Kautschuk: Anhaltendes Überangebot drückt auf die Preise
05.02.2014 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Der Kautschukpreis ist Ende Januar auf einen mehrjährigen Tiefstand gefallen. Denn am Markt für Naturkautschuk treffen ein steigendes Angebot und Sorgen vor einer schwächeren Nachfrage aufeinander. Viele der vor einigen Jahren zu Hochpreiszeiten angelegten Plantagen werden nun erstmals geerntet, was das Angebot weiter steigen lässt. Auf der Nachfrageseite trüben vor allem schwächere Wirtschaftsdaten aus dem weltgrößten Kautschukverbrauchsland China den Ausblick. Im Jahr 2014 dürfte das Angebot die Nachfrage das vierte Jahr in Folge übertreffen. Große Preissprünge sind daher unwahrscheinlich.
Der in Singapur gehandelte Terminkontrakt für Naturkautschuk ist Ende Januar unter die Marke von 2 USD je Kilogramm gefallen und hat damit den tiefsten Stand seit September 2009 erreicht (Grafik 1). Seit Jahresbeginn hat sich Kautschuk um 13% verbilligt, nachdem schon 2013 ein Jahresverlust von 25% zu Buche stand. Auslöser für den jüngsten Preisrückgang war ein kräftiger Anstieg der Kautschuklagerbestände in China.
Die Vorräte in den nicht-börsenregistrierten Lagerhäusern im Hafen von Qingdao sind Mitte Januar auf gut 300 Tsd. Tonnen gestiegen und lagen damit 10% höher als Ende November. Die Lagerbestände in den von der Shanghai Futures Exchange registrierten Lagerhäusern stiegen Ende Januar auf 208 Tsd. Tonnen, was dem höchsten Niveau seit Oktober 2004 entspricht. Seit Ende September sind die dortigen Vorräte nahezu ununterbrochen um insgesamt mehr als 60% angeschwollen (Grafik 2, Seite 2).
Der kräftige Lageraufbau in China ist auf sehr robuste chinesische Importe in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres zurückzuführen. Der Importsog am Jahresende erklärt sich neben dem gesunkenen Preisniveau mit der vorübergehenden Aussetzung der Exportsteuer im weltgrößten Naturkautschuk-Produzentenland Thailand. Im Dezember erreichten die chinesischen Kautschukimporte mit 350 Tsd. Tonnen ein Rekordniveau und lagen damit etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt des dritten Quartals (Grafik 3).
Da ein Großteil davon vorweggenommene Käufe gewesen sein dürften, sollte China in den kommenden Monaten deutlich weniger Kautschuk auf dem Weltmarkt nachfragen. Damit dürfte die Versorgung auch für die Zeit sicher gestellt sein, in der ab Ende Januar saisonbedingt die Gewinnung von Kautschuksaft für einige Wochen deutlich niedriger ist.
Noch im Herbst 2013 wurden einige unterstützende Faktoren für den Kautschukpreis gesehen: So sollte sich der Überschuss 2013 gegenüber dem Vorjahr nach Erwartung der International Rubber Study Group IRSG um 12% auf 284 Tsd. Tonnen verringern. Denn aus Thailand und Malaysia wurden für die erste Jahreshälfte des vergangenen Jahres jeweils eine gegenüber dem Vorjahr geringere Produktion gemeldet. Inzwischen wird die Situation auf dem Kautschukmarkt nicht nur angesichts der deutlich gestiegenen Lagerbestände in China anders bewertet.
Das Kautschukangebot aus dem weltgrößten Produzentenland Thailand dürfte 2013 entgegen vorheriger Annahmen gestiegen sein. Auch für 2014 wird ein höheres Angebot erwartet. Unklar sind die Auswirkungen der seit Monaten anhaltenden Proteste in der Hauptstadt Bangkok auf das thailändische Kautschukangebot. Die Kautschukplantagen liegen im Süden des Landes, wo es bislang ruhig geblieben ist, doch dürften auch Plantagenarbeiter ihre Arbeitsstätte verlassen haben, um sich an den Protesten zu beteiligen.
Der zweitgrößte Kautschukproduzent des Landes befürchtet daher, dass die thailändische Produktion im Januar und Februar um 10-20% sinken könnte. Das Amt für Agrarökonomie rechnet für 2014 dennoch mit einem Plus bei der thailändischen Produktion von gut 4% auf 4 Mio. Tonnen, nicht zuletzt aufgrund einer deutlich größeren Fläche, auf welcher erntereife Gummibäume stehen. Das wäre zugleich der vierte Produktionsanstieg in Thailand in Folge.
Neben Thailand hat in den letzten Jahren auch Vietnam zum steigenden Kautschukangebot beigetragen. Das Land konnte sich nach einem massiven Produktionsanstieg von 39% zwischen 2010 und 2013 auf knapp eine Mio. Tonnen auf die dritte Position der größten Kautschukproduzenten hinter Thailand und Indonesien vorarbeiten und damit Malaysia verdrängen. Laut Schätzung der IRSG von Ende Oktober soll auch die weltweite Produktion von Naturkautschuk in diesem Jahr um 4,5% steigen, da zwischen 2006 und 2008 angepflanzte Gummibäume erntereif werden.
Der globale Kautschukmarkt ist seit 2011 durch Angebotsüberschüsse gekennzeichnet, weil das Angebot in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen ist als die Nachfrage. Unklar ist, ob 2014 wie vom Analysehaus The Rubber Economist erwartet mit einem höheren Überschuss als 2013 zu rechnen ist. The Rubber Economist geht dabei sogar von einem etwas niedrigeren Angebotswachstum aus als die IRSG.
Der Schlüssel hierfür liegt bei der Nachfrage. Das Nachfrageplus schätzt die IRSG in diesem Jahr auf 3%. Für die stark konjunkturabhängige Kautschuknachfrage ist die wirtschaftliche Verfassung Chinas von überragender Bedeutung. Denn China steht für 35% der weltweiten Nachfrage nach Kautschuk und hat 2012 nach Angaben der IRSG 3,9 Mio. Tonnen verbraucht. Etwa 70% davon gingen in die Reifenproduktion. Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass das Wirtschaftswachstum in China in diesem Jahr mit 7,5% etwas geringer ausfallen wird als 2013 mit 7,7%. Die letzten Konjunkturdaten aus China wie die Industrieproduktion und der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe fielen außerdem enttäuschend aus.
Doch es gibt auch Gegenargumente: Der Automobilverband von China rechnet mit einem Anstieg der Pkw-Absätze in China um 10% in diesem Jahr, nachdem im vergangenen Jahr ein Anstieg um fast 16% auf ein Rekordniveau von knapp 18 Mio. Fahrzeugen verzeichnet wurde. In den USA wurden im vergangenen Jahr so viele Fahrzeuge verkauft wie seit 2007 nicht mehr. Jüngste Zahlen machen zudem Hoffnung, dass sich der Automarkt in Europa nach 6-jähriger Durststrecke in diesem Jahr erholen könnte. Gleichzeitig sind die Risiken, die sich aus der politischen Lage in Thailand ergeben, noch nicht ausgeräumt.
All dies könnte zu einer Verringerung des Angebotsüberschusses im Jahr 2014 führen und dem stark gefallenen Kautschukpreis somit Unterstützung geben. Deutliches Erholungspotenzial für den Preis sehen wir angesichts der reichlichen Versorgung des Marktes allerdings nicht.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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