Gold im Bann eines schwachen US-Dollar
06.09.2017 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Der Goldpreis ist deutlich über die Marke von 1.300 USD je Feinunze gestiegen und hat damit den höchsten Stand seit zwölf Monaten erreicht. Haupttreiber ist der deutlich abwertende US-Dollar. Dieser steht wegen fallender Fed-Zinserhöhungserwartungen und anhaltender politischer Querelen innerhalb der US-Regierung unter Druck. Kurzfristig dürfte der Streit um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze dem Goldpreis weiter Auftrieb geben. Im vierten Quartal droht dann allerdings ein Rückschlag, wenn der Markt eine Fed-Zinserhöhung im Dezember einzupreisen beginnt. Wir sehen daher Gold weiterhin bei 1.300 USD je Feinunze am Jahresende.
Gold stieg Anfang September auf 1.345 USD je Feinunze und notierte damit so hoch wie zuletzt vor zwölf Monaten. Seit Anfang Juli ist Gold um 12% gestiegen. Preistreibend war in erster Linie der rapide Wertverlust des US-Dollar. Erstmals seit Anfang Januar 2015 mussten für einen Euro mehr als 1,20 US-Dollar bezahlt werden. Vor Beginn des Goldpreisanstieges Anfang Juli waren es noch 1,14 US-Dollar je Euro, im April noch weniger als 1,10 US-Dollar (Grafik 1). Die akute Schwäche des US-Dollar ist das Resultat fallender Fed-Zinserhöhungswartungen und politischer Querelen in den USA.
So glaubt eine Mehrheit der Marktteilnehmer inzwischen nicht mehr daran, dass die US-Notenbank Fed ihre Zinsen in diesem Jahr nochmals anheben wird. Das endgültige Scheitern der Gesundheitsreform im US-Kongress, die anhaltenden Untersuchungen bzw. immer neue Enthüllungen zu den Russland-Kontakten von Trumps Wahlkampfteam und die hohe Fluktuation im näheren Umfeld von US-Präsident Trump lassen zudem Zweifel an der Fähigkeit der US-Regierung aufkommen, eine bahnbrechende Steuerreform und die angekündigten Infrastrukturausgaben in die Wege zu leiten. Die Auflösung zweier Beratergremien durch Trump, denen zahlreiche Firmenchefs angehörten, weckten darüber hinaus Zweifel an der Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten.
Die Erwartung einer expansiven Fiskal- und unternehmensfreundlichen Wirtschaftspolitik hatte unmittelbar nach den Wahlen zu einem merklichen Anziehen der Fed-Zinserhöhungserwartungen und einer starken Aufwertung des US-Dollar geführt. Davon ist inzwischen nichts mehr übrig. Über all dem schweben noch Trumps Drohung einer Schließung von US-Regierungsbehörden und das Risiko der Zahlungsunfähigkeit, wenn die Schuldenobergrenze bis zum 30. September nicht angehoben wird.
Dass der Goldpreisanstieg in erster Linie auf USD-Schwäche zurückzuführen ist, zeigt auch ein Blick auf die Entwicklung des Goldpreises in Euro. Dieser ist seit Anfang Juli nur um 7% gestiegen und handelt oberhalb von 1.100 EUR je Feinunze nur leicht über dem Jahresanfangsniveau. Gold in US-Dollar liegt dagegen seit Jahresbeginn 17% im Plus.
Spekulative Käufe dürften beim jüngsten Goldpreisanstieg ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt haben bzw. noch immer spielen. Seit dem Tief Anfang Juli weiteten die spekulativen Finanzanleger ihre Netto-Long-Positionen sieben Wochen in Folge aus. Am Stichtag 29. August erreichten sie mit 221 Tsd. Kontrakten das höchste Niveau seit September 2016 (Grafik 2).
Gegenüber dem 11. Juli bedeutet dies einen Anstieg um 198 Tsd. Kontrakte, was Käufen von umgerechnet 615 Tonnen Papiergold über den Terminmarkt entspricht. Die Hälfte entfiel dabei auf den Aufbau von Long-Positionen, die andere Hälfte auf den Abbau von Short-Positionen. Die Short-Positionen liegen inzwischen auf dem niedrigsten Stand seit November 2012. Damit dürfte von dieser Seite der Impuls allerdings nachlassen.
Die Investmentnachfrage zeigte in den letzten zwei Monaten ein gemischtes Bild. Die Gold-ETFs verzeichneten im Juli erstmals in diesem Jahr monatliche Abflüsse von knapp 68 Tonnen. Der überwiegende Teil davon, nämlich fast 61 Tonnen, entfiel dabei auf den weltgrößten Gold-ETF, SPDR Gold Trust (Grafik 3). In diesen investieren vornehmlich Großanleger wie Hedgefonds, Banken und Investmentgesellschaften. Angesichts des fortgesetzten Höhenfluges an den USAktienmärkten im Juli auf immer neue Rekordniveaus dürften diese aus Performancegründen von Gold in Aktien umgeschichtet haben.
