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Nickel: Marktausblick 2012

06.02.2012  |  Sven Streitmayer (LBBW)

Markt: Nickel beendet 2011 nahe dem 2-Jahrestief

Der Nickelpreis präsentierte sich 2011 gewohnt volatil. Nach starkem Jahresstart, in dessen Zuge die Notierung für das vorwiegend zur Edelstahlherstellung verwendete Metall bis auf über 29.000 USD/t im Hoch zugelegt hatte, begaben sich die Kurse ab dem zweiten Quartal auf eine achtmonatige, nur durch einige kurzlebige Erholungsphasen unterbrochene Talfahrt, welche schließlich Anfang Dezember bei rund 16.700 USD/t ihren Tiefpunkt fand. Der Nickelmarkt verzeichnete damit zugleich das niedrigste Preisniveau seit Ende 2009.

Ursächlich für den kräftigen Einbruch war u.E. die Kombination aus einem allgemein schwierigen Makro-umfeld (Eurokrise, Rezessionsangst) und der im Jahres-verlauf rückläufigen Wachstumsdynamik der Edelstahlbranche im Speziellen. Letzteres hat den über weite Strecken in einem Angebotsdefizit befindlichen Nickelmarkt zum Jahresende hin wieder in eine leichte Über-schuss-Situation drehen lassen. Per saldo stand für LME-Nickel 2011 ein Preisrückgang von 24% zu Buche, was nahezu identisch mit der Entwicklung der übrigen NE-Metalle (LMEX: -22%) war. Auf der Basis von Jahresdurchschnittswerten lag der Nickelpreis infolge des starken Auftakts mit rund 22.900 USD/t aber dennoch etwas über dem entsprechenden Vorjahresmittel.

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Trendwende nach starkem Handelsauftakt 2012?

Die ersten Handelswochen 2012 erwiesen sich indessen wesentlich freundlicher. Unterstützt durch positive Konjunkturmeldungen aus China und den USA sowie neuerlichen Hoffnungen auf eine Lösung der EU-Schuldenkrise hat sich an sämtlichen Industriemetallmärkten eine kräftige Gegenbewegung eingestellt, wodurch LME-Nickel zuletzt wieder die 20.000 USD-Marke nach oben durchbrochen hat. Sowohl aus markttechnischer Perspektive, wie auch in der Betrachtung des relativen Preisgefüges gegenüber anderen zyklischen Metallen wie Kupfer oder Zinn scheint der Nickelpreis noch erhebliches Aufwärtspotenzial zu haben. Dem steht gleichwohl die fundamentale Marktverfassung entgegen, die durch eine bereits begonnene Angebotsausweitung geprägt ist (siehe unten).

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Globale Nickelnachfrage verliert an Dynamik

Nachdem die weltweite Nickelnachfrage im Ausnahmejahr 2010 (+18%) einen regelrechten Boom erlebt hatte, stellte sich im vergangenen Jahr die erwartete „Normalisierung“ ein. Auf Basis vorläufiger Zahlen der International Nickel Study Group (INSG) für die ersten 11 Monate dürfte der globale Verbrauch im Gesamtjahr 2011 hoch gerechnet bei rund 1,55 Mio. t gelegen haben.

Dies entspricht einem Zuwachs von 6%, womit die Nachfragedynamik jedoch trotz Abschwächung relativ hoch geblieben ist. Entsprechend robust stellte sich auch die Lage der Edelstahlbranche als zentralem Treiber des weltweiten Nickelverbrauchs dar. Zwar ließ auch hier das Wachstumstempo im Jahresverlauf nach, nachdem noch im 1. Quartal 2011 ein neuer Rekordwert bei der Produktion von rostfreien und hitzebe-ständigen Stählen vermeldet wurde. Bis Ende September verzeichnete die aggregierte Edelstahlproduktion nach Zahlen des International Stainless Steel Forum aber noch immer ein Plus von ca. 4% ggü. dem bereits starken Vorjahreszeitraum.

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Asien/China dominiert Edelstahl- und Nickelmarkt

Mit Blick auf die regionale Verteilung der Weltmärkte für Edelstahl und Nickel ergibt sich ein inzwischen altbekanntes Bild: Fernost ist und bleibt unangefochtenes Machtzentrum und Wachstumslokomotive. In der Produktion von Edelstahl kommt Asien mittlerweile auf einen Weltmarktanteil von 66% (China: 39%), weit vor Europa (25%) sowie Nord- und Südamerika (8%).

Im Unterschied zu 2010, als sich die Erholung der Edel-stahlkonjunktur relativ gleichmäßig über die wichtigsten Regionen erstreckt hatte, fiel die Entwicklung im vergangenen Jahr sehr einseitig aus. So ging die o.g. Steigerung der Weltproduktion fast ausschließlich auf das Konto Chinas (+13%), während die EU-Staaten und Afrika (-1%), Nord- und Südamerika (-6%), aber auch Asien ex China (-2%) allesamt das hohe Vorjahresniveau nicht erreicht haben. Wenngleich sich die Produktionszahlen aus der Edelstahlbranche nicht 1:1 auf die regionale Nickelnachfrage übertragen lassen, nimmt das Reich der Mitte auch hier wieder die Vorreiterrolle ein.

Mit einem Anstieg von knapp 18% blieb China der wich-tigste Nachfragetreiber am Nickelmarkt, vor Japan (+7%) und den USA (+3%). Dies spiegelt sich auch in dem hohen Importbedarf der Volksrepublik wider, welcher 2011 um über 40% auf 180 Tsd. t zugelegt hat.

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Nachfrage-Perspektiven 2012 weiterhin solide

Für das laufende Jahr rechnen wir mit einer anhaltend robusten Produktions- und Bedarfsentwicklung im Edelstahlbereich, welche weitgehend von der hohen Dyna-mik im Reich der Mitte getrieben sein wird. In Kombination mit der - sowohl bei Nickel als auch bei Stainless - erwarteten Lageraufstockung gehen wir von einem Wachstum der globalen Nickelnachfrage von etwa 5% auf rund 1,63 Mio. t aus, womit wir uns am unteren Rand der Schätzungen befinden (INSGe: 1,67 Mio. t).


Weltweites Nickelangebot legt kräftig zu

Die Angebotsseite des Nickelmarktes ist aktuell sowohl auf der Minen-, als auch auf der Raffinerieebene durch ein kräftiges Produktionswachstum gekennzeichnet.

Nach den vorläufigen Daten der INSG und des World Bureau of Metal Statistics (WBMS) dürfte die weltweite Minenförderung 2011 um satte 15% zugelegt haben. Als Wachstumstreiber erwiesen sich hierbei insbesondere Brasilien, Indonesien und Neukaledonien.

Demgegenüber verzeichnete der Raffinerieausstoß