Platin und Palladium in unterschiedlichen Welten
14.06.2017 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Der Goldpreis profitierte zuletzt von nachlassenden Fed-Zinserhöhungserwartungen und erhöhten politischen Risiken. Kurzfristig sehen wir eine Korrektur, im weiteren Jahresverlauf wieder anziehende Notierungen und einen Goldpreis von 1.300 USD je Feinunze am Jahresende.
Der Preisanstieg von Palladium auf ein 16-Jahreshoch ist trotz der Erwartung eines beträchtlichen Angebotsdefizits überzogen und dürfte zumindest teilweise korrigiert werden. Denn die Autoindustrie als mit Abstand wichtigster Treiber der Palladiumnachfrage verliert spürbar an Dynamik. Die Stimmung gegenüber Platin ist dagegen bereits zu pessimistisch, so dass wir hier eine Preiserholung erwarten.
Der Goldpreis stieg in der letzten Woche auf ein 7-Monatshoch von 1.296 USD je Feinunze. Gold handelte damit am oberen Ende der seit Anfang März in einer Handelsspanne (Grafik 1), gab zuletzt aber wieder etwas nach. Die Preisbewegung in den letzten drei Monaten lässt sich vor allem mit der Zinspolitik der US-Notenbank Fed, der Wechselkursentwicklung und politischen Faktoren erklären. Das Preistief bei knapp 1.200 USD fällt zeitlich zusammen mit der Fed-Zinserhöhung Mitte März.
Das darauffolgende Preishoch wurde Mitte April wenige Tage vor der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen erreicht. Der Preisanstieg seit Mitte Mai hängt wiederum eng mit den jüngsten politischen Verwerfungen in den USA zusammen. Diese kulminierten in der Weitergabe von Geheimdienstinformationen durch US-Präsident Trump an Russland, der umstrittenen Entlassung von FBI-Chef Comey durch Trump und gegen den US-Präsidenten erhobene Vorwürfe der Justizbehinderung.
Die scharfe Kritik Trumps an den Handelsbilanzüberschüssen Deutschlands auf dem NATO/G7-Gipfel Ende Mai sorgte für zusätzliche Verunsicherung unter den Marktteilnehmern. Die Fed-Zinserhöhungserwartungen sind zudem nach einer Reihe enttäuschender USKonjunkturdaten spürbar zurückgegangen. Nach der allgemein für Mitte Juni erwarteten Zinserhöhung wird laut Fed Fund Futures nur noch mit einer weiteren Zinserhöhung bis Ende 2018 gerechnet.
Der US-Dollar fiel daraufhin gegenüber dem Euro auf ein 7-Monatstief, wozu allerdings auch ein stärkerer Euro beitrug. Die Abnahme der politischen Risiken nach der Wahl des als europafreundlich geltenden Macron zum neuen Staatspräsidenten Frankreichs und eine Reihe positiver Datenüberraschungen in der Eurozone führten dazu, dass eine Debatte über ein vorzeitiges Ende der EZB-Anleihekäufe und eine frühere Zinserhöhung eingesetzt hat.
Der Goldpreis in Euro erholte sich daher auch nur teilweise von seinem starken Rückgang nach der ersten Wahlrunde in Frankreich und notiert aktuell bei rund 1.130 EUR je Feinunze. Kurz vor der Frankreich-Wahl hatte der Preis noch ein 9-Monatshoch von gut 1.220 EUR je Feinunze erreicht.
Sehr robust entwickelte sich in den letzten Monaten die physische Goldnachfrage in den beiden wichtigsten Konsumentenländern Indien und China. China importierte auf Nettobasis in den ersten vier Monaten des Jahres 266 Tonnen Gold aus Hongkong. Das sind 17% mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Im März gab es mit 112 Tonnen die stärksten Netto-Einfuhren seit zehn Monaten.
Indien importierte zwischen Januar und April sogar 341 Tonnen Gold und damit fast doppelt so viel wie im allerdings schwachen Vorjahreszeitraum (Grafik 2). Insbesondere seit Februar gab es einen starken Anstieg der Importtätigkeit. Dies dürfte neben niedrigeren lokalen Preisen und der frühen Lage des hinduistischen Feiertages Akshaya Tritiya Ende April teilweise auch auf Sondereffekte zurückzuführen sein.
