Sektorüberblick: Kupfer & Co. im Krisenstrudel
06.08.2012 | Sven Streitmayer (LBBW)
Basismetall-Bilanz im Juli erneut im Minus
Die Monatsbilanz der Industriemetalle wies im Juli erneut überwiegend negative Vorzeichen auf. Mit der Ausnahme von Blei (+3%) verzeichneten sämtliche NE-Metalle in den zurückliegenden vier Wochen einen Preisrückgang in der Größenordnung von 1% (Aluminium) bis 5% (Nickel). Beherrschendes Thema an Finanz- und Metallmärkten war abermals die anhaltende Euro-Schuldenkrise. Aber auch die Wachstumsabschwächung im Reich der Mitte sorgt zunehmend für Nervosität unter den Marktakteuren. Letzteres dürfte auch der Grund sein, weshalb die besonders "chinalastigen" Basismetalle derzeit so viel schwächer sind als andere konjunkturabhängige Assets. So hat der aus den sechs in London gehandelten Metallen bestehende LMEX Index in den vergangenen 12 Monaten mehr als 25% an Wert verloren, während Öl oder Aktien (MSCI World) gerade einmal 9% bzw. 3% nachgegeben haben.
Kurzfristiger Richtungsentscheid voraus?
Aus rein charttechnischer Sicht versprechen die kommenden Wochen für Kupfer und Co. interessant zu werden. Gemessen am LMEX verlaufen auf dem aktuellen Niveau und knapp darunter zwei markante Unterstützungen, welche seit 2011 bzw. 2010 nicht mehr unterboten wurden (Abb. 2). Auf der Oberseite nähert sich indes der Abwärtstrend, wodurch eine Keilformation entsteht. Ein Ausbruch in die ein oder andere Richtung könnte demnach spürbare Folgekäufe bzw. verkäufe nach sich ziehen und der zuletzt eher erratischen Entwicklung eine klarere Richtung geben.
Konjunkturerwartung bestimmt mittelfristiges Bild
Mittel- bis langfristig hängen die Metallmarktperspektiven aber zweifellos von der weiteren Konjunkturentwicklung ab. Die Lager präsentieren sich aktuell gespalten zwischen einem erneuten Abgleiten der Weltwirtschaft in die Rezession und einer (geldpolitisch gestützten) Stabilisierung mit moderatem Wachstum. Letzteres entspricht auch unserem Hauptszenario. Die Fundamentaldaten der einzelnen Metalle unterstützen diese Sicht bislang, indem sie sich trotz Abschwächung weiter im "grünen" Bereich bewegen (Abb. 3).
Im unerwarteten Fall eines globalen Abschwungs halten wir Kupfer für besonders "absturzgefährdet", da sich das überdurchschnittlich konjunktursensible Metall bislang relativ robust gezeigt hat und es von allen LME-Werten am weitesten von den eigenen Produktionskosten entfernt notiert. Wenig Luft nach unten haben u.E. dagegen die Preise für Aluminium, Nickel und Blei.
Nickelpreis markiert tiefsten Stand seit Sommer 2009
Markt: LME-Nickel fällt auf Dreijahrestiefstand
Die seit Februar andauernde Talfahrt des Nickelpreises scheint kein Ende nehmen zu wollen. Vergangene Woche markierte das zur Edelstahlherstellung verwendete Metall ein Dreijahrestief bei rund 15.600 USD/t (LME Cash). An den Kassamärkten hat sich Nickel damit binnen 12 Monaten um fast 9.000 USD oder knapp 40% verbilligt. Ursächlich für den Preissturz sind im Großen und Ganzen dieselben Faktoren, welche auch die übrigen Industriemetallnotierungen derzeit belasten. Namentlich sind dies die in Wechselwirkung zueinander stehenden Themen Eurokrise, Finanzmarktturbulenzen, Konjunktursorgen und Nachfrageabschwächung.