Die in Europa gelisteten Gold-ETFs verzeichneten dagegen so gut wie keine Abflüsse, einige in Deutschland und der Schweiz gelistete ETFs sogar leichte Zuflüsse. Von einer breit angelegten Absetzbewegung der ETF-Anleger weg von Gold konnte somit keine Rede sein. Im August hat sich das Blatt wieder gewendet, als die Gold-ETFs Zuflüsse von gut 40 Tonnen verzeichneten. Davon entfielen 60% auf den SPDR Gold Trust.
Hierbei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass der Höhenflug an den US-Aktienmärkten aufgrund der erwähnten politischen Querelen in Washington sowie zunehmender Spannungen zwischen den USA und Nordkorea zunächst ins Stocken geriet und Mitte August eine Korrektur einsetzte. Der Großteil der ETF-Zuflüsse erfolgte denn auch in der zweiten Augusthälfte. Die Nachfrage nach US-Goldmünzen war dagegen sowohl im Juli als auch im August sehr verhalten. In beiden Monaten zusammen wurden laut US-Münzanstalt lediglich 27 Tsd. Unzen verkauft, so wenig wie zuletzt in einem Juli und August vor 11 Jahren.
Die physische Goldnachfrage in den wichtigsten asiatischen Konsumentenländern Indien und China war im Juli eher verhalten. Die indischen Goldimporte lagen bei 52 Tonnen, was dem niedrigsten Niveau in diesem Jahr entspricht. Im ersten Halbjahr lagen die Importe bei 87 Tonnen im Monatsdurchschnitt (Grafik 4, Seite 3). Die Goldimporte in der ersten Jahreshälfte wurden aber zunächst durch aufgestaute Nachfrage nach der Bargeldreform im vorigen Herbst und im Anschluss daran durch vorgezogene Käufe im Vorfeld der Einführung einer Steuer auf Goldkäufe Anfang Juli begünstigt.
Diese zusätzliche Nachfrage fehlt nun. Aber auch das im Juli deutlich gestiegene Preisniveau und Meldungen über eine ungleichmäßige Verteilung der Monsunregenfälle dürften die Kauflaune der indischen Konsumenten gebremst haben. Die Abschläge gegenüber dem Weltmarktpreis deuten auf eine verhaltene Nachfrage auch im August hin.
Ähnlich ist die Situation in China. Dort haben sich die Netto-Einfuhren aus Hongkong im Juli zwar bei 72 Tonnen stabilisiert (Grafik 4). Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies allerdings ein Minus von fast 20 Tonnen. Die Importe aus der Schweiz sanken sogar auf weniger als 20 Tonnen. Niedriger waren sie zuletzt im Januar.
Der Goldpreis dürfte nach dem Überwinden des Dreifach-Hochs (Mitte April, Anfang Juni, Mitte August) bei rund 1.300 USD je Feinunze und angesichts der im September anstehenden Debatte um die Anhebung der Schuldenobergrenze zunächst weiter steigen. Die Ratingagentur Fitch hat bereits durchblicken lassen, die AAA-Bonität für US-Staatsanleihen auf den Prüfstand stellen zu wollen, falls es zu keiner zeitnahen Einigung kommt. Standard & Poor’s warnte vor schlimmeren Folgen für die US-Wirtschaft als nach der Pleite von Lehman Brothers 2008, falls es zu einer Zahlungsunfähigkeit kommt.
Als diese im Sommer 2011 drohte, entzog S&P den USA das AAA-Rating und der Goldpreis stieg wenig später auf seinen noch immer gültigen Rekordstand von gut 1.900 USD je Feinunze. Bei der zwischenzeitlichen Schließung der Regierungsbehörden zwei Jahre später war die Marktreaktion dann deutlich moderater. Kurzfristig sehen wir daher weiteres Aufwärtspotenzial, wobei wir davon ausgehen, dass es in den USA nicht zum Äußersten kommt. Die ebenfalls für September erwartete Ankündigung der Fed, die Erlöse auslaufender Staatsanleihen nicht mehr zu reinvestieren, sollte am Markt keine nennenswerte Bewegung auslösen.
Die physische Goldnachfrage in Asien dürfte durch den kräftigen Preisanstieg der letzten Wochen gedämpft werden. In Indischen Rupien gerechnet notiert Gold auf dem höchsten Niveau seit November 2016. Da die Goldkonsumenten in Indien für gewöhnlich sehr preissensitiv sind, dürften sie sich mit Käufen zurückhalten und auf niedrigere Preise warten. Die übliche Erholung der Nachfrage im Herbst dürfte daher verhalten ausfallen.
