Energie: Selektive Wahrnehmung

Bearishe News werden ausgeblendet

Der Ölpreis hat sich in den letzten Tagen relativ stabil gezeigt und notiert wieder über der Marke von 50 USD. Tatsächlich wurden einige positive Konjunkturnachrichten vom Markt mit Preisaufschlägen honoriert. So stieg beispielsweise der ISM-Industrieindex in den USA im April stärker als erwartet. Das Barometer kletterte zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder über den Stand von 40 Punkten.

In China stieg der CLSAEinkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im April um 5,3 auf 50,1 Punkte und erreichte den höchsten Stand seit neun Monaten. Damit lag der Indikator zudem erstmals seit Juli 2008 wieder über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Die negativen Nachrichten wurden vom Markt jedoch weitgehend ignoriert. So fiel das US-BIP im ersten Quartal 2009 mit einem Minus von 6,1% deutlich schlechter als erwartet aus. Auch die wöchentlichen Öllagerbestandsdaten zeichnen ein weiter bearishes Bild. Die Tatsache, dass beide Faktoren kaum zu Preisrücksetzern führten, spricht für ein tendenziell positives Sentiment - und gleichzeitig für eine selektive Wahrnehmung der Marktteilnehmer.



US-Öllager erreichen neues 19-Jahreshoch

Die EIA meldete in der abgelaufenen Woche den achten Anstieg der US-Öllager in Folge. Mit 374,4 Mio. Barrel liegen die Lagerbestände um rund 15% über dem Wert zu Jahresanfang und um über 18% über dem 10-Jahresdurchschnitt für Ende April. Der anhaltende Trend zum Lageraufbau steht weiter im Widerspruch zu den Produktionsdaten der OPEC. Im April lag der Output des Ölkartells etwa 3,5 Mio. Barrel pro Tag (mbpd) unter dem Wert von September 2008. Die steigenden Lagerbestände bleiben kurzfristig der wichtigste Faktor, der die Ölpreishausse seit Ende Dezember 2008 von fundamentaler Seite in Frage stellt.



Neutrale Spekulanten

Leichter Auftrieb für den Ölpreis dürfte in den letzten Tagen von Seiten der Spekulanten gekommen sein. Laut CFTC-Daten wurden per Ende April zwar 6.000 Long-Positionen geschlossen. Gleichzeitig wurden jedoch auch 21.000 Short-Kontrakte glattgestellt. Per Saldo reduzierte sich die Netto-Short-Position damit in der letzten Woche um 15.000 Kontrakte in einem Gesamtvolumen von 15 Mio. Barrel bzw. einem Marktwert von etwa 750 Mio. USD. Damit sind die Spekulanten mittlerweile wieder auf eine neutrale Positionierung eingeschwenkt.



© Dr. Frank Schallenberger
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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