Crude Oil - Wie geht es weiter?
30.07.2007 | Jens Rabe
Crude Oil gelang es in den letzten Tagen wieder in den Blickpunkt der Medien zu gelangen. Dass dies erst jetzt passiert, verwundert etwas, schließlich sind die Preise für die an der New Yorker NYMEX gehandelten Futures Kontrakte schon seit Monaten im Steigen begriffen. Seit einem Tief bei 51 USD pro barrel im Januar konnte die Preise bis zuletzt auf 77,15 USD pro barrel und damit über 50%(!) ansteigen.
Dies geschah fast vollkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, konnte man doch in den Medien bis vor 3-4 Wochen nur relativ wenig über diesen fulminanten Preisanstieg lesen und hören. Daran erkennt man übrigens auch, wie unterschiedlich die Medienlandschaft auf Preisveränderungen in den verschiedenen Märkten reagiert. Als im Sommer 2005 die Preise für Öl erstmals in den Bereich um 70 USD pro barrel vordrangen, war dies noch ein Ereignis, welches sowohl den damaligen Bundeskanzler Schröder als auch die versammelte Opposition zur Freigabe der staatlichen Ölreserven rufen lies. Der Unterschied zu heute ist einfach nur, damals befand sich die Republik im Wahlkampf...
Der obige Chart zeigt es, die Preise nähern sich rasant der alten Höchstmarke aus dem Jahr 2006. Immer wenn sich Preise alten Hochs annähern, sollte man untersuchen, welche die wohl wahrscheinlichste Option für die Weiterentwicklung der Preise ist. Preise können an solchen Widerständen abprallen (siehe aktuelle Entwicklung beim DAX) oder eben auch diese brechen und auf neue Hochs ansteigen.
Ein hilfreiches Instrument stellt dabei die Untersuchung der Positionierung der beiden großen Marktteilnehmergruppen dar. Beim Crude Oil zeigt sich, dass beide Gruppen aktuell historische Extrempositionen eingenommen haben. Die Commercials agieren in Terminmärkten als Hedger und sichern sich steigende Preise durch Verkäufe ab. Je stärker diese Verkäufe ausgeprägt sind, umso größer erscheint das Bedürfnis dieser Gruppe nach Absicherung.
In der Vergangenheit kam es bei Nettoshortpositionen dieser Gruppe zwischen 75k und 95k Kontrakten immer zu einem Rückschlag im übergeordneten Aufwärtstrend. Bei einer aktuellen Nettoshortpositionierung von über 111k Kontrakten scheint das Absicherungsbedürfnis besonders hoch ausgeprägt zu sein. Dies umso mehr, als die derzeitige Positionierung an einem Preislevel erfolgt, welches nicht über dem vorherigen Preisniveau aus dem Jahr 2006 notiert, sondern noch unter dem damaligen Hoch bei 79,50 USD pro barrel.
Im Gegenzug haben die trendfolgenden Fonds die historisch größte Longposition aufgebaut. Interessant erscheint dabei die Tatsache, dass ein Großteil dieser Positionen erst innerhalb der letzten 4 Wochen aufgebaut wurde. Anfang Juli notierten die Preise bei ca. 70 USD pro barrel und die Longposition der Fonds betrug ca. 67k Kontrakte. In einem Preisanstieg von 7 USD wurden hier nochmals Positionen im Umfang von rund 41K aufgebaut.
Dies bedeutet nun, dass diese Positionen aktuell nur mit 0-7 USD pro Kontrakt im Plus notieren. Während also die Fonds die bereits bei Preisen zwischen 50 und 60 USD eingestiegen sind auf einem komfortablen Polster sitzen und Preisrückschläge von ein paar USD locker “aussitzen“ können, würde ein Preisrückschlag von nur 5-10% mehr als ein Drittel aller Longpositionen der Fonds ins Minus rutschen lassen. Dies wiederum dürfte dann zu einem schnellen Schließen dieser Positionen führen, was einen weiteren Druck auf die Preise ausüben dürfte und dann eine Preisspirale nach unten auslösen könnte.
Wie nervös der Markt ist und wie schnell sich dieses Szenario durchsetzen kann, zeigt sich am Freitag letzter Woche bis Dienstag dieser Woche, als die Preise innerhalb von 3 Handelstagen um fast 5% zurückfielen um dann anschließend erneut anzusteigen und neue Jahreshochs zu markieren.
Angesichts der Entwicklung der letzten Jahre bewegt sich das Sentiment natürlich auf einem hohen Niveau, wobei es auch hier immer wieder zur Ausbildung von Spitzen nach oben kommt. Aktuell lässt sich ein solcher Hochpunkt im Sentiment messen und zwar sowohl im kurzfristigen (rote Linie) als auch im längerfristigen (blaue Linie) Verfahren.
Allgemein bekannt ist, dass Crude Oil zu einem saisonalen Hochpunkt im August neigt.
Die Signifikanz dieses Muster war auch in den letzten Jahren trotz des übergeordneten Aufwärtstrends erstaunlich hoch und so erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch in diesem Jahr mit einem gewissen Druck auf die Preis aufgrund des saisonalen Musters in den nächsten Wochen gerechnet werden muss.
Fazit: Obwohl der Aufwärtstrend-Trend beim Crude Oil weiterhin intakt ist, mehren sich die Zeichen für ein nahendes Ende dieser Bewegung. Zum alten Hoch aus dem Jahr 2006 fehlen lediglich noch 2,50 USD pro barrel. Da solche Hochpunkte oftmals eine Art Magnetwirkung auf die Preise ausüben, kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass schon in den nächsten Tagen der Markt versuchen wird, diese alten Hochs zu erreichen.
Ein nachhaltiges Überwinden scheint aber derzeit wohl eher ausgeschlossen, da sich angesichts der bereits jetzt historisch hohen Nettolongpositionierung der Fonds die Frage stellt, wer denn da eigentlich noch als Käufer auftreten soll? Fundamental mögen die längerfristigen Aussichten für deutlich höhere Preise sprechen, allerdings sollte es auf dem (möglichen?) Weg dahin schon bald eine deutliche Unterbrechung geben. Noch gibt es keine Signale für einen Shorteinstieg, diese könnten sich jetzt aber sehr zeitnah ergeben.
Ein Longeinstieg an dieser Stelle verbietet sich angesichts der aufgezeigten Risiken von selbst und bestehende Longpositionen sollten mit deutlich engeren Stopps als in den Vorwochen abgesichert werden. Optionshändler sollten sich auch die Möglichkeit von Stillhalterpositionen in Calls anschauen, bieten sich doch derzeit sehr ordentliche Prämien in Strikes deutlich oberhalb der aktuellen Preise.
© Jens Rabe
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