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Energie: ISIS-Offensive erhöht geopolitische Risiken weiter

23.06.2014  |  Frank Klumpp (LBBW)

H2 2014: Kein Grund mehr zur Zuversicht

"Grund zur Zuversicht" - so hatten wir unsere Research-Flagship-Publikation für den Ausblick 2014 überschrieben. Aus Sicht des Verbrauchers galt dies in den ersten Monaten auch für den Ölpreis; der stabile Euro tat sein Übriges. Allerdings hat sich aus geopolitischer Sicht im Jahresverlauf die Lage dramatisch verschlechtert: Zunächst waren Libyen und Iran die Krisenherde Nummer 1, deren Angebotsausfälle von der OPEC und den USA aufgefangen werden konnten.

Libyen ist weit entfernt von einer Stabilisierung, und mit der Ukraine-Krise sowie der ISIS-Offensive im Irak sind neue Themen auf den geopolitischen Radarschirmen der Ölmärkte aufgetaucht. Der Ölmarkt bleibt damit angebotsgetrieben, auch wenn die Nachfrageschätzungen im Jahresverlauf etwas nach oben revidiert wurden. Die erste Reaktion des Ölpreises (rund 3 US-Dollar Preisanstieg) auf den ISIS-Terror blieb vergleichsweise moderat.

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ISIS / ISIL: Ölförderland Irak im Fokus

In der vergangenen Woche erzielte die sunnitische Extremistengruppe ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien; alternativ: ISIL: Islamischer Staat in Irak und der Levante) rasante Fortschritte im Irak. Innerhalb weniger Tage gelangte sie von der syrisch-irakischen Grenze bis vor die Tore von Bagdad. Die zweitgrößte Stadt des Landes, Mossul, ist bereits in ihrer Gewalt. Das Ziel der ISIS ist klar, der Name ist Programm: Einen islamischen Staat im Irak, Syrien und ggf. darüber hinaus zu errichten.

Die Grenzen, die nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches am Ende des Ersten Weltkriegs gezogen wurden, sind für die ISIS ohne Relevanz. In Syrien, wo man unter den Rebellen keine Verbündeten mehr hat, kontrollieren die Dschihadisten bereits weite Gebiete im Osten des Landes. Und nun der Vormarsch im Irak, ein Land, das die USA offenbar zu früh sich selbst überlassen haben. Nun stellt sich die Frage, was diese neue politische Situation für die Ölförderung im Irak und damit perspektivisch für den Ölpreis bedeutet.

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Ölförderung Irak: Vor allem im Süden

Der Irak fördert derzeit rund 3,45 Mio. Barrel pro Tag. Davon verbraucht das Land 800.000 bpd, 2,67 mbpd gehen in den Export. Der größte Teil der Ölförderanlagen befindet sich im Süden des Landes, die den Exporthafen in Basrah beliefern, wo zuletzt zwischen 2,5 und 2,6 mbpd auf die Weltmärkte gelangten. Die nördliche Exportroute Kirkuk-Ceyhan ist bereits seit Anfang März nach Terroranschlägen außer Betrieb, 250 tbpd Exportkapazitäten sind seitdem ausgefallen. Rund 250.000 bpd werden in der Autonomen Region Kurdistan gefördert - und gegen den Willen Bagdads - seit einigen Wochen über den türkischen Hafen Ceyhan exportiert.

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Exporte in Gefahr?

Der Grund für die bisher moderate Reaktion des Ölpreises auf die ISIS-Terraingewinne liegt vor allem in der beschriebenen geografischen Lage der Förderanlagen. Zum einen liegen sie weit entfernt von der jüngsten Eskalationsfront, zum anderen sind die Ölförderanlagen durch eine 30.000 Mann starke Sondereinheit geschützt. Außerdem ist nicht klar, ob die ISIS überhaupt weitere Gebietsansprüche durchsetzen möchte. Dennoch haben sich u.E. durch die Ereignisse der letzten Tage zwei Dinge verschoben: (1) Das erwartete Wachstum der irakischen Ölproduktion ist nur durch weitere Investments, auch der westlichen Ölindustrie, erreichbar.

Aufgrund der erhöhten Risiken - irakische Ölfelder werden nicht mehr als sicher eingestuft - dürften diese vorerst auf Eis gelegt werden. Das noch im Rahmen des OPEC-Meetings Anfang Juni vom irakischen Ölminister Abdul Kareem Luaibi bestätigte Jahresend-Produktionsziel von 4 mbpd rückt daher in weite Ferne. (2) Zwar besteht eine geringe Chance einer Einigung zwischen der (sunnitischen) ISIS, der Autonomen Region Kurdistan und der (schiitischen) Zentralregierung in Bagdad, dennoch ist dies ein Best-Case-Szenario, das nicht am wahrscheinlichsten sein dürfte.

Unabhängig davon, ob Bagdad in die Hände der ISIS/ISIL fällt oder nicht, dürfte der Konflikt noch längere Zeit anhalten, zumal die ISIS sowohl gut organisiert als auch gut finanziert sein dürfte.

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Iran plötzlich Verbündeter?

Wie dynamisch sich derzeit die Fronten in der arabischen Welt verschieben, zeigt die rasche Bereitschaft des iranischen Präsidenten Rohanis, im Kampf gegen den ISIS-Terror die irakische Regierung zu unterstützen und damit mit den USA zu kooperieren. Dies macht zumindest Hoffnung im Atomkonflikt der westlichen Staaten mit dem Iran, wo eine endgültige Einigung noch aussteht.

Ansonsten wird sich die USA nur sehr begrenzt einschalten: Die zuletzt geäußerten Zugeständnisse Obamas klingen mehr als verhalten. Er ist bereit, gezielte militärische Schritte vorzunehmen, der Einsatz von Bodentruppen wird hingegen kategorisch ausgeschlossen. Lediglich 300 "Militärberater" sollen in den Irak entsendet werden.


Fazit: Höhere Risiken, höhere Prämie

Das Risiko eines Produktionsausfalls im Süden Iraks ist gering, und der Irak dürfte weiterhin die heutigen Mengen exportieren können. Ursprünglich geplante Produktionssteigerungen werden jedoch unwahrscheinlich. Zudem besteht das Risiko einer weiteren Destabilisierung in Nahost, was die geopolitische Risikoprämie im Ölpreis strukturell erhöhen dürfte. Wir haben daher unsere Prognosen für die Sorte Brent um 10 US-Dollar nach oben revidiert, per 30.09. erwarten wir nun einen Preis von 115 US-Dollar. Auch die Prognosen für die US-Benchmark WTI und Gasoil haben wir entsprechend angepasst.


© Frank Klumpp, CFA
Commodity Research

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



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