Ausblick 2012 - Metalle mit Aufwärtspotenzial
09.01.2012 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die Industriemetalle beendeten das von hoher Unsicherheit und Risikoaversion geprägte Jahr 2011 mit deutlichen Preisabschlägen. Auch das neue Jahr dürfte viele Herausforderungen mit sich bringen. Mittlerweile sollten jedoch viele negativen Nachrichten in den Preisen eskomptiert sein. Wir gehen daher für 2012 trotz Gegenwind von der makroökonomischen Seite unter dem Strich von steigenden Preisen aus. Einmal mehr dürfte China einer der preisunterstützenden Faktoren sein.
An den Metallmärkten ist ein sehr ereignisreiches und volatiles Jahr zu Ende gegangen. In den ersten Monaten des letzten Jahres setzten die Metallpreise ihren Aufwärtstrend noch fort und markierten entweder mehrmonatige oder mehrjährige Höchststände. Kupfer durchbrach sogar kurzzeitig erstmals die psychologisch wichtige Marke von 10.000 USD je Tonne. In der zweiten Jahreshälfte kam es dann vor allem im Zuge der Eskalation der Staatsschuldenkrise in der Eurozone und der daraus resultierenden hohen Risikoaversion zu deutlichen Preisabschlägen. Zeitweise reagierte Panik.
Der Index der Londoner Metallbörse, LMEX, verlor von seinem Zwischenhoch Ende Juli bis zu seinem vorläufigen Tief im Oktober 28,6%. Dabei hatten sich die Metalle auch von ihren fundamentalen Rahmendaten abgekoppelt. Denn es waren “nur“ Stimmungs- und gesamtwirtschaftliche Frühindikatoren, die sich deutlich abschwächten. Die “harten Fakten“ an den Metallmärkten zeigten sich zum Großteil weiterhin sehr robust und konnten den Preisverfall nicht rechtfertigen. Gemessen an den S&P GSCI Sub-Indizes wiesen die Metalle unter den Rohstoffen sowohl auf “Spot“-Basis (-20,9%) als auch auf “Total Return“-Basis (-22,3%) die schlechteste Ertragsentwicklung im letzten Jahr auf (Grafik 1).
Obwohl sich die Situation mittlerweile etwas verbessert hat, bestimmen immer noch im Wesentlichen politische und gesamtwirtschaftliche Faktoren das Bild an den Metallmärkten. Dies dürfte in diesem Jahr auch noch eine Zeit lang so weitergehen. Denn eine nachhaltige Lösung der Staatsschuldenkrise ist bislang nicht in Sicht.
Diese verunsichert weiterhin Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen. Insbesondere der Wirtschaft im Euroraum dürfte daher ein schwieriges Jahr bevorstehen. Wir gehen davon aus, dass sie 2012 um 0,4% schrumpfen wird. Zugleich stellt die Staatsschuldenkrise ein großes Risiko für die US-Wirtschaft dar, so dass diese nur moderat um 2,0% wachsen dürfte - auch weil vom privaten Konsum kaum nennenswerte Impulse kommen und die Politik aufgrund des Wahlkampfs paralysiert sein dürfte. Einzig China zieht sich relativ achtbar aus der Affäre (Grafik 2, Seite 2).
Zwar dürfte das Wachstum 2012 weiter abgebremst werden, zu dem befürchteten Einbruch sollte es aber auch in diesem Jahr nicht kommen. Vielmehr bewegt sich die chinesische Wirtschaft in Richtung des von der Regierung gewünschten Wachstums von durchschnittlich 7%.
