Getreide, Sojabohnen: Das Wetter macht derzeit die Musik
28.06.2012 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Anders als lange erwartet, scheint das Jahr 2011/12 mit einem globalen Defizit am Weizenmarkt abgeschlossen zu werden, dem ein weiteres folgen dürfte. Für die Notierungen in Paris kommt der schwächere Euro stützend hinzu. Am Maismarkt gehen die Impulse derzeit von der zu heißen und trockenen Witterung im Mittleren Westen der USA aus. Die Ernteerwartungen werden inzwischen zurückgeschraubt, auch wenn die Perspektive einer Rekordernte bleibt. Die Witterung stützt auch die Sojabohnenpreise. Allerdings dürfte sich in 2012/13 die Situation entspannen, wenn sich die Ernten in Südamerika normalisieren oder gar auf Rekordniveau steigen.
Weizen:
Der Weizenmarkt wird derzeit zwischen Nachrichten von zu großer Trockenheit inm wichtigen Anbaugebieten einerseits und gewisse Entspannung signalisierenden Regenfällen hin- und hergeworfen. Lange Zeit hatte die Erwartung eines hohen Überschusses in der sich dem Ende zuneigenden Saison 2011/12 auf die Preisentwicklung gedrückt. Als im Mai die Prognosen des USDA zum weltweiten Angebot und der Nachfrage veröffentlicht wurden, zeigte sich der Markt gleich von mehreren Aspekten verunsichert.
Zum einen passte das USDA die Nachfrage in der Saison 2011/12 stark nach oben an. Damit versuchte das USDA der Tatsache Rechnung zu tragen, dass angesichts der knapperen Situation bei Mais mehr Weizen den Weg in die Futtertröge fand. Während über viele Monate ein Überschuss bis zu einem im Februar erwarteten Hoch von 12 Mio. Tonnen prognostiziert wurde, schrumpfte der Angebotsüberschuss nun auf quasi Null zusammen.
In seiner Juni-Schätzung rutschte der Weizenmarkt 2011/12 sogar ins Defizit (Grafik 2, Seite 2), nachdem die Nachfrage noch etwas nach oben genommen wurde. Und für die kommende Saison 2012/13 erwarten sowohl das USDA als auch das International Grains Council sowieso ein globales Defizit von etwa 10 Mio. Tonnen, da das Angebot noch stärker zurückgehen soll als die Nachfrage. Diese wird vor allem dadurch begrenzt, dass aufgrund eines stark steigenden Angebots an Mais deutlich weniger Weizen verfüttert werden dürfte.
Auf der Angebotsseite soll zwar die Produktion in den USA nach der schlechten Vorjahresernte um 12% steigen, doch eine niedrigere Ernte in der Schwarzmeerregion (insbesondere der Ukraine und Kasachstan) sowie in der EU und in Australien schlagen stärker zu Buche. Zuletzt reduzierte das USDA auch seine Schätzung für Russland um 3 Mio. Tonnen auf 53 Mio. Tonnen. Dies liegt noch über den meisten Schätzungen im Markt, die sich auf nur noch 45-50 Mio. Tonnen nach 56 Mio. Tonnen im Vorjahr belaufen.
Die südlichen Landesteile Russlands haben nach einer bedenklich stimmenden Phase der Trockenheit zwar etwas Regen gesehen. Der Effekt könnte aber bald verpuffen, wenn nicht weitere Niederschläge folgen. In der EU hat der Kälteeinbruch Mitte Mai die Aussichten für die Getreideernte ebenfalls verschlechtert. Das Analysehaus Strategie Grains erwartet eine EU-Weichweizenernte von 124,2 Mio. Tonnen.
Dies wären knapp 4% weniger als in 2011. Die Prognoseeinheit MARS der EU-Kommission schätzt die Weichweizenernte 2012 mit 126,5 Mio. Tonnen zwar höher, aber ebenfalls unter Vorjahresniveau. Dazu trägt auch eine niedrigere Ernte in Deutschland bei, die vom Deutschen Bauernverband nur noch auf 21,3 Mio. Tonnen nach 22,7 Mio. Tonnen in 2011 taxiert wird. Die Regenfälle der letzten Zeit haben allerdings in Deutschland, aber auch in Frankreich und Großbritannien Entlastung gebracht.