So kam es zunächst zu Nachholeffekten, nachdem die Bargeldreform Ende 2016 zu Kaufzurückhaltung geführt hatte. Da in Indien ab dem 1. Juli eine neue Mehrwertsteuer von 3% auf Gold eingeführt wird, dürfte es auch zu vorgezogenen Goldkäufen gekommen sein. Im zweiten Halbjahr ist daher mit einem merklichen Abflauen der indischen Goldimporte zu rechnen. Thomson Reuters GFMS erwartet für das erste Halbjahr relativ hohe Goldimporte (450 Tonnen), gefolgt von relativ niedrigen Einfuhren im zweiten Halbjahr (250 Tonnen).
Für China erwartet der WGC im Gesamtjahr 2017 unverändert eine Goldnachfrage von 900-1.000 Tonnen, für Indien von ebenfalls unverändert 650-750 Tonnen, wobei die Importe nur bei rund 525 Tonnen liegen sollen.
Die Investmentnachfrage ist nach starkem Start in den letzten drei Monaten spürbar abgeflaut. Die Gold-ETFs verzeichneten im ersten Quartal noch Zuflüsse von 109 Tonnen. Der Großteil der Zuflüsse erfolgte dabei im Februar. Die Zuflüsse im zweiten Quartal blieben bislang deutlich hinter denen zu Jahresbeginn zurück (Grafik 3). Sehr verhalten ist in diesem Jahr auch die Nachfrage nach Goldmünzen.
Laut US-Münzanstalt wurde in den ersten fünf Monaten des Jahres nicht einmal die Hälfte der im Vorjahreszeitraum verkauften Menge an US-Goldmünzen verkauft. Insbesondere seit Februar verläuft der Absatz sehr schleppend. Sollte dies so bleiben, droht dem Goldpreis ein erneuter Rücksetzer auf 1.250-1.200 USD, zumal der Markt das Tempo der Fed-Zinserhöhungen aktuell deutlich unterschätzt. So rechnen unsere Volkswirte nach dem Juni-Zinsschritt mit noch einer weiteren Erhöhung in diesem Jahr. Der Markt sieht die Wahrscheinlichkeit dafür bei lediglich 50%.
Wir sind dennoch zuversichtlich, dass die Investmentnachfrage im Jahresverlauf aus mehreren Gründen wieder zulegen wird. So wird die (geo-)politische Unsicherheit nicht zuletzt aufgrund der Unberechenbarkeit von US-Präsident Trump hoch bleiben. Zudem stehen im Herbst weitere richtungsweisende Wahlen in Europa ins Haus (Deutschland, Österreich, möglicherweise Italien).
Der anhaltende Höhenflug der Aktienmärkte auf immer neue Rekordstände mahnt ebenfalls zur Vorsicht. Das Risikobarometer VIX handelt in der Nähe eines 24-Jahrestiefs, was auf eine übertriebene Sorglosigkeit und Selbstgefälligkeit der Finanzmarktteilnehmer hindeutet.
Sollte es bspw. aus Enttäuschung über das Ausbleiben wachstumsstimulierender Steuersenkungen und Infrastrukturprogrammen in den USA zu einer stärkeren Korrektur an den Aktienmärkten kommen, wäre Gold als sicherer Hafen einer der Hauptprofiteure. Mit einer anziehenden Investmentnachfrage sollte Gold im Herbst seinen Aufwärtstrend wieder aufnehmen und bis zum Jahresende auf 1.300 USD je Feinunze steigen.
Silber
Der Silberpreis hat sich seit Jahresbeginn etwas schlechter entwickelt als der Goldpreis. Während Gold 10% im Plus liegt, beläuft sich der Zuwachs bei Silber auf 6%. Einen klaren Trend gab es nicht. Der Preisverlauf in diesem Jahr ist vielmehr von einem stetigen Auf und Ab geprägt. Bis Mitte April war bei Silber noch eine Outperformance festzustellen, welche den Silberpreis auf 18,7 USD je Feinunze steigen ließ und das Gold/Silber-Verhältnis deutlich unter 70 drückte (Grafik 4).
