Oil Markets Monthly
18.02.2009 | Sintje Diek (HSH Nordbank)
Ölpreisentwicklung
Die Fördermengenkürzungen der OPEC konnten den seit Juli 2008 zu beobachtenden Sinkflug der Ölpreise stoppen. Momentan pendelt der Preis für die Ölsorte Brent um die 45 USD/Barrel und präsentiert sich damit ohne klare Richtung. Eine Aufwärtsbewegung ist derzeit nicht in Sicht, da die weltweit stattfindende konjunkturelle Talfahrt die Ölnachfrage sinken lässt und so auf den Ölnotierungen lastet. Negative Konjunkturnachrichten der letzten Zeit halten Ängste um eine weiter einbrechende Ölnachfrage aufrecht, insbesondere in den USA, dem weltweit größten Ölverbraucher. Die Preise für die Ölsorte WTI haben sich dagegen von der Entwicklung bei Brent abgekoppelt. Sie sind wieder unter die Marke von 40 USD/Barrel gefallen und notieren damit mit einem erheblichen Spread zu Brent.
Die Ölpreise sollten in den kommenden Monaten jedoch wieder aufwärts tendieren. Unterstützung dürfte dabei die weitere Implementierung der Fördermengenkürzungen der OPEC im Markt bieten. Darüber hinaus sind weitere Produktionsdrosselungen des Kartells auf ihrem Treffen Mitte März nicht ausgeschlossen, wenn sich die Ölnotierungen weiterhin so schwach präsentieren. Allerdings dürfte der Ölpreisanstieg sehr moderat verlaufen, da die wirtschaftliche Talfahrt stärker als erwartet auf der Ölnachfrage lasten wird.
Wir haben daher das Niveau unserer Prognose nach unten angepasst. Bis zum Frühherbst erwarten wir, dass sich die Ölpreise in einer Range von 45 bis 55 USD/Barrel bewegen sollten. Zum Jahresende ist dann mit einem größeren Sprung auf 65 USD/Barrel zu rechnen, der sich bis zur Jahresmitte 2010 bis auf 75 USD/Barrel fortsetzen dürfte. Hintergrund des Preissprungs ist das stärker in den Fokus rückende Ölangebot. Bei den aktuell niedrigen Ölpreisen werden viele Instandhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen bei Ölprojekten nicht mehr getätigt, was mittelfristig zu einem geringeren Angebot bzw. sogar zu Angebotsengpässen führen könnte. Darüber hinaus steht dem Ölangebot wieder eine höhere Nachfrage gegenüber, da sich zum Jahresende auch allmählich eine konjunkturelle Erholung in vielen Ländern abzeichnen sollte.
US-Lagerbestände
Der Höhenflug bei den Rohöllagerbeständen geht weiter. Standen sie Anfang Januar noch bei 326,6 Mio. boe, so stiegen sie in den letzten Wochen kontinuierlich an und liegen aktuell bei 350,8 Mio. boe. Dies ist im Monatsvergleich ein Zuwachs um 7,4%. Zuletzt konnten die Rohöllager um 4,7 Mio. boe zulegen. Die Importe zeigten sich per Saldo über den letzten Monat nahezu unverändert. Sie liegen derzeit bei 9,7 Mio. bpd, nachdem sie in der Vorwoche noch mit 10 Mio. bpd angegeben wurden. Damit machen sich bei der Importentwicklung allmählich die Fördermengenkürzungen der OPEC bemerkbar.
Vor dem Hintergrund fast unveränderter Importe war die Entwicklung bei der Raffinerieauslastung maßgeblicher Treiber des Rohöllageraufbaus. Sie sank von 85,2% Anfang Januar auf aktuell 81,6%. Die geringere Raffinerieauslastung basiert auf zwei Faktoren. Zum einen führen die Raffinerien im laufenden Quartal vermehrt Instandhaltungsarbeiten ihrer Anlagen durch, da aufgrund der konjunkturellen Talfahrt ohnehin mit einer geringeren Nachfrage nach Ölprodukten zu rechnen ist; zum anderen reduzieren die Raffineriebetreiber ihren Output, um bei der aktuell sinkenden Nachfrage ihre Margen zu stützen.