Aus der Ukraine kommen Meldungen, wonach die neue Ernte dürre- und frostbedingt nur 10-13 Mio. Tonnen nach 22 Mio. im Vorjahr betragen könnte. Auch in Australien ist die Aussaat durch Trockenheit verzögert worden, und anders als das USDA hat das staatliche australische Prognoseinstitut ABARES bereits seine Prognose von 26 Mio. Tonnen auf 24,1 Mio. Tonnen reduziert. Der Rekord des Vorjahres von 29,5 Mio. Tonnen war ohnehin aufgrund einer zugunsten des derzeit profitableren Raps (Canola) geringeren Fläche nicht in Reichweite.
Auch ist es inzwischen deutlich unsicherer, ob die US-Ernte hält, was sie bisher zu versprechen schien: Zwar befinden sich USA-weit noch immer über die Hälfte der Pflanzen in einem guten oder sehr guten Zustand, doch war die Verschlechterung in wichtigen Anbaugebieten deutlich ausgeprägter. Im größten Anbaustaat Kansas wurde wochenlang der Prozentsatz der Pflanzen, der in die Kategorien "gut" und "sehr gut" fielen, reduziert. Nun sind es nur noch 40%.
Noch Anfang Mai sah man sich dort nach der jährlichen Tour durch die Anbaugebiete auf dem besten Wege, die größte Ernte seit 2003 einzubringen. Die Trockenheit fordert nun aber Tribut. In vielen Landesteilen der USA hat die Ernte inzwischen begonnen und geht in Oklahoma und Arkansas bereits zu Ende. Trotz der Abwertungen sah sich das USDA im Juni aber nur zu einer marginalen Korrektur der US-Ernteerwartung nach unten veranlasst, was für Überraschung am Markt sorgte. Im drittgrößten Exportland Kanada wird eine gute, wenn auch nicht auf Rekordniveau liegende Ernte von knapp 27 Mio. Tonnen nach 25,3 Mio. Tonnen im Vorjahr erwartet.
Weltweit hat das USDA in seiner Juni-Prognose die Produktion 2012/13 mit 672 Mio. Tonnen um 5,5 Mio. Tonnen niedriger angenommen als im Mai, gleichzeitig aber auch die Nachfrage ähnlich stark nach unten genommen. Daher bleibt es bei einem erwarteten Defizit von knapp 10 Mio. Tonnen. Sowohl weltweit als auch im wichtigsten Lieferland USA ist für 2012/13 mit einem zweiten Rückgang in Folge beim Lager-Verbrauchs-Verhältnis zu rechnen. Mit global 23% und in den USA 25% bleibt es aber weit entfernt von den niedrigen Werten in 2007/08 (Grafik 3).
Begleitet und begünstigt wurden die Preisbewegungen dadurch, dass die spekulativen Anleger ihre Positionen deutlich veränderten. Noch in der Woche zum 15. Mai hatten sie ihre Netto-Short-Positionen weiter ausgebaut. Diese erreichten mit über 55 Tsd. Kontrakten ein Niveau wie zuletzt im Juni 2010. In der Folgewoche dann hatte die Positionierung auf netto-long gedreht, was sich allerdings als ein kurzes Zwischenspiel erwies. Die bedenklichen Wettermeldungen und ihre Folgen haben in der zweiten Juni-Hälfte die Weizenpreise wieder stark anziehen lassen. In den bisherigen CFTC-Daten, die nur bis zum 19. Juni reichen, zeigt sich dies allerdings noch nicht.
In Paris hat der meistgehandelte Kontrakt (Fälligkeit November) Mitte Mai ebenfalls kräftig um 11% zugelegt und befand sich damit im Gleichklang mit der Bewegung in Chicago. In der zweiten Monatshälfte konnte sich der europäische Preis nach den Abwärtsrevisionen der Ernteaussichten für die EU und der Schwarzmeerregion etwas nach oben von den US-Notierungen absetzen. Makroökonomische Daten und die allgemeine Marktstimmung schlagen derzeit insbesondere über den Euro-Wechselkurs auf die Preise in Paris durch.