Danach folgte eine ausgeprägte Schwächephase. Der Silberpreis fiel innerhalb von drei Wochen bis Anfang Mai auf gut 16 USD je Feinunze zurück. Das Gold/Silber-Verhältnis stieg daraufhin auf 75. Es folgte eine bis Anfang Juni währende Erholung. Zuletzt fiel Silber wieder unter 17 USD je Feinunze. Letztlich folgte der Silberpreis weitgehend der Entwicklung des Goldpreises mit der üblichen verstärkenden Wirkung in beide Richtungen.
Die Preisentwicklung bei Silber lässt sich sehr gut mit dem Verhalten der spekulativen Finanzanleger erklären. Diese erhöhten ihre Netto-Long-Positionen in den ersten 3½ Monaten des Jahres bis Mitte April auf ein Rekordniveau von 98,6 Tsd. Kontrakten (Grafik 5). Dies entsprach umgerechnet Käufen von gut 9.200 Tonnen Silber über den Futures-Markt. Daher überrascht nicht, dass der Silberpreis in diesem Zeitraum zulegen konnte.
Noch schneller zogen sich die Spekulanten danach aber wieder zurück und trugen damit maßgeblich zum folgenden Preisrückgang bei. Innerhalb von nur fünf Wochen sanken die Netto-Long-Positionen auf weniger als 18 Tsd. Kontrakte, was Verkäufen von umgerechnet 12.500 Tonnen entsprach. In den letzten drei Berichtswochen bis Anfang Juni stiegen sie wieder auf gut 50 Tsd. Kontrakte, was mit einem Anstieg des Silberpreises einherging.
Das auf Edelmetalle spezialisierte Research- und Beratungsunternehmen Metals Focus erwartet für das Jahr 2017 einen um 34% höheren Angebotsüberschuss von 90,4 Mio. Unzen (2.811 Tonnen). Metals Focus macht dafür in erster Linie eine erneut schwache physische Investmentnachfrage (Münzen und Barren) verantwortlich, welche nach einem Rückgang um ein Drittel im letzten Jahr nochmals einen zweistelligen Rückgang aufweisen soll. So lag der Absatz von US-Silbermünzen nach fünf Monaten nur etwa halb so hoch wie im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Allerdings geht Metals Focus davon aus, dass der Überschuss durch die Nachfrage institutioneller Investoren problemlos absorbiert werden kann. Dazu zählen auch die ETF-Anleger, die in den ersten gut fünf Monaten 475 Tonnen Silber kauften. Deren Verhalten in diesem Jahr ist eher als antizyklisch zu bezeichnen. In den ersten 3½ Monaten, als der Silberpreis mit Ausnahme einer kurzen Korrektur Anfang März kontinuierlich zulegte, verzeichneten die Silber-ETFs merkliche Abflüsse. Als der Silberpreis dann Ende April deutlich abrutschte, kam es zu verstärkten Käufen der ETF-Anleger (Grafik 5).
In den letzten Maitagen und Anfang Juni kam es bei einem steigenden Silberpreis dagegen wieder zu Abflüssen. Der Silberpreis dürfte u.E. auch weiterhin vor allem durch die Preisentwicklung bei Gold bestimmt werden. Mit der von uns im Sommer erwarteten Korrektur beim Goldpreis sollte Silber kurzzeitig in Richtung 16,5 USD je Feinunze fallen. Begünstigt durch den erwarteten Goldpreisanstieg sollte Silber bis zum Jahresende wieder auf 18 USD je Feinunze steigen. 
Platin / Palladium
Normalerweise besteht zwischen den Preisen von Platin und Palladium aufgrund der häufig gemeinsam anfallenden Produktion und der Verwendung beider Edelmetalle in Autokatalysatoren ein enger Verbund. Nicht jedoch in diesem Jahr. Die Preise bewegen sich stattdessen ungewöhnlich häufig entgegengesetzt zueinander. Der Palladiumpreis erreichte vor wenigen Tagen mit mehr als 900 USD je Feinunze das höchste Niveau seit 16 Jahren. Davon ist Platin weit entfernt (Grafik 6).