Die Schwäche der US-Benzinnachfrage resultiert weiterhin aus einem saisontypischen Muster - in den Wintermonaten ist der Benzinverbrauch deutlich niedriger als im Sommer - sowie der sich rapide verschlechternden Verfassung der US-Wirtschaft. Im vergangenen Monat wurden die Benzinlagerbestände somit per Saldo auch deutlich aufgebaut. Sie stiegen von 213,5 Mio. boe auf aktuell 217,6 Mio. boe an. Im Vergleich zur Vorwoche reduzierten sie sich allerdings von 220,2 Mio. boe auf das derzeitige Niveau. Trotz der schwächeren Benzinnachfrage befinden sich die Benzinlager unterhalb ihres Durchschnitts der vergangenen fünf Jahre.
Die Destillatelager wurden dagegen in den vergangenen Wochen abgebaut. So sanken sie von 144,2 Mio. boe Anfang Januar auf 141,6 Mio. boe. Im Vergleich zur Vorwoche musste zuletzt ein Minus von 1,0 Mio. boe verbucht werden. Nichtsdestotrotz liegen die Destillatelagerbestände derzeit weit über Normalniveau. Im Gegensatz dazu befinden sich die Heizöllagerbestände unterhalb ihres 5-Jahresdurchschnitts, sind zuletzt sogar noch weiter gesunken.
Weitere Informationen
WTI mit deutlichem Preisabschlag zu Brent Normalerweise liegt der Preis für die amerikanische Ölsorte West Texas Intermediate (WTI) leicht über dem der Nordseesorte Brent. Dieser Spread ist dem Umstand geschuldet, dass WTI im Vergleich zu Brent etwas bessere physikalische Eigenschaften besitzt. So ist WTI sowohl leichter als auch süßer (schwefelärmer) als Brent. Allgemein ist es so, dass leichte, süße Rohölsorten (light sweet crudes) als qualitativ hochwertiger gelten als schwere, saure Sorten (heavy sour crudes). Sie können einfacher in Raffinerien verarbeitet werden, was zu einem Preisaufschlag gegenüber Ölsorten minderer Qualität geführt hat.
Leichte Rohölsorten sind dabei durch API-Grade (Einheit des American Petroleum Institute) zwischen 35 und 40, schwere durch API-Grade zwischen 16 und 20 gekennzeichnet. Süße Ölsorten haben einen Schwefelanteil, der geringer als 0,5% ist; bei sauren Ölsorten ist dieser Anteil größer als 1,0%. Derzeit notiert jedoch die amerikanische Benchmark mit einem deutlichen Preisabschlag zu Brent. Zwischenzeitlich lag dieser Spread sogar leicht über 10 USD/Barrel – mit dem Wechsel des neuen führenden Kontraktes vom Februarin den März-Kontrakt engte sich der Spead allerdings wieder ein. Nun stellt sich die Frage, warum es zu diesen unüblichen Preisdifferenzen gekommen ist.
Klar ist, dass die beiden Rohölsorten die auf dem jeweiligen Markt vorherrschenden Bedingungen widerspiegeln. So lastet derzeit das Szenario einer einbrechenden Ölnachfrage stärker auf WTI als auf Brent. Insbesondere in den USA, dem weltweit größten Ölverbraucher, ist die Ölnachfrage aufgrund der deutlichen konjunkturellen Abkühlung in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Die wirtschaftliche Talfahrt sollte sich auch noch fortsetzen, was weiteres Abwärtspotenzial für die Ölnachfrage birgt.
Darüber hinaus befinden sich die US-Rohöllagerbestände auf sehr hohen Niveaus. Insbesondere die Lager in Cushing, Oklahoma, sind zuletzt kräftig auf 34,9 Mio. boe angestiegen. Dies ist interessant, da Cushing Lieferort für WTI-Terminkontrakte, die an der NYMEX gehandelt werden, ist. Wenn dort jedoch die Kapazitätsgrenze der Lager erreicht ist, kann das Rohöl nur noch teuer weitertransportiert werden, oder es wird um (fast) jeden Preis verkauft, was WTI ebenfalls niedriger notieren lässt.