Der “zweite“ Blick auf China zeigt, dass das Reich der Mitte die niedrigen Preise genutzt und bereits wieder opportunistisch gehandelt hat. Das Beispiel Kupfer verdeutlicht dies am besten. Seit Juni steigen die Importe des roten Metalls ununterbrochen an und haben im November sogar ein 20-Monatshoch erreicht (Grafik 3). Dies hängt aber nicht nur mit attraktiven Arbitragemöglichkeiten zwischen den Börsen in London und Shanghai zusammen, sondern ist auch auf eine relativ hohe Nachfrage im Inland zurückzuführen. Indizien dafür sind zum einen sinkende Kupfervorräte in den LME-Lagerhäusern in Asien. Denn in Singapur und Südkorea sind die Bestände seit Jahresmitte um mehr als 80% gefallen. Ein Großteil davon dürfte nach China geliefert worden sein. Zum anderen werden an der SHFE selbst die Vorräte seit einigen Monaten stark abgebaut. Sie waren zeitweise auf ein 28-Monatstief gesunken.
Wir denken, dass China auch in den kommenden Monaten hohe Mengen an Metallen einführen wird - nicht nur Kupfer. Dafür spricht, dass die Regierung zum 1. Dezember 2011 die Strompreise abermals um 4% und die Netzgebühren um 6% angehoben hat. Sollten die Produzenten die dadurch entstehenden höheren Kosten nicht an die Endabnehmer weitergeben können, dürfte es im aktuellen niedrigen Preisumfeld zu Produktionskürzungen kommen. Insbesondere im Falle von Aluminium ist dies schon ersichtlich. Gemäß Daten des Nationalen Statistikbüros lag die chinesische Aluminiumproduktion im November bereits 13,5% unter ihrem im Juni verzeichneten Rekordhoch. Hohe chinesische Importe dürften im laufenden Jahr deutlich rückläufigen Metallpreisen im Wege stehen.
Aber nicht nur in China, sondern auch außerhalb steigen die Produktionskosten, allen voran die Löhne. Nach den starken Preisanstiegen der Metalle bis ins Frühjahr hinein und den Rekordgewinnen einiger Minenunternehmen, wollen die lokalen Arbeiter mehr und mehr am Erfolg der Minenbetreiber teilhaben. Um höhere Löhne durchzusetzen, wird teils über Monate hinweg gestreikt. Am stärksten im letzten Jahr davon betroffen waren und sind teilweise noch Kupferminen in Chile, Peru und Indonesien, die zu den weltweit größten Produzentenländern zählen. Die Produktionskosten sollten langfristig eine Untergrenze für die Metallpreise darstellen, die jedoch - wie in einigen Fällen aktuell ersichtlich - auch unterschritten werden kann.
Allerdings sollte dies nicht nachhaltig sein, da die Produzenten mit zunehmender Zeit immer stärker reagieren dürften (Reduzierung der Produktion), um Verluste einzudämmen. Die infolge dessen geringeren Produktionsraten sollten schlussendlich wieder zu Preissteigerungen führen. Sollten die Preise dennoch länger anhaltend niedrig bleiben oder gar weiter fallen, dürften auch geplante Projekte verschoben oder komplett auf Eis gelegt werden – mit langfristigen negativen Auswirkungen für das globale Angebot. Daneben kommt es in den vergangenen Monaten gerade in den aufstrebenden Produzentenländern wieder verstärkt zu Nationalisierungstendenzen von Rohstoffvorkommen, Projekten, Produktionsanlagen, etc., was Angebotsausweitungen behindert und sich tendenziell preisunterstützend auswirken sollte.
Auch wenn von der makroökonomischen Seite zunächst noch weitere negative Nachrichten kommen sollten, gehen wir unter dem Strich im Jahresverlauf von steigenden Metallpreisen aus. Viele negative Aspekte sollten bereits ausreichend in den Preisen eskomptiert sein. Im Folgenden schauen wir uns die Metalle im Einzelnen an.