Seit Jahresbeginn liegt Palladium 30% im Plus. Platin hat sich im selben Zeitraum dagegen nur um 3% verteuert. Die Preisdifferenz zwischen Platin und Palladium ist zwischenzeitlich auf weniger als 40 USD je Feinunze geschrumpft und war damit so niedrig wie zuletzt Anfang 2002.
Die unterschiedliche Preisentwicklung von Platin und Palladium lässt sich mit den unterschiedlichen Prognosen für die jeweiligen Marktbilanzen erklären. Der weltgrößte Platinverarbeiter Johnson Matthey erwartet 2017 zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder einen globalen Angebotsüberschuss bei Platin, welcher mit 302 Tsd. Unzen zudem recht groß ausfallen soll (Grafik 7).
Laut Metals Focus soll das globale Platinangebot die weltweite Platinnachfrage in diesem Jahr um 215 Tsd. Unzen übertreffen und die oberirdischen Lagerbestände auf ein 4-Jahreshoch von 9,1 Mio. Unzen steigen. Es gibt aber auch davon abweichende Schätzungen. Thomson Reuters GFMS und der World Platinum Investment Council WPIC erwarten im Jahr 2017 geringe Angebotsdefizite.
GFMS macht zur Größe keine genauen Angaben, der WPIC beziffert dieses auf 65 Tsd. Unzen. Bei Palladium prognostizieren dagegen alle Institutionen für das Jahr 2017 beträchtliche Angebotsdefizite. Laut Johnson Matthey soll sich dieses auf 792 Tsd. Unzen belaufen, laut Metals Focus sogar auf 1,131 Mio. Unzen (Grafik 8). Die oberirdischen Lagerbestände würden trotzdem aber noch immer bei beträchtlichen 13,9 Mio. Unzen liegen. Auch GFMS erwartet ein anhaltend hohes Angebotsdefizit.
Die Einschätzungen von Platin und Palladium unterscheiden sich vor allem in der erwarteten Nachfrageentwicklung. Die weltweite Platinnachfrage soll laut Johnson Matthey um 7,5% fallen. Die Nachfrage aus der Automobilindustrie als wichtigstes Segment soll deutlich sinken. Johnson Matthey verweist auf die schrittweise Einführung neuer Abgasnormen in Europa, welche mit einem geringeren Platinbedarf in Katalysatoren bei Diesel-PKW einhergeht.
Noch deutlich stärker - sowohl absolut als auch prozentual - soll der Rückgang bei der Investmentnachfrage zu Buche schlagen. Johnson Matthey erwartet hier ein Minus von 65%, Metals Focus und der WPIC jeweils eine Halbierung im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist dem Abflauen der in den letzten beiden Jahren sehr robusten Nachfrage nach Platinbarren seitens japanischer Investoren geschuldet. Die bislang in diesem Jahr zu beobachtenden Zuflüsse in die Platin-ETFs werden dies nicht kompensieren können.
Die Schmucknachfrage als zweitwichtigstes Segment soll Johnson Matthey und dem WPIC zufolge nochmals leicht zurückgehen. Metals Focus erwartet hier eine Stabilisierung. Der nahezu rekordhohe Preisabschlag von 340 USD von Platin zu Gold hat somit auch weiterhin keinen sichtbaren positiven Einfluss auf die Schmucknachfrage. Möglicherweise werden potenzielle Käufer von Platinschmuck dadurch sogar abgeschreckt.
Die weltweite Palladiumnachfrage soll dagegen weiter kräftig steigen. Johnson Matthey erwartet einen Anstieg um 7,6%. Wichtigster Treiber ist die Nachfrage aus der Automobilindustrie, welche ein neues Rekordniveau von gut 8,2 Mio. Unzen erreichen soll. Im Gegensatz zum Dieselmarkt haben die aktuellen Abgasnormen in Europa keine Verschärfung der Emissionsobergrenzen bei Benzin zur Folge und somit auch keine dämpfenden Auswirkungen auf den Palladiumbedarf in Katalysatoren.