Neben den derzeit auf der Ölsorte WTI lastenden Faktoren – eine rückläufige US-Ölnachfrage sowie die hohen US-Lagerbestände – könnten sich allerdings Entwicklungen in der Raffinerie- und Ölproduktelandschaft abzeichnen, die die Preisaufschläge von leichten, süßen im Vergleich zu schweren, sauren Rohölsorten komplett abschmelzen lassen. So wurden in der Vergangenheit Raffinerien gebaut, die sich eher zur Verarbeitung von qualitativ hochwertigen Rohölsorten eigneten. Für die leichtere Überführung in die entsprechenden Produktkategorien (Destillate, Benzin u.ä.) waren die Raffinerien lange Zeit bereit, einen Preisaufschlag auf diese Rohölsorten zu bezahlen.
Mit dem Aufbau neuer Kapazitäten werden jedoch vermehrt Raffinerien in Betrieb genommen, die auch in der Lage sind, schwere, saure Rohölsorten zu verarbeiten. Dementsprechend sinkt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Rohölsorten, was die zuvor üblichen Preisaufschläge reduziert. Konnten entsprechend komplexere Raffineriekapazitäten erst einmal aufgebaut werden, sind schwere, saure Rohölsorten für die Raffinerien aufgrund der höheren Margenerzielung attraktiv.
Darüber hinaus sorgt die unterschiedliche Nachfrageentwicklung für die einzelnen Ölproduktkategorien möglicherweise für ein Sinken der Spreads zwischen den Rohölsorten. So geht die Benzinnachfrage in vielen Teilen der Welt zurück, während die Nachfrage nach Destillaten, vor allem Diesel und Kerosin, rasant ansteigt. Im Vergleich zu WTI, das im Raffinierungsprozess für seinen hohen Output an Benzin bekannt ist, lassen sich Destillate einfacher aus Brent herstellen.
Diese Entwicklungen dürften sich zukünftig, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung weltweit wieder stabilisiert hat, auf die Kaufpolitik der Raffinerien bei den Rohölsorten auswirken. Denn selbst wenn Raffinerien in komplexere Einheiten investiert haben, konzentrieren sich diese auf eine Produktkategorie – eine Einheit, die auf die Output-Erhöhung von Benzin ausgerichtet ist, kann nicht einfach für Destillate genutzt werden. Brent sollte daher im Vergleich zu WTI attraktiver für die Raffineriebetreiber werden, was ebenfalls zu einem Abschmelzen des historischen Spreads beitragen könnte.
Wir gehen davon aus, dass der derzeit zu beobachtende Preisabschlag, mit dem WTI zu Brent notiert, noch für die nächsten Wochen Bestand haben dürfte, da derzeit die schwache Ölnachfrage und die hohen Rohöllagerbestände, insbesondere in den USA, im Mittelpunkt des Interesses stehen. Sobald sich der Fokus stärker in Richtung Ölangebot verschiebt - die Produktionskürzungen der OPEC sollten die Importe in die USA verringern und damit überschüssiges Angebot vom Markt nehmen -, dürfte auch WTI wieder höher notieren.
Die skizzierten Entwicklungen könnten jedoch längerfristig dazu führen, dass die amerikanische Benchmark nicht mehr ihren historischen Preisaufschlag gegenüber Brent realisieren kann und sich die Preise für die beiden Rohölsorten annähern.
OPEC mit weiteren Produktionskürzungen?
Die OPEC hat in den vergangenen Monaten mit deutlichen Fördermengenkürzungen auf die gesunkenen Ölpreise reagiert. Nachdem sie im Vergleich zur September-Produktion die Förderung zum 1. November 2008 schon um 2,0 Mio. bpd reduziert hatte, legte sie auf ihrem Treffen Mitte Dezember noch einmal nach und kürzte die Produktion zum 1. Januar 2009 um 2,2 Mio. bpd. Damit hat die OPEC ihren Willen bewiesen, den Abwärtstrend der Ölpreise aufzuhalten und die Notierungen zu stabilisieren. Dies ist ihr auch gelungen; doch trotz aller Anstrengungen ist bisher keine Aufwärtsbewegung der Ölpreise erkennbar. Nach Angaben der International Energy Agency (IEA) hat die OPEC ihre Produktionskürzungen im Januar zu 56% umgesetzt, im Dezember lag dieser Anteil sogar bei 82%.