Kupfer:
Nach dem starken Preisverfall im August und September handelt Kupfer weitgehend in einem übergeordneten Seitwärtstrend zwischen 7.000 und 8.000 USD je Tonne. Erste Ausbruchversuche nach oben im Dezember scheiterten zwar noch, dürften aber demnächst erfolgreich sein. Denn fundamental kann der Preisrückgang nicht erklärt werden. So zeigt sich die reale physische Nachfrage von der trüben Stimmung der Marktteilnehmer und der akuten Schuldenprobleme in der Eurozone relativ unbeeindruckt. Dies wird u.a. durch die Lagerstatistiken der LME und SHFE sowie der Handelsstatistik der chinesischen Zollbehörde bestätigt).
Neben der relativ robusten Nachfrageseite engt sich die Marktbilanz stark von der Angebotsseite her ein. So wird die Verfügbarkeit von Kupfer durch operative Probleme wie geringere Metallgehalte in den Erzen, ungünstige Wetterbedingungen und vor allem durch die seit Monaten andauernden Streiks in den wichtigsten Produzentenländern eingeschränkt. Die Kupferminenproduktion in Chile, dem mit einem Marktanteil von 34% weltweit größten Produzentenland, lag in den ersten 11 Monaten des letzten Jahres bereits knapp 4% unter dem Vorjahr (Grafik 4).
Das Research-Institut Brook Hunt erwartet trotz mehrfacher Revisionen für 2011 immer noch ein globales Angebotsdefizit von über 200 Tsd. Tonnen. Und auch 2012 dürfte die Nachfrage das Angebot um 40 Tsd. Tonnen übertreffen. Die International Copper Study Group (ICSG) sieht für das laufende Jahr sogar eine noch stärke Anspannung: Sie rechnet mit einem Angebotsdefizit von 256 Tsd. Tonnen. Das anhaltende strukturelle Angebotsdefizit sollte den Kupferpreis unterstützen.
Unterstützend sollte auch der gegenwärtige Pessimismus der spekulativen Finanzanleger wirken. Diese haben aufgrund der unsicheren gesamtwirtschaftlichen Wachstumsperspektiven und der hohen Nervosität an den Märkten ihre Wetten auf steigende Kupferpreise stark reduziert. Laut CFTC-Statistik zur Marktpositionierung sind die Finanzanleger seit September erstmals seit Sommer 2009 wieder per Saldo negativ gestimmt (Grafik 5). Der hohe Pessimismus der Finanzanleger war in der Vergangenheit stets ein guter Kontraindikator. Eine kleine Verbesserung der Marktlage und -stimmung kann in einer solchen Situation einen starken Preisanstieg hervorrufen.
Die positiven Aussichten für den Kupferpreis werden durch eine weitere Großübernahme im Sektor unterstrichen: Das polnische Minenunternehmen KGHM hat ein Übernahmeangebot in Höhe von rund 2,9 Mrd. CAD für den kanadischen Minenproduzenten Quadra FNX Mining unterbreitet. Wir gehen davon aus, dass sich die Konsolidierung im Minensektor fortsetzen wird, wobei eine höhere Konzentration auf der Produzentenseite mittel- bis langfristig preisstützend wirken dürfte.
Unserer Meinung nach weist Kupfer unter den Industriemetallen nach wie vor die besten fundamentalen Rahmendaten auf. Die Nachfrage zeigt sich trotz Konjunktursorgen sehr robust und dürfte in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Auf der Angebotsseite helfen neue Produktionsstätten wie z.B. in Sambia lediglich, rückläufige Produktionsraten in bestehenden Minen auszugleichen und tragen nicht zu einer Ausweitung des Angebots bei. Kupfer dürfte daher hohes Aufwärtspotenzial besitzen und sollte Ende 2012 bei 8.650 USD je Tonne handeln.
Aluminium:
Aluminium ist Ende November zum ersten Mal seit 15 Monaten wieder unter die Marke von 2.000 USD je Tonne gerutscht. Mit 1.956 USD wurde kurzzeitig sogar der niedrigste Stand seit Juli 2010 verzeichnet. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass das Leichtmetall deutlich unter den Grenzkosten der Produktion handelt. Denn diese werden in China, dem mit einem Marktanteil von 40% mit Abstand weltweit größten Aluminiumproduzenten, auf rund 2.300 USD je Tonne geschätzt.