Die neuen Abgasvorschriften in Europa und Nordamerika dürften laut Johnson Matthey sogar zu einem höheren Palladiumbedarf führen. Zudem soll es zu einer fortgesetzten Verdrängung von Platin durch Palladium in Diesel-Katalysatoren kommen. Die übrige Industrienachfrage soll ebenfalls zulegen, fällt wegen der geringeren Größe aber weniger stark ins Gewicht. Ein positiver Impuls soll auch von der Investmentnachfrage ausgehen, allerdings nur, weil diese nicht mehr ganz so negativ ausfallen soll wie im letzten Jahr. Die Schmucknachfrage schrumpft abermals, spielt inzwischen aber so gut wie keine Rolle mehr.
Weniger stark ausgeprägt sind die Unterschiede auf der Angebotsseite. Johnson Matthey und der WPIC prognostizieren einen Rückgang des weltweiten Platinangebots im Ausmaß von bis zu 2%, Metals Focus eine Stagnation. Alle genannten Marktbeobacher rechnen dabei mit einem Rückgang der Platinminenproduktion.
Das Recyclingangebot soll laut Johnson Matthey und WPIC ebenfalls schrumpfen. Metals Focus rechnet hier mit einem Plus. Bei Palladium erwarten sowohl Johnson Matthey als auch Metals Focus einen Anstieg des Angebots um etwa 1%. Laut Johnson Matthey steht einem Rückgang der Minenproduktion ein deutlicher Anstieg des Recyclingangebots gegenüber. Metals Focus rechnet mit einem leichten Anstieg des Minenangebots und einem nahezu unveränderten Recyclingangebot.
Die struktuellen Faktoren im Bereich der Automobilindustrie sprechen gegen Platin. Hier sind nicht nur die bereits erwähnten negativen Auswirkungen der neuen Abgasnormen in Europa sowie die anhaltende Substitution durch Palladium in Dieselkatalysatoren zu nennen. Laut einer Forsa-Umfrage würden in Deutschland zudem nur zwei von fünf Dieselfahrern künftig sicher wieder einen mit Diesel betriebenen PKW kaufen.
Die hohe Feinstaubbelastung und entsprechend drohende Fahrverbote in Innenstädten wiegen offensichtlich schwerer als der niedrigere CO2-Ausstoß, zumal die Benzinmotoren diesbezüglich aufgeholt haben. Hinzu kommt, dass die niedrigeren Ölpreise das Verkaufsargument der höheren Kraftstoffeffizienz untergraben. In Europa rutschte der Anteil der Dieselfahrzeuge an den Neuzulassungen von in der Spitze über 55% im Jahr 2011 unter 50% (Grafik 9).
Vor kurzem hat Volvo als erster namhafter Automobilhersteller angekündigt, keine neue Generation Dieselmotoren mehr entwickeln zu wollen. Diese negativen Nachrichten dürften unseres Erachtens aber bereits hinreichend im Platinpreis berücksichtigt sein. Dies zeigt sich am weiterhin hohen Preisabschlag von Platin gegenüber Gold, dem geringen Preisaufschlag von Platin gegenüber Palladium und an der pessimistischen Marktpositionierung der spekulativen Finanzanleger.
Aber auch die Nachfrageaussichten für Palladium trüben sich ein. Denn die zuletzt rückläufigen Verkaufszahlen in den beiden wichtigsten Autoabsatzmärkten USA und China deuten auf eine Abkühlung der Nachfrage hin (Grafik 10). In den USA war der Absatzboom in den letzten Jahren stark kreditgetrieben, was nun bei höherer Verschuldung und steigenden Zinsen für Gegenwind sorgt.
In China wirkt sich die Reduzierung der Steueranreize zum Kauf von Autos jetzt offenbar doch auf die Absatzzahlen aus. Der dortige Branchenverband sieht die chinesische Autoindustrie an einem kritischen Punkt angelangt, der die Wende ins Negative darstellen könnte. Die Märkte in den USA und China sind stark benzinlastig. Der Palladiumbedarf in Europa könnte zwar wegen verschärfter Abgasvorschriften und der sich abzeichnenden Verschiebung der PKW-Neuzulassungen zugunsten von Benzinern steigen.