In den nächsten Wochen wird das Kartell seine gedrosselten Förderquoten weiter im Markt implementieren. Viel wird jedoch für wieder höhere Ölpreise davon abhängen, wie hoch die Disziplin der OPEC tatsächlich ist, die Fördermengenkürzungen umzusetzen. Wir gehen davon aus, dass die Disziplin des Kartells vergleichsweise hoch sein dürfte, da der derzeitige Überschuss auf dem Ölmarkt die Einnahmen der OPEC-Länder in erheblichem Maße bedroht. Erkennbar ist, dass die einzelnen OPEC-Staaten bisher unterschiedlich stark ihren reduzierten Förderquoten entsprochen haben.
So zeigt Saudi-Arabien eine überdurchschnittliche Bereitschaft, seine Produktionsmenge zu reduzieren, während dies bei Ländern wie dem Iran oder Venezuela bisher kaum der Fall ist. Grund dafür ist, dass die einzelnen Länder ihre Haushaltsbudgets mit verschiedenen Ölpreisniveaus kalkuliert haben.
Während der Iran oder Venezuela einen Ölpreis von 90 bzw. 100 USD/Barrel für das laufende Jahr angenommen haben, hat Saudi-Arabien mit einem Ölpreis von 50 USD/Barrel gerechnet. Damit stehen der Iran oder Venezuela bei den derzeitigen Ölpreisen mit ihrer Haushaltsplanung viel stärker unter Druck als Saudi-Arabien, was ihre Fördermengendisziplin beeinträchtigt. Es mehren sich jedoch Spekulationen, wonach die OPEC auf ihrem Treffen Mitte März eine weitere Produktionsdrosselung beschließen könnte, wenn die Ölpreise in den nächsten Wochen nicht höher notieren. Möglich wäre eine Reduzierung um 1,0 Mio. bpd, doch dazu bleibt erst einmal abzuwarten, welche Auswirkungen die Implementierung der bisherigen Produktionskürzungen auf die Ölpreise haben.
Neue Prognosen der International Energy Agency
Die International Energy Agency (IEA) hat in ihrem neuesten Report zum Ölmarkt erneut Prognoseanpassungen vorgenommen. So hat sie ihre Prognose der weltweiten Ölnachfrage für das laufende Jahr abermals nach unten revidiert. Sie geht davon aus, dass die Ölnachfrage 2009 bei 84,7 Mio. bpd liegen wird, was einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 1,0 Mio. bpd oder 1,1% entspricht.
Die größte Anpassung erfolgte dabei für die am meisten entwickelten Länder der OECD. Auch 2008 ist die Ölnachfrage nach Einschätzung der IEA schon um 0,4 Mio. bpd oder 0,4% gesunken. Der erwartete Rückgang der Ölnachfrage in zwei aufeinander folgenden Jahren wäre der erste seit 1982 und 1983. Das Ölangebot der Nicht-OPEC-Staaten setzt die IEA für das laufende Jahr mit 50,0 Mio. bpd an, ein Anstieg um 1% gegenüber dem Vorjahr.
Im nächsten Jahr könnte das Angebot der Nicht-OPEC-Staaten wieder deutlicher steigen; allerdings hängen die Angebotssteigerungen stark davon ab, in wiefern die aktuell niedrigen Ölpreise tatsächlich zu geringeren Investitionen in Ölprojekte führen. Der “Call on OPEC“ liegt nach Angaben der IEA für das laufende Jahr bei 28,8 Mio. bpd. Zum Vergleich: Im Januar lag die Fördermenge der OPEC-12 bei 29 Mio. bpd, während die der durch Förderquoten gebundenen OPEC-11 (ohne Irak) 26,65 Mio. bpd erreichte (Förderziel zum 1. Januar 24,8 Mio. bpd). Mit den geänderten Prognosen trägt die Agentur den sich in der letzten Zeit noch weltweit weiter verschlechternden wirtschaftlichen Perspektiven Rechnung. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass beispielsweise die globale Ölnachfrage noch stärker in Mitleidenschaft gezogen wird, als bisher von der IEA antizipiert.
© Sintje Diek
Economics & Research
Quelle: HSH Nordbank AG
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