Wir erwarten, dass sich der Weizenpreis an der Börse in Chicago in den nächsten Monaten um die 670 US-Cents je Scheffel bewegen sollte. Für das vierte Quartal 2012 prognostizieren wir mit einem Preis von 680 US-Cents je Scheffel ein etwas höheres Niveau. Dies vor allem deshalb, weil uns noch immer einige Abwärtsrisiken auf der Angebotsseite zu bestehen scheinen.
Mais:
Auch der Markt für Mais steht derzeit stark unter dem Eindruck wechselnder Wetteraussichten für die USA. Ungewöhnlich warme und trockene Witterung hat Befürchtungen genährt, die Maispflanzen könnten nicht ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt werden. Dies manifestiert sich auch in einer Verschlechterung der wöchentlichen Bewertung der Pflanzenqualität durch das USDA. Kaum werden dann Regenfälle prognostiziert, geht es für die Preise bergab, wie zuletzt gesehen, was den Preis Anfang Juni auf ein 17-Monatstief drückte, bevor die Preise wieder stiegen, als es bei der trockenen und heißen Witterung blieb.
Dass die Preise inzwischen deutlich unter dem Niveau von vor einem Jahr liegen, ist fundamental durchaus gerechtfertigt. Denn in 2011 wurde davon ausgegangen, dass die Saison 2011/12 mit einem weiteren Defizit enden würde nach dem bereits stark defizitären Vorjahr 2010/11. Dass sich dies nun nicht zu bewahrheiten scheint - zuletzt prognostizierte das USDA durch eine überraschend gute brasilianische Ernte sogar ein Plus - drückt nun die Preise zusätzlich. Bereits zuvor hat sich der Markt auf eine starke Angebotsausdehnung in der kommenden Saison eingestellt, die das USDA auf knapp 9% und der International Grains Council auf gut 5% schätzt.
Mit 950 Mio. Tonnen liegt die USDA-Schätzung deutlich höher als die des IGC mit 913 Mio. Tonnen. Zwar schätzt das USDA auch die Nachfrage nach Mais deutlich höher als der IGC. Im Saldo aber erwartet das USDA mit einer Schätzung von über 26 Mio. Tonnen einen mehr als doppelt so hohen Überschuss in 2012/13 wie der IGC. Gegenüber der enttäuschenden Ernte der USA in 2011 schätzt das USDA alleine dort das Plus auf fast 20% auf rekordhohe 376 Mio. Tonnen, was zum Teil auf eine kräftige Flächenausweitung, zum Teil auf einen rekordhohen durchschnittlichen Ertrag von 166 Scheffel je Morgen zurückgehen soll.
Die frühe zügige Aussaat hat diese Erwartung noch beflügelt. Allerdings sind die früh ausgesäten Flächen nun besonders anfällig, wenn sich das geringe Niederschlagsniveau im Mittleren Westen der USA noch länger fortsetzt. Kritische Stimmen erwarten bereits nur noch eine US-Erntemenge von 13,65 Mrd. Scheffel (Lanworth). Dies ließ die Maispreise zuletzt wieder auf über 600 US-Cents je Scheffel steigen. In seiner Juni-Prognose schloss sich das USDA allerdings dieser Sichtweise nicht an, sondern ließ die Zahlen gegenüber dem Vormonat unverändert.
Das USDA kalkuliert trotz einer deutlichen Verschlechterung des Pflanzenzustands in den vergangenen Wochen weiterhin mit einem rekordhohen durchschnittlichen Flächenertrag von 166 Scheffel je Morgen. Laut aktuellem USDA-Erntefortschrittsbericht befanden sich Ende letzter Woche 56% der Maispflanzen in gutem oder sehr gutem Zustand. Das waren 13 Prozentpunkte weniger als der 5-Jahresdurchschnitt (Grafik 4).
Vor zwei Jahren, als letztlich ein Flächenertrag von 153 Scheffel je Morgen erzielt wurde, lag der Anteil der Maispflanzen in gutem und sehr gutem Zustand zu gleichen Zeit im Juni bei 75% und bei Erntebeginn drei Monate später bei knapp 70%. In den letzten fünf Jahren hat sich der Pflanzenzustand von Anfang Juni bis Anfang September um durchschnittlich acht Prozentpunkte verschlechtert. Selbst wenn es in diesem Jahr gelingen sollte, den derzeitigen Pflanzenzustand bis zum Erntebeginn beizubehalten, dürfte die US-Maisernte weniger als 14 Mrd. Scheffel betragen und damit ca. 1 Mrd. Scheffel niedriger ausfallen als vom USDA bislang erwartet.
