Umweltpolitik in den USA verteuert Benzin auch in Europa
24.07.2013 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die US-Benzinpreise haben Mitte Juli den stärksten Wochenanstieg seit fünf Monaten verzeichnet. Ein Auslöser hierfür war die starke Verteuerung der Ethanolgutschriften. Deren Nachfrage steigt aufgrund höherer Beimischungsvorgaben bei geichzeitig schwächerer Benzinnachfrage. Da im kommenden Jahr für in den USA verkauftes Benzin die kritische Beimischungsgrenze von 10% erreicht werden könnte, dürften US-Raffinerien verstärkt auf den Export von Benzin setzen. Europäische Raffinerien könnten dadurch unter Druck geraten und Verarbeitungskapazitäten reduzieren. In der Folge könnte auch der Benzinpreis in Europa steigen.
Die durchschnittlichen Benzinpreise an den Tankstellen in den USA sind Mitte Juli innerhalb einer Woche um 15 US-Cents pro Gallone gestiegen, was dem stärksten Anstieg seit fünf Monaten entsprach. Mit 3,67 USD je Gallone ist Benzin an der Tankstelle inzwischen so teuer wie zuletzt vor vier Monaten. Das aktuelle Preisniveau ist laut US-Energiebehörde EIA 32% höher als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre zu dieser Jahreszeit. Ein Grund ist der kräftig gestiegene Ölpreis. Seit Anfang Juli ist der Brentölpreis um 5% gestiegen, der WTI-Ölpreis sogar um 10%.
Doch auch die Preisdifferenz zwischen Benzin und Rohöl hat sich zuletzt spürbar ausgeweitet. Diese liegt aktuell bei 22 USD je Barrel auf dem höchsten Niveau seit März. Seit Monatsgeginn hat sie sich um gut 10 USD ausgeweitet. Wie schon im März ging die Verteuerung von Benzin mit einem kräftigen Preisanstieg bei den Ethanolgutschriften (Renewable Identification Number oder abgekürzt RIN), einher. Diese stiegen seit Ende Juni um 40 US-Cents pro Gallone und erreichten zwischenzeitlich mit mehr als 1,4 USD je Gallone ein Rekordniveau (Grafik 1). Was sind die Hintergründe dafür?
Die RINs werden von den Biokraftstoffproduzenten und -importeuren für jede produzierte Gallone Biokraftstoff vergeben. Jeder Gallone Biokraftstoff ist dabei ein RIN namentlich zugeordnet. Aufgrund der US-Regierungsvorgaben sind die Kraftstoffproduzenten dazu verpflichtet, den im Inland verkauften Kraftstoffen steigende Volumina an erneuerbaren Kraftstoffen beizumischen. Das vorläufige Mandat für 2013 setzt voraus, dass in diesem Jahr 13,8 Mrd. Gallonen an Ethanol dem Benzin beigemischt werden müssen.
Entsprechend werden in diesem Jahr von den Kraftstoffproduzenten 13,8 Mrd. Ethanol-RINs benötigt. Bei Nichteinhaltung der geforderten Anzahl an RINs müssen von den Raffineriebetreibern hohe Geldstrafen entrichtet werden. Fehlende Ethanolgutschriften müssen daher am Markt erworben werden. Die Bereitschaft, überschüssige RINs abzugeben, ist gering, da für die kommenden Jahre mit einer weiteren Verschärfung des Beimischungsmandates gerechnet wird und nicht eingelöste RINs von den Eigentümern in das nächste Jahr mitgenommen werden können. Der steigende Bedarf an RINs lässt daher die Preise steigen.
Der 2007 in Kraft getretene Renewable Fuel Standard (RFS) hatte als Ziel ausgegeben, die Beimischung von Biokraftstoffen in den USA von 9 Mrd. Gallonen im Jahr 2008 auf 36 Mrd. Gallonen im Jahr 2022 anzuheben (Grafik 2). Im Jahr 2007 markierte der US-Ölbedarf sein bisheriges Hoch. Die Prognosen gingen damals von einem weiteren Anstieg aus. Tatsächlich ist der US-Ölbedarf in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Die durchschnittliche USBenzinnachfrage ist seit der Einführung des RFS um 8,4% gesunken und hat im vergangenen Jahr mit 8,6 Mio. Barrel pro Tag ein 11-Jahrestief markiert (Grafik 3).