Börsenbewertung von Nickel historisch günstig
Im relativen Preisgefüge der verschiedenen NE-Metalle fällt der Abschwung bei Nickel, trotz ähnlicher Treiber, gleichwohl besonders stark aus. Gemessen an der Wertentwicklung landet das Legierungsmetall in fast jedem Betrachtungszeitaum (1, 2, 3 oder 5 Jahre) auf dem hintersten Rang. Am augenscheinlichsten wird die niedrige Bewertung von Nickel im direkten Vergleich zu Kupfer (Abb. 2), bei dem das Preisverhältnis der beiden konjunktursensitiven Metalle zuletzt auf den tiefsten Stand seit Ende der 80er Jahre gefallen ist. Aber auch in Relation zu den eigenen Produktionskosten, die bei ca. 40-45% aller Hersteller über 15.000 USD/t liegen, ist Nickel aktuell sehr günstig bewertet.
Lageraufbau reflektiert erneuten Marktüberschuss
Seit der Trendwende im Herbst letzten Jahres sind die börsenregistrierten Lagerbestände von Nickel weltweit um mehr als 30.000 t bzw. 40% auf momentan knapp 115.000 t angestiegen, womit diese den Umstand reflektieren, dass der globale Nickelmarkt von einem Angebotsdefizit 2010 inzwischen wieder in eine Überschuss-Situation zurückgekehrt ist. Bezogen auf die LME-Bestände - die einzig regelmäßig erfasste und verfügbare Lagerstatistik - liegen momentan etwa 7% des Weltjahresverbrauchs von Nickel auf Halde. Die Versorgungslage ist somit weiterhin komfortabel.
Edelstahlkonjunktur auf Abschwächungskurs
Mit knapp 8,6 Mio. t verzeichnete die weltweite Edelstahlproduktion im ersten Quartal 2012 nach Angaben des International Stainless Forum (ISSF) einen Rückgang von knapp 3% ggü. dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Damit wies die mit Abstand wichtigste Nachfragedeterminante von Nickel zwar weiterhin ein hohes Niveau auf. Von Wachstumsdynamik kann jedoch kaum mehr die Rede sein.
So hat die Konjunkturabkühlung mittlerweile auch in Asien, dem weltweit wichtigsten Edelstahlanbieter, Spuren hinterlassen. Platzhirsch China hat die Produktion von rostfreien und hitzebeständigen Stählen in den ersten drei Monaten um 5% ggü. dem Vorquartal reduziert. Der Produzentenverband ISSF blieb in seinem jüngsten Statement (naturgemäß) dennoch verhalten optimistisch und bekräftigte seine Prognose eines moderaten Anstiegs der Schmelzproduktion für das laufende Jahr insgesamt.
Angebotsrisiko: Indonesiens rigide Industriepolitik
Anfang Mai sind die neuen Ausfuhrbeschränkungen Indonesiens für zahlreiche Erze und Mineralien in Kraft getreten. Mit der Einführung einer Exportsteuer von 20% für lizenzierte Minenunternehmen und Händler sowie dem erklärten Ziel eines kompletten Ausfuhrverbots für unverarbeitete Metalle ab 2014, will die Regierung des, zusammen mit Russland, weltgrößten Nickelförderers und -exporteurs die Wertschöpfung der Metallindustrie im eigenen Land forcieren.
Da die zur Aufbereitung und Weiterverarbeitung der Erze erforderliche Infrastruktur (Hüttenwerke, Raffinerien, Arbeitskräfte) in Indonesien bislang noch kaum vorhanden ist, erscheint die Planung der Behörden u.E. sehr ambitioniert und die ergriffenen Maßnahmen radikal. So sind die indonesischen Exporte von Nickelerzen zum wichtigsten Abnehmer China im Juni um rund 2 Mio. t bzw. 50% eingebrochen. Nach Angabe der Indonesian Nickel Association sei die Minenförderung des Landes als Folge der Regulierung derzeit nahezu vollständig zum Stillstand gekommen, was zu Entlassungen von über 200.000 Arbeitern geführt habe.
Fazit
Die politisch motivierten Exportrestriktionen in einem der wichtigsten Förderländer der Welt in Verbindung mit dem Einbruch der Produzentenmargen dürften das Angebotswachstum von Nickel in den kommenden Monaten deutlich beschneiden und den Marktüberschuss reduzieren. Trotz Nachfrageabschwächung rechnen wir daher weiterhin mit einer Preiserholung von LME-Nickel und halten an unserem mittelfristigen Kursziel von 20.000 USD/t zum Jahresende fest.
© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.