Die Schwäche in den USA und China dürfte dies allerdings nicht ausgleichen. Zudem bleibt abzuwarten, ob sich die Substitution von Platin zu Palladium in Dieselkatalysatoren bei der inzwischen stark gesunkenen Preisdifferenz wie erwartet fortsetzt. Außerhalb der Autoindustrie gibt es kaum etwas, was eine Nachfrageschwäche abfedern könnte.
Dass die ETF-Anleger in Scharen zurückkehren, ist kaum vorstellbar, wenn sie schon beim gegenwärtigen Preisanstieg und trotz der prognostizierten hohen Angebotsdefizite auf der Verkäuferseite standen (siehe folgender Absatz). Der positive Impuls seitens der Investmentnachfrage in diesem Jahr relativiert sich dahingehend, dass dieser von geringeren Verkäufen seitens der ETF-Anleger ausgeht als im Vorjahr. Ein Zeichen von Nachfragestärke sieht anders aus.
Die spekulativen Finanzanleger setzen auf einen steigenden Palladiumpreis und gleichzeitig auf einen fallenden Platinpreis (Grafik 11). Anfang Mai bestanden bei Platin rekordhohe Netto-Short-Positionen. Bei Palladium erreichten die Netto-Long-Positionen zum selben Zeitpunkt dagegen fast wieder das Rekordniveau von September 2014.
Trotz einer Korrektur überwogen bei Platin bis zuletzt noch die Short-Positionen, während bei Palladium der Überhang an Long-Positionen beträchtlich blieb. Gänzlich anders ist dagegen das Verhalten der ETF-Anleger. Bei Platin kommt es seit Jahresbeginn zu ETF-Zuflüssen, welche im Mai noch an Dynamik gewannen. In den ersten fünf Monaten des Jahres sind auf diese Weise fast 160 Tsd. Unzen in die Platin-ETFs geflossen, davon nahezu 100 Tsd. Unzen im Mai. Die von Bloomberg erfassten ETF-Bestände erreichten Ende Mai mit 2,517 Mio. Unzen das höchste Niveau seit November 2015.
Die Palladium-ETFs hingegen verzeichnen seit Jahresbeginn beträchtliche Abflüsse. Nach 5½ Monaten belaufen sich diese auf gut 234 Tsd. Unzen. Die Bestände der von Bloomberg erfassten Palladium-ETFs fielen Anfang Juni auf weniger als 1,5 Mio. Unzen, das niedrigste Niveau seit Anfang 2010. Seit Sommer 2015 haben sie sich mehr als halbiert. Bei den Platin-ETF-Beständen beläuft sich der Rückgang in diesem Zeitraum nur auf gut 10%. Offensichtlich teilen die ETF-Anleger den Optimismus bei Palladium genauso wenig wie den Pessimismus bei Platin.
Der hohe Optimismus bei Palladium dürfte sich als übertrieben herausstellen. Die spekulativen Finanzanleger dürften ihre nahezu rekordhohen Netto-Long-Positionen zurückführen. Wir erwarten daher nach dem überzogenen Preisanstieg der letzten Wochen eine Preiskorrektur. Anschließend sollte Palladium wegen des erwarteten hohen Angebotsdefizits und des allgemein positiven Preistrends bei Edelmetallen bis zum Jahresende auf 850 USD je Feinunze steigen.
Die Wetten auf einen fallenden Platinpreis dürften mit der Korrektur bei Palladium ebenfalls rückabgewickelt werden. Dies dürfte eine Preiserholung bei Platin auslösen. Da diese von einem niedrigeren Ausgangsniveau startet und aufgrund der für Platin weniger günstigen Rahmenbedingungen senken wir unsere Jahresendprognose bei Platin auf 1.000 USD je Feinunze.
Auf einen Blick













© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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