umfang einsetzt, wird das auch auf unabsehbare Zeit noch machen müssen. Trotz seiner umweltschädlichen Eigenschaften dürfte das Schwermetall somit erst einmal unverzichtbar bleiben, es sei denn revolutionäre technologische Neuerungen halten Einzug, von denen zur Stunde aber noch nichts zu sehen ist.
Niemand will Blei-Minen
Im Gegensatz zur steigenden Nachfrage wird das Angebot tendenziell niedrig bleiben. Auf Grund der bereits angesprochenen Umweltproblematik möchte kaum eine Region eine Bleimine in unmittelbarer Umgebung haben. Genehmigungsverfahren dauern daher mitunter fast so lange wie bei Uran-Projekten und werden häufig schlussendlich gar nicht erteilt. Nicht zuletzt deshalb ist kurz- bis mittelfristig ungeachtet der stark gestiegenen Weltmarktpreise nicht mit einer großartigen Ausweitung der Förderkapazitäten zu rechnen.
Recycling am Limit
Ebenso wird das Recycling kaum in der Lage sein, die derzeit prekäre Versorgungssituation nachhaltig zu entspannen. Hier sieht es ähnlich aus wie beim Einsparpotenzial. Wo immer es aus wirtschaftlicher Sicht halbwegs vertretbar ist, wird Blei bereits heute allein schon aus Umweltschutzaspekten wiederverwendet. Durch Recycling wird es damit sicher nicht zu einem erwähnenswerten Zusatzangebot kommen.
Rückläufige Lagerbestände
Angesichts der wachsenden Nachfrage bei bestenfalls stagnierendem Angebot wies der Bleimarkt in den letzten Jahren kontinuierlich ein zum Teil beträchtliches Produktionsdefizit auf. Dieses konnte nur durch einen massiven Abbau der Lagerbestände geschlossen werden. So gesehen ist es kein Wunder, dass die Vorräte sukzessive "zusammengeschmolzen" sind. Aktuell liegen sie gerade einmal bei knapp über 40.500 Tonnen. Im Oktober 2006 beliefen sich die Bestände an der London Metal Exchange noch auf mehr als 70.000 Tonnen.
Wiederholt sich der "Nickel-Skandal"?
Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Bleivorräte zwischen März und Juni dieses Jahres recht deutlich angestiegen sind. Zuletzt zeigten sie sich zwar wieder leicht rückläufig. Nichtsdestotrotz kann nicht wegdiskutiert werden, dass der Kurs auf den Zuwachs der Bestände in keiner Weise reagiert hat. Im Gegenteil: Ungeachtet der höheren Bestände legten die Notierungen weiter zu. Ein bisschen erinnert die Situation an die jüngsten Vorkommnisse am Nickelmarkt. Auch hier wurde der Anstieg der Lagerbestände monatelang ignoriert. Ursache waren – wie sich kürzlich herausstellte – gezielte Preisabsprachen einiger großer Marktteilnehmer. Blei ist ähnlich illiquide wie Nickel und damit gleichfalls anfällig für Manipulationen. Auch wenn wir das generelle Umfeld für Blei unverändert als "bullish" erachten, sollten Anleger wachsam sein. Wiederholen sich die Vorkommnisse am Nickelmarkt auch bei Blei, könnte sich die gewaltige "Hausse" der letzten Monate möglicherweise als auf "Sand gebaut" entpuppen. Aus fundamentaler Sicht lässt sich ein Long-Einstieg bei Blei sicherlich rechtfertigen. Allerdings sollten die Anleger sich der Gefahr einer "Blasenbildung" bewusst sein und ihre Engagements unbedingt mit Stopp-Kursen absichern, damit sie bei einer generellen Trendumkehr nicht völlig auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Charttechnik deutet weitere Rücksetzer an
Seit Mitte 2006 bewegt Blei sich in einem stabilen Aufwärtstrend, der sich zuletzt sogar merklich beschleunigte. Im Bereich von 3.500 US-Dollar je Tonne kam es allerdings unlängst zu Rücksetzern, was allerdings mit der der momentanen allgemeinen Marktschwäche zu erklären sein dürfte. Von einem echten Widerstand lässt sich im dem genannten Bereich jedenfalls noch nicht sprechen.
Bedenklicher stimmt da schon der Blick auf die Indikatoren. Der MACD generiert derzeit ein sichtbares Verkaufssignal und auch der Williams ist unter -20 "abgetaucht", was als "bärisches" Zeichen zu werten ist. Von daher ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sich die Korrektur erst einmal noch etwas weiter fortsetzt. Wer dennoch sein Glück auf der "langen Seite" versuchen möchte, sollte aber in jedem Fall einen Stopp unterhalb des Supports bei etwa 2.870 US-Dollar platzieren. Fällt diese Marke könnte es aus technischer Sicht recht schnell bis zur nächsten Unterstützung bei 2.550 US-Dollar abwärts gehen, zumal dann auch der steile Aufwärtstrend gebrochen wäre.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de