Der Datenanbieter Shanghai Metals Market (SMM) setzt die Grenzkosten der Produktion sogar mit 16.000 RMB je Tonne an. Dies entspricht beim aktuellen Wechselkurs rund 2.500 USD je Tonne. SMM geht daher davon aus, dass die meisten chinesischen Aluminiumproduzenten schon seit einiger Zeit nicht mehr profitabel arbeiten können. Es sollte somit zu weiteren über die bereits schon bekannten Produktionskürzungen hinaus kommen, die im Endeffekt den Preis stützen sollten.
Doch trotz der niedrigen Preise ist am globalen Aluminiummarkt kein Ende der hohen Angebotsüberschüsse in Sicht. Laut Einschätzung des staatlichen chinesischen Research-Instituts Antaike wird allein China in diesem Jahr einen Überschuss von 250 Tsd. Tonnen aufweisen. Die Produktion dürfte dabei stärker als zunächst erwartet um 12% auf 21,95 Mio. Tonnen steigen. Damit würde sogar die schon sehr hohe letztjährige Wachstumsrate übertroffen. Auf globaler Ebene erwartet das Research-Institut Brook Hunt für 2012 einen Angebotsüberschuss von mehr als 1 Mio. Tonnen.
Die hohen Überschüsse machen sich auch wieder zunehmend in steigenden Lagerbeständen bemerkbar. In den Lagerhäusern der LME sind die Aluminiumvorräte Anfang Januar sogar auf einen Rekordwert von 4,98 Mio. Tonnen gestiegen (Grafik 6). Und auch die Börse Shanghai berichtet seit einigen Wochen von wachsenden Beständen. Seit Ende September haben sich die Aluminiumvorräte dort auf rund 208 Tsd. Tonnen mehr als verdoppelt. Der Lageraufbau relativiert sich etwas, da die Vorräte zuvor binnen eines Jahres um 84% reduziert wurden.
Doch es gibt auch Aspekte, die einen höheren Aluminiumpreis rechtfertigen. So erwarten z.B. Rio Tinto und Alcoa, zwei der weltweit größten Aluminiumproduzenten, in den kommenden Jahren ein globales Nachfragewachstum von 5-6% p.a. Dies dürfte zu einem strukturellen Primärmarktdefizit führen. Wir sind langfristig positiv gestimmt für den Aluminiumpreis, während viele Marktteilnehmer Aluminium angesichts der Produktionsüberschüsse und der hohen Lagerbestände als unattraktiv erachten.
Einem starken Preisrückgang stehen vor allem die hohen Energiekosten im Wege. Denn Aluminium weist eine relativ hohe Korrelation zu Rohöl auf (Grafik 7). Dies ist nicht verwunderlich, da zur Herstellung von einer Tonne Aluminium rund 14 MWh Strom benötigt werden und die verschiedenen Energieträger untereinander meist gut korrelieren. Auch die zunehmende Verknappung von Bauxit, dem Ausgangsrohstoff für die Aluminiumherstellung, macht sich bemerkbar. Hier hat China die Importe im letzten Jahr deutlich ausgeweitet. Gemäß Daten der chinesischen Zollbehörde stiegen diese in den ersten elf Monaten im Vergleich zum Vorjahr um 49% auf gut 40 Mio. Tonnen.
Unseres Erachtens sprechen die fundamentalen Faktoren längerfristig für höhere Preise. Wir erwarten daher in diesem Jahr einen Anstieg des Aluminiumpreises bis auf 2.300 USD je Tonne zum Jahresende.