Wir gehen daher in den kommenden Monaten von Abwärtsrevisionen aus. Nichtsdestotrotz dürfte die bisherige Rekordernte von 13,1 Mrd. Scheffel aus dem Jahr 2009 dank der deutlichen Flächenausdehnung noch immer übertroffen werden.
Das USDA erwartet, dass die Maisimporte Chinas 2012/13 mit 7 Mio. Tonnen um 2 Mio. Tonnen höher als 2011/12 ausfallen werden. Die Zeiten, in denen China bei Mais als Selbstversorger gelten durfte, sind angesichts des steigenden Fleischkonsums im Reich der Mitte vorbei.
Lange Zeit war aufgrund der knappen Angebotslage Mais im Futtertrog verstärkt durch Weizen substituiert worden. Inzwischen allerdings ist nach der jüngsten Weizenrallye der Preisabstand zwischen Weizen und Mais bei den jeweils nächstfälligen Kontrakten - der zwischenzeitlich nicht selten ins Negative gerutscht war - seit einem Monat wieder im positiven Bereich und so hoch wie seit Mai 2011 nicht mehr.
Wir erwarten, dass der positive Abstand nun von Dauer ist und damit eine Rückkehr zu „normalen“ Verhältnissen gegeben ist (Grafik 5). Im dritten Quartal erwarten wir etwas niedrigere Maispreise, wenn die erwartet hohe US-Ernte eingebracht wird. Trotz des erwarteten Überschusses und damit verbundenen weltweiten Lageranstiegs auf ein 13-Jahreshoch von 156 Mio. Tonnen dürfte das globale Lager-Verbrauchs-Verhältnis selbst bei den optimistischen USDA-Angebotsprognosen aufgrund der deutlichen Nachfragesteigerung nicht stark und nur von niedrigem Niveau aus zulegen (15%).
Dies dürfte ein deutliches Absinken der Preise verhindern und den Markt weiter anfällig für Schwankungen machen. Auch in den USA alleine wird zwar eine Verdopplung der Bestände, allerdings von einem 16-Jahretief aus, und ebenfalls nur auf ein Lager-Verbrauchs-Verhältnis von 14% erwartet.
Sojabohnen:
Ende April hatten die Notierungen für Sojabohnen einen Richtungswechsel vollzogen. Nach einem monatelangen Anstieg, der weitgehend auf die ständigen Meldungen über Dürreschäden in Südamerika zurückzuführen war, folgte eine Preisbewegung nach unten. Ausgehend von 1.500 US-Cents je Scheffel Ende April - ein Niveau, das auch während des Nahrungspreisbooms in 2008 nur kurzzeitig überstiegen wurde - sind die Notierungen auf knapp 1.350 US-Cents je Scheffel abgesackt.
Seit Anfang 2012 haben die spekulativen Finanzanleger massiv Netto-Long-Positionen bei Sojabohnen aufgebaut, auch wenn diese in den letzten Wochen im Gleichklang mit der Preisentwicklung wieder etwas reduziert wurden. Dass im Juni Sojabohnenpreis doch wieder anzog und nun bei über 1.480 US-Cents je Scheffel steht, hat neben den Witterungsbedingungen in den USA und weiteren Abwärtsrevisionen der argentinischen Ernte (USDA 41,5 Mio. Tonnen) auch mit politischen Ereignissen, wie einem einwöchigen Lieferstopp in Argentinien aus Protest gegen Änderungen in der Landbesteuerung zu tun.
Außerdem erwiesen sich die Sojabohnenimporte Chinas im Mai mit 5,28 Mio. Tonnen als die höchsten in fünf Monaten (Grafik 6). In seiner Juni-Prognose hob das USDA daher die Importe Chinas für 2011/12 um 1 Mio. Tonnen auf 57 Mio. Tonnen an.