Die Prognosen für die kommenden Jahre deuten nicht auf einen signifikanten Anstieg der Nachfrage hin. Angesichts der geringeren Benzinnachfrage ist es für die US-Raffinerien schwierig, die stetig steigende Menge an Biokraftstoff beizumischen, ohne die kritische Grenze von 10% zu überschreiten, welche auch "Blendwall" genannt wird. Da viele ältere Fahrzeuge einen höheren Ethanolgehalt nicht vertragen, sind die Benzinproduzenten dazu nicht bereit.
In diesem Jahr dürfte das Angebot an Ethanolgutschriften auch dank der aus dem Vorjahr übertragenenen 2,1 Mrd. RINs noch ausreichen, um das Beimischungsmandat zu erfüllen. Dies könnte sich 2014 ändern, wenn die geplante Beimischungsmenge weiter erhöht wird. Bisherige Schätzungen liegen bei 14,4 Mrd. Gallonen. Sollte die US-Benzinnachfrage nicht entsprechend steigen, erzeugt der "Blendwall" einen Konflikt mit der von der US-Umweltbehörde EPA geforderten Menge an beizumischendem Ethanol.
Eine mögliche Lösung, um die geforderte Beimischungsmenge einzuhalten, ist die vermehrte Nutzung von E15, welches zu 15% aus Ethanol und zu 85% aus Benzin besteht. Von der Produktionsseite dürfte es kein Problem geben, E15 herzustellen und somit den "Blendwall" von 10% zu überschreiten. Laut EPA können Fahrzeuge, die ab 2001 gebaut wurden, E15 verwenden. Der EPA zufolge könnten über 62% der Autos in den USA mit E15 betrieben werden. Dieser Anteil macht über 80% des verkauften bleifreien Kraftstoffs aus. Das American Petroleum Insitute (API) warnt dagegen vor möglichen Motorschäden durch E15. Zudem garantieren nicht alle Autohersteller für dessen schadensfreie Nutzung.
Selbst wenn über 60% der Fahrzeuge in den USA E15 tanken könnten, gibt es daher keine Garantie, dass die Besitzer dieser Autos auch tatsächlich darauf zuückgreifen werden. Ein weiteres Problem ist, dass es in den USA aktuell nur wenige Tankstellen gibt, die E15 anbieten. Denn durch die Einführung von E15 entstehen den Tankstellenbetreibern Kosten für den Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur.
Die Kraftstoffproduzenten können das Problem auch nicht dadurch lösen, indem sie mit Biokraftstoff beigemischtes Benzin exportieren, da RINs nur den Produzenten gutgeschrieben werden, die das Produkt im Inland verkaufen. Dagegen besteht für die US-Benzinproduzenten der Anreiz, sich nach Exportmärkten für Rohbenzin umzuschauen. In der Folge könnte sich das Angebot von Benzin in den USA verknappen. Derzeit kann davon allerdings noch keine Rede sein.
Die US-Benzinlagerbestände liegen aktuell 9% über dem Niveau des Vorjhres und 4,4% über dem langjährigen Durchschnitt (Grafik 16). Steigende RIN-Preise verteuern dennoch auch Benzin. Bei einer Beimischung von 10% bedeutet ein Anstieg der RIN-Preise um 10 US-Cent einen um ein Cent höheren Benzinpreis. Seit Ende Juni ist der RIN-Preis um mehr als 40 US-Cents gestiegen. Somit können ungefähr vier Cents des Preisanstiegs bei Benzin seither mit der Verteuerung der Ethanolgutschriften erklärt werden. Entsprechend wächst mit steigenden RIN-Preisen der Druck auf die EPA, das Beimischungsmandat zu lockern.