Im Gegensatz zur Mehrheit der Marktteilnehmer rechnen wir damit, dass die Fed im Dezember ihre Zinsen nochmals anheben wird. Wenn der Markt dies einzupreisen beginnt, dürfte der Goldpreis nochmals unter Druck geraten. Wir halten daher an unserer Jahresendprognose von 1.300 USD je Feinunze fest. Für 2018 rechnen wir mit einem weiteren Preisanstieg auf 1.400 USD je Feinunze. Zwar dürfte die Fed die Zinsen auch im nächsten Jahr insgesamt dreimal anheben. Wie dieses Jahr zeigte, steht dies einem steigenden Goldpreis aber nicht notwendigerweise entgegen.
Da gleichzeitig die Inflation etwas anziehen dürfte, bleiben die US-Realzinsen auch 2018 niedrig, was für eine robuste Goldnachfrage sorgen sollte (Grafik 5). Zwar wird die EZB ihre Anleihekäufe allmählich zurückführen. An der Zinsschraube dürfte sie allerdings nicht drehen, so dass die Realzinsen in der Eurozone negativ bleiben. Dies spricht auch für einen steigenden Goldpreis in Euro.
Silber
Der Silberpreis bewegt sich zwar weitgehend im Einklang mit Gold, weist aber eine schwächere Entwicklung auf. Von den Mitte April bei 18,65 USD je Feinunze verzeichneten Höchstständen in diesem Jahr ist Silber noch etwas entfernt. Das Hoch von Anfang Juni bei 17,75 hat Silber allerdings zuletzt überwunden (Grafik 6). Den vorherigen Preisrückgang vollzog Silber dagegen überproportional nach. Anfang Juli fiel Silber auf ein 15-Monatstief von 15,19 USD je Feinunze. Dies macht sich auch im Gold/Silber-Verhältnis bemerkbar. Trotz eines Rückgangs von 79 im Juli auf aktuell 75 liegt dieses noch immer deutlich höher als bis Mitte April.
Die unterdurchschnittliche Preisentwicklung bei Silber lässt sich gut mit dem Verhalten der spekulativen Finanzanleger erklären. Der Abbau der Netto-Long-Positionen zwischen Mitte April und Anfang Juli war deutlich stärker ausgeprägt als bei Gold, der darauffolgende Aufbau war dagegen deutlich schwächer. Die Netto-Long-Positionen bei Silber liegen aktuell nur gut halb so hoch wie Mitte April, bei Gold schon deutlich darüber.
Die Silber-ETFs verzeichneten im Juli Zuflüsse von knapp 300 Tonnen, im August dagegen Abflüsse von gut 400 Tonnen. Damit haben die ETF-Anleger mit ihren Verkäufen die jüngste Preiserholung zuletzt gebremst. Die Industrienachfrage, die etwa die Hälfte der gesamten Silbernachfrage ausmacht, scheint sich zu beleben. So importierte China zwischen Januar und Juli 2.357 Tonnen Silber, 40% mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Mehr waren es zuletzt im Jahr 2010. In den ersten sieben Monaten hat China bereits mehr Silber importiert als in den ersten neun Monaten des Vorjahres (Grafik 7).
Der Silberpreis sollte weiterhin dem Goldpreis folgen. Da Silber die jüngste Aufwärtsbewegung von Gold bislang nur unterproportional nachvollzogen hat, sehen wir ein gewisses Nachholpotenzial. Zusätzliche Unterstützung sollte Silber von der Industrienachfrage erhalten. Nicht nur die höheren chinesischen Silberimporte, sondern auch die gestiegenen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in nahezu allen wichtigen Wirtschaftsräumen deuten auf eine Belebung dieser für Silber wichtigsten Nachfragekomponente hin. Ein positiver Zusammenhang zwischen ETF-Nachfrage und Silberpreis lässt sich in diesem Jahr nicht beobachten. Eher war es so, dass in Phasen steigender Preise verkauft und in Phasen fallender Preise gekauft wurde.
Dieses antizyklische Verhalten der ETF-Anleger dürfte somit stärkere Preisausschläge verhindert haben. Sollte sich der Silbermarkt aufgrund einer stärkeren Industrienachfrage und eines fallenden Minen- und Recycling-Angebots hinreichend einengen, könnte sich dies allerdings ändern und ein positiver Zusammenhang zwischen ETF-Nachfrage und Silberpreis auftreten. Wir erwarten Silber am Jahresende bei 18 USD je Feinunze. Im Falle einer Zuspitzung des Schuldenstreits in den USA dürfte Silber hinter Gold zurückbleiben, da dies auch die Stimmung in der Industrie belasten würde.
Auf einen Blick













© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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