Der Blick richtet sich auch am Sojamarkt verstärkt auf die nächste Saison und damit auf einige Faktoren, die die Knappheit am Markt zumindest relativieren dürften:
Für die USA geht das USDA von einer nur unwesentlich unter dem Vorjahr liegenden Anbaufläche aus, die aber bei einem dem Trend entsprechenden und damit höher als im enttäuschenden Vorjahr liegenden Ertrag eine insgesamt höhere Ernte erbringen soll. In ihrer ersten Prognose für 2012/13 wird dann auch wieder ein starkes Angebot aus Südamerika erwartet, wobei sogar Rekordniveaus in Argentinien und Brasilien nicht ausgeschlossen sind (Grafik 7).
Setzt sich diese Erwartung fort, dürfte auf das Defizitjahr 2011/12 eine Saison mit moderatem Überschuss folgen. Das USDA prognostiziert diesen derzeit auf gut 6 Mio. Tonnen. Bei einem zuletzt auf 17 Mio. Tonnen geschätzten Defizit in 2011/12 erlaubt dies zwar nur eine teilweise Wiederaufstockung der abgeschmolzenen Lager, doch würde sich zeigen, dass prinzipiell das Angebot in der Lage ist, mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten. Auf dem Weltmarkt dürften auch weiterhin die USA als größter Exporteur die Nase vorn behalten:
Nach dem aufgrund der mehrfach nach unten revidierten US-Ernte 2011/12 erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen mit Brasilien um den Titel des größten Exporteurs dürften in 2012/13 die USA wieder die unbestrittene Nr. 1 sein. Auf der Importseite erwartet das USDA für China einen Importzuwachs von 57 Mio. Tonnen in 2011/12 auf 61 Mio. Tonnen in 2012/13. Zuletzt allerdings wird diskutiert, dass die lang anhaltende heiße und trockene Witterung in Regionen der USA mit früher Winterweizenernte das dort sonst häufige "double-cropping", d.h. die nochmalige Bestellung abgeeernteter Flächen, mit Sojabohnen verringern könnte.
Wir erwarten, dass die Notierungen für Sojabohnen aufgrund der besseren Versorgungslage moderat nachgeben dürften. Wir erwarten aber keinesfalls ein Wegbrechen, sondern ein Niveau von 1400 US-Cents je Scheffel in Q4. Denn neben der nur gering erwarteten Verbesserung des Lager-Verbrauchs-Verhältnisses dürften die Sojabohnenpreise auch dadurch gestützt werden, dass für den Komplex der Ölsaaten insgesamt der Überschuss geringer ausfallen dürfte, nicht zuletzt weil bei Raps in 2012/13 zum dritten Mal in Folge ein Defizit auftreten könnte (Grafik 8).
Baumwolle:
Der Preis für Baumwolle ist Anfang Juni mit unter 70 US-Cents je Pfund auf ein Niveau abgesackt, das zuletzt im Februar 2010 gesehen wurde, bevor die Notierungen zu ihrem Höhenflug ansetzten und in der Spitze für den nächstfälligen Kontrakt über 200 US-Cents je Pfund erreichten. Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2011 waren die Preise nur noch auf einem Niveau rund um 100 US-Cents je Pfund gependelt. In den letzten Tagen erholte sich der Preis vorübergehend. Dies bezieht sich allerdings ausschließlich auf den Juli-Kontrakt, beim die Eindeckung von Short-Positionen im Vorfeld der nun begonnenen Lieferperiode den Preis kurz vor Ende des Erntejahres kurzfristig nach oben trieb. Der Dezember-Kontrakt, welcher die neue Ernte repräsentiert, ist dagegen kaum gestiegen.
Die Terminkurve insgesamt zeigt derzeit keine Erwartung signifikant steigender Preise bis 2014. Bereits seit Februar setzt auch eine Mehrheit der spekulativ orientierten Finanzanleger auf weiter fallende Preise, was der Aufbau von Netto-Short-Positionen zeigt. Die jüngsten Daten der CFTC zeigen allerdings eine Netto-Long-Position der Finanzanleger in der Woche zum 19. Juni. Dies reflektiert die Short-Eindeckungen und das bereits sehr niedrige Preisniveau.
Dass die Preise unter dem Vorjahresniveau liegen ist insofern nicht verwunderlich, als sich der Blick immer mehr auf die Saison 2012/13 richtet, die im August beginnt und die nach allgemeiner Einschätzung einen dritten Überschuss in Folge bringen dürfte (Grafik 9). Gegenüber der Situation bis 2009/10 mit mehreren Defizitjahren in Folge konnten sich seither die Bestände erholen und dürften in der noch laufenden Saison um 3,6 Mio. Tonnen und nach Einschätzung des USDA in 2012/13 um weitere 1,4 Mio. Tonnen auf dann über 16 Mio. Tonnen ansteigen.
Zwar wird erwartet, dass angesichts der gesunkenen Preise die Produktion gegenüber der noch laufenden Saison eingeschränkt wird, doch soll der Konsum nur moderat steigen, was noch immer einen positiven Saldo wahrscheinlich macht. Produktionseinschränkungen werden in allen wichtigen Anbaustaaten - wie China, Indien, Pakistan, Brasilien - erwartet, mit Ausnahme des drittgrößten Anbieters USA. Zwar dürfte auch hier die bebaute Fläche rückläufig sein, dennoch dürfte die zur Ernte kommende Fläche steigen und bei normalen Erträgen einen Produktionszuwachs bringen.
Das USDA schätzt ein Plus von 9% auf 3,7 Mio. Tonnen, das International Cotton Advisory Committee ICAC sogar ein Plus von 11% auf 3,8 Mio. Tonnen. Denn im Vorjahr kam es aufgrund der extremen Dürre im Hauptanbaugebiet Texas bei einem Drittel der bestellten Fläche nicht zur Ernte. In 2012/13 dürfte sich dieser Satz auf immer noch beachtliche 20% reduzieren. Weltweit allerdings schätzt das USDA einen Produktionsrückgang von 6% auf 25,1 Mio. Tonnen, ebenso das ICAC. Die Nachfrage dürfte um die 24 Mio. Tonnen zu liegen kommen, was anders als in den beiden Vorsaisons einen Anstieg bedeutete (+ 2,7%).
Bestätigt sich die Prognose eines neuerlichen Überschusses, könnte dies bei Beständen von gut 16 Mio. Tonnen das globale Lager-Verbrauchs-Verhältnis auf den Rekordwert von 50% schrauben, knapp über dem Wert in 1998/99 und Ergebnis eines massiven Anstiegs seit 2009/10, als das Verhältnis bei 31% lag (Grafik 10).
Große Aufmerksamkeit zogen in der noch laufenden Saison regelmäßig die chinesischen Importzahlen auf sich. Im Rahmen eines nationalen staatlichen Aufkaufprogramms zu höheren als den internationalen Preisen wurden die staatlichen Reserven aufgestockt. Dies ließ Verarbeiter verstärkt auf Importware zurückgreifen. China dürfte dadurch im laufenden Jahr 2011/12 für gut 50% der weltweiten Importe stehen.
Zwar schmälerte die schlechte US-Ernte deren Exportpotenzial, doch wurden die Lieferungen insbesondere aus Indien, aber auch aus Brasilien und Australien deutlich erhöht. Die inzwischen rekordhohen Bestände nach den kräftigen Importen der letzten Monate im Reich der Mitte lassen erwarten, dass die Importe in der Saison 2012/13 rückläufig sein dürften (Grafik 11). Das USDA beziffert das erwartete Minus gar mit 40% auf knapp 3 Mio. Tonnen, obwohl die chinesische Produktion rückläufig sein dürfte.
Damit sind wenige Argumente für einen deutlichen Preisanstieg in der nächsten Zeit zu finden. Allerdings zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass witterungsbedingte oder handelspolitisch bedingte Neueinschätzungen rasch den Markt in Unruhe versetzen und Preissprünge auslösen können. Im derzeit niedrigen Preisniveau scheinen uns insbesondere Aspekte wie die Gefahren für die Ernte in Indien aufgrund des schwach angelaufenen Monsuns und die sich verschlechternden Bewertungen der Pflanzen in den USA und dort besonders im wichtigsten Anbaugebiet Texas, nicht ausreichend berücksichtigt.
Möglicherweise ist auch die Fläche an Baumwolle in den USA geringer als bisher erwartet. Darüber wird der zum Monatsende zur Veröffentlichung anstehende Bericht des USDA über die bebauten Flächen Auskunft geben. Daher erwarten wir leicht anziehende Notierungen, auch wenn wir dem grundsätzlichen Bild einer üppigen Versorgungslage zustimmen.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: "Rohstoffe kompakt" Commerzbank AG
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