Nickel:
Nickel verzeichnete unter den Industriemetallen im letzten Jahr mit die höchsten Verluste. Mit 16.550 USD je Tonne wurde Ende November ein 2-Jahrestief erreicht. Ähnlich wie Aluminium handelt Nickel damit unter den Grenzkosten der Produktion. Diese werden auf 18.000-20.000 USD je Tonne geschätzt - bei diesem Niveau sind 10-15% der weltweiten Kapazitäten unprofitabel -, in einigen Fällen liegen sie auch darüber. Damit sich die Produktion des in China hergestellten Nickelroheisens (sog. Nickel pig iron, NPI) rechnet, werden sogar ca. 25.000 USD je Tonne benötigt. Die vom staatlichen Research-Institut Antaike geschätzten NPI-Produktionskapazitäten in China von 500 Tsd. Tonnen dürften aktuell weitgehend still liegen.
Ein Blick auf die Lagerstatistik zeigt, dass die Nachfrage im letzten Jahr relativ robust war. Denn die LME-Vorräte sind binnen Jahresfrist um 34% auf 90 Tsd. Tonnen gesunken. Dies hat dazu geführt, dass der globale Nickelmarkt 2011 aller Voraussicht nach in ein Angebotsdefizit gerutscht ist. Das hat jedoch den starken Preisverfall nicht verhindern können und dürfte zudem nur von kurzer Dauer gewesen sein. Denn zum einen sieht sich die Edelstahlindustrie einer schwächeren Nachfrage gegenüber.
Zum anderen sind bereits neue Minenprojekte mit umfangreichen Produktionskapazitäten in Betrieb genommen worden oder werden bald gestartet. Daher dürfte es am globalen Nickelmarkt laut Einschätzung des Research-Instituts Brook Hunt in diesem Jahr zu einem Angebotsüberschuss von 47 Tsd. Tonnen kommen (Grafik 8). Dieser dürfte deutlichen Preissteigerungen von Nickel im Wege stehen.
Der Nickelpreis dürfte im Laufe des Jahres wieder in Richtung seiner Produktionskosten - und durchaus ein Stück darüber hinaus - steigen. Ende 2012 sehen wir den Preis bei 21.100 USD je Tonne. Sollte es wie schon in der Vergangenheit zu Verzögerungen bei den neuen Projekten kommen, könnte der Preisanstieg stärker ausfallen.
Zink:
Nachdem der Zinkpreis lange Zeit im letzten Jahr von hoher Volatilität geprägt war, bewegt er sich seit Ende September weitgehend in einem übergeordneten Seitwärtstrend zwischen 1.800 und 2.000 USD je Tonne. Im letzten Jahr dürfte der globale Zinkmarkt gemäß Angaben der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) noch einen Angebotsüberschuss von 317 Tsd. Tonnen aufgewiesen haben. Dieser sollte aber in diesem Jahr merklich abgebaut werden (Grafik 9). Während das Research-Institut Brook Hunt von einem Überschuss von 228 Tsd. Tonnen ausgeht, erwartet die ILZSG einen Angebotsüberhang von “nur“ 135 Tsd. Tonnen.
Der Hauptgrund für die Einengung der Marktbilanz ist die Schließung von erschöpften Minen und veralteten Produktionsanlagen. In China findet derzeit z.B. eine Restrukturierung des Zink- und Bleisektors statt. Die geringeren Kapazitäten werden nicht im notwendigen Maße ersetzt. Daher bleibt das globale Angebotswachstum mit +2,7% laut ILZSG 2012 hinter der Ausweitung der Nachfrage (+3,9%) zurück. Das Anziehen der Nachfrage war bereits schon in sinkenden Lagerbeständen ersichtlich. So sind die LME-Vorräte von ihrem 16-Jahreshoch Mitte Juli zwischenzeitlich um 18% auf gut 736 Tsd. Tonnen gefallen, bevor ein erneuter Lageraufbau einsetzte. Auch an der SHFE ist seit einigen Monaten ein Lagerabbau zu beobachten.
Der Trend eines stetig wachsenden Angebotsüberschusses der letzten fünf Jahre scheint gestoppt. Das Angebots-Nachfrage-Verhältnis dürfte sich weiter einengen. Dies sollte dem Zinkpreis Unterstützung geben. Wir erwarten Ende 2012 einen Preis von 2.150 USD je Tonne.
Blei:
Blei weist aktuell eine ähnliche Situation wie das Schwestermetall Zink auf. Noch ist der globale Bleimarkt gemäß Einschätzung der ILZSG mit 188 Tsd. Tonnen im Angebotsüberschuss. Aus denselben Gründen wie bei Zink soll dieser jedoch im laufenden Jahr auf 97 Tsd. Tonnen reduziert werden.
Insgesamt betrachtet schwächt sich die Wachstumsdynamik jedoch 2012 gegenüber 2011 ab. Die ILZSG geht aber wie bei Zink davon aus, dass auch das Wachstum der globalen Bleinachfrage mit 4% die Ausweitung des Angebots (+3,1%) übersteigt (Grafik 10). Vor allem in China könnte die Nachfrage wieder stark anziehen, denn dort haben die meisten der Batteriefabriken mittlerweile wieder geöffnet, nachdem sie von der Regierung die umweltpolitische Genehmigung erhalten haben.
Laut Aussagen des Verbands der Batterieproduzenten wurden fast 90% der Kapazitäten vorübergehend geschlossen, da sie nicht die erforderlichen Umweltauflagen erfüllten. Das Durchgreifen der chinesischen Regierung erfolgte, weil erneut bei Hunderten von Anwohnern im Umfeld der Fabriken Bleivergiftungen festgestellt wurden. Die Batterieproduzenten stehen in China für rund 80% der inländischen Bleinachfrage und China macht wiederum 45% der weltweiten Nachfrage aus.
Ähnlich wie für Zink sehen wir für Blei in diesem Jahr aufgrund der Einengung der Marktbilanz Aufwärtspotenzial. Wir gehen daher bis Ende 2012 von einem Preisanstieg auf 2.250 USD je Tonne aus.
Zinn:
Neben Kupfer ist Zinn das zweite Industriemetall, das im letzten Jahr zunächst ein Rekordhoch markierte. Dieses wurde Mitte April bei 33.600 USD je Tonne erreicht. Seitdem steht Zinn jedoch stark unter Druck. Als der Preis letztendlich Ende September unter die Marke von 20.000 USD je Tonne fiel, haben die indonesischen Zinnproduzenten sich selbst einen Exportstopp auferlegt, um den Preis zu stützen. Eigenen Angaben zufolge wollte man erst wieder bei einem Niveau von 25.000 USD je Tonne Zinn exportieren. Indonesien ist der weltweit zweitgrößte Zinnproduzent und weltgrößte Exporteur mit einem Marktanteil von 35%.
Wie die Daten des indonesischen Handelsministeriums zeigten, wurde von September bis November tatsächlich deutlich weniger Zinn als in den Vormonaten ausgeführt (Grafik 11). Allerdings erlaubte der Verband der indonesischen Zinnproduzenten einigen Unternehmen, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Dies führte dazu, dass der Exportstopp untergraben und die Bemühungen zur Preisstützung konterkariert wurden. Industriekreisen zufolge sollen die Zinnexporte mittlerweile fast uneingeschränkt wieder aufgenommen worden sein. Die geforderten 25.000 USD je Tonne dürften daher kaum noch erreicht werden.
Der globale Markt dürfte also in diesem Jahr ausreichend mit Zinn versorgt sein. Auch langfristig besteht laut Aussagen des International Tin Research Institutes (ITRI) kein Grund zur Sorge. Denn in den nächsten 5-10 Jahren sollen rund 60 neue Minen mit einer Gesamtkapazität von 100 Tsd. Tonnen an den Markt kommen. Dies überkompensiert das erwartete Nachfragewachstum von jährlich 4-5% bis 2015. Dann soll die globale Zinnnachfrage laut ITRI ein Niveau von 400 Tsd. Tonnen erreichen.
Wir sehen für Zinn nur moderates Aufwärtspotenzial und erwarten zum Jahresende 2012 einen Preis von 22.000 USD je Tonne.
Stahl:
Der Verlauf des konjunktursensitiven Stahlpreises war im letzten Jahr zweigeteilt. So konnte der Preis für warmgewalzten Stahl zunächst noch bis Mitte März auf ein 2½-Jahreshoch kräftig zulegen. Anschließend kam er jedoch stark unter Druck. Der seitdem nahezu ununterbrochene Abwärtstrend ließ den Preis vor dem Hintergrund der aufgekommenen Konjunkturrisiken bis Ende Dezember um 20% auf gut 670 USD je Tonne fallen. Der LME-Stahlpreis vollzog diese Entwicklung nicht nach, sondern zeigte sich bis Mitte September - trotz hoher Volatilität - relativ robust. Dies dürfte u.a. an den Preisen für Stahlschrott gelegen haben, die ebenfalls ein beachtliches Niveau verteidigen konnten und zu denen der LME-Preis einen hohen Gleichlauf aufweist (Grafik 12). Erst in den letzten Monaten wurde auch LME-Stahl in Mitleidenschaft gezogen.
Die Stahlproduzenten haben auf die Eintrübung der Wirtschaft und den damit verbundenen Rückgang der Nachfrage reagiert und die Kapazitätsauslastung stark reduziert. Teilweise wurden Hochöfen sogar komplett stillgelegt. Am deutlichsten ist dies in China ersichtlich. Dort sank die Stahlproduktion im November laut Angaben des Nationalen Statistikbüros im Vergleich zum Vormonat um fast 9% auf 49,88 Mio. Tonnen. Dies stellt den niedrigsten Wert seit September 2010 dar. Sie lag damit zugleich 17% unter dem im Mai verzeichneten Rekordniveau. Aber auch außerhalb Chinas, wie z.B. in Deutschland, kam es zu merklichen Produktionskürzungen.
Hierzulande hat die Stahlproduktion im November mit 3,45 Mio. Tonnen gemäß Daten der Wirtschaftsvereinigung Stahl das bislang niedrigste Niveau im letzten Jahr erreicht. Weltweit ist die Stahlproduktion Daten des Weltstahlverbands zufolge im November auf ein 12-Monatstief von 115,5 Mio. Tonnen gefallen. Die Kapazitätsauslastung sank auf ein 15-Monatstief von 73,4%, nachdem die Verbraucher verstärkt auf eigene Lagerbestände zurückgegriffen haben und sich mit neuen Aufträgen zurückhalten (Grafik 13).
Trotz der strukturellen Überkapazitäten am globalen Stahlmarkt dürften die jüngsten Produktionskürzungen nicht nachhaltig sein und schnell wieder aufgeholt werden, sobald sich das konjunkturelle Umfeld aufhellt. Dazu dürfte auch der ebenfalls stark gesunkene Eisenerzpreis beitragen, der die Kostenbasis der Stahlhersteller entlastet. Das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie erwartet, dass China in diesem Jahr 697 Mio. Tonnen Eisenerz importieren wird, 7% mehr als im letzten Jahr. Dies spricht für relativ hohe Produktionsraten bei den Stahlherstellern in diesem Jahr und dürfte einer deutlichen Erholung der Stahlpreise im Wege stehen. Wir erwarten daher bis Ende 2012 einen moderaten Anstieg des LME-Stahlpreises auf 580 USD je Tonne. Stark rückläufige chinesische Stahlpreise könnten selbst den von uns prognostizierten nur moderaten Preisanstieg von LME-Stahl noch bremsen.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: “Rohstoffe kompakt“, Commerzbank AG
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