Die EPA will die Beimischungsmengen für 2013 und 2014 in diesem Sommer bekanntgeben. Eine Bestätigung der Vorgabe für 2013 ist wahrscheinlich. Für 2014 steckt sie in einem Dilemma. Immerhin hat die EPA eingeräumt, dass im kommenden Jahr der Blendwall überschritten werden könnte, um die Vorgaben des RFS zu erüllen. Sollte sie den Forderungen der Ölindustrie nach einer Senkung des Beimischungsmandates nachkommen, würde sie mit diesem Schritt Schwäche zeigen. Der RFS diente nämlich vornehmlich dem Zweck, die Abhängigkeit der USA von ausländischem Öl zu reduzieren.
Diesem Ziel sind die USA durch die Ausweitung der (Schiefer-)Ölproduktion bereits deutlich näher gekommen. Ende dieses Jahres sollen die US-Ölimporte erstmals seit 1995 unter dem Niveau der US-Ölproduktion liegen. Falls die EPA dagegen an den bisherigen Beimischungsvorgaben festhält, welche von einer Erhöhung auf 14,4 Mrd. Gallonen ausgehen, könnten die Benzinpreise weiter steigen und damit die wirtschaftliche Erholung gefährden.
Unserer Ansicht nach sind die Annahmen aus dem Jahr 2007, auf dem der RFS beruht, überholt. Die EPA sollte nicht stur an den unter den damaligen Bedingungen getroffenen stetig steigenden absoluten Mengen an beizumischenden Biokraftstoffen festhalten, ohne den seither geänderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.
Eine prozentual festgelegte Menge an beizumischenden Biokraftstoffen dürfte sinnvoller sein. Damit die Einführung von E15 beschleunigt wird, könnte sich der Staat durch die EPA an den Infrastrukturkosten beteiligen, um das Risiko und die Kosten für die Produzenten zu senken. Bei einer mit den Autoherstellern gut kommunizierten Einführung von E15 und einer wieder anziehenden Benzinnachfrage könnte sich die Lage am Markt für Ethanolgutschriften in absehbarer Zeit normalisieren.
Ohnehin arbeitet die Zeit für E15. Denn dank der fast wieder auf das Niveau von 2007 gestiegenen Autoabsatzzahlen sinkt das Alter der Fahrzeugflotte in den USA. Damit erhöht sich auch der Anteil der Fahrzeuge, welche mit E15 betrieben werden können.
Da Benzin ein global handelbarer Rohstoff und der US-Benzinmarkt der größte der Welt ist, hat die dortige Entwicklung auch Auswirkungen auf den europäischen Markt. Ein steigender Benzinpreis in den USA wirkt somit auch preissteigernd für den Benzinpreis in Europa (Grafik 4). Die Preisdifferenz zwischen Benzin und Rohöl in Europa ist mit 13 USD je Barrel zwar 9 USD geringer als in den USA. Der Großteil des Preisunterschieds ist allerdings auf die RINPreise zurückzuführen, welche US-Benzin verteuern. Auch in Europa hat sich die Preisdifferenz zwischen Benzin und Rohöl seit Ende Juni nahezu verdoppelt, was nicht nur saisonale Gründe haben dürfte.
Während der Brentölpreis in diesem Monat um 5% gestiegen ist, legte der Benzinpreis in Rotterdam im gleichen Zeitraum um 9% zu. Angesichts der attraktiven Verarbeitungsmargen dürften die US-Raffinerien ihre hohe Benzinproduktion aufrechterhalten. Die Rohölverarbeitung liegt momentan auf dem höchsten Niveau seit acht Jahren (Grafik 18).
An der US-Golfküste, wo sich ca. die Hälfte der US-Raffineriekapazitäten befinden, wird derzeit sogar soviel Rohöl verarbeitet wie noch nie seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1992. Aufgrund der Beimischungsvorgaben auf dem heimischen Markt dürften die USA in den kommenden Monaten verstärkt Benzin exportieren (Grafik 5) und damit europäischen Raffinerien auf deren wichtigsten Absatzmärkten Konkurrenz machen. Steigende Tankerraten deuten bereits darauf hin. Raffinerien in Europa könnten durch diese Entwicklung weiter unter Druck geraten und mit einer Verringerung ihrer Verarbeitungskapazitäten reagieren. Dies würde zu steigenden Benzinpreisen in Europa führen, bis der Anreiz zu Importen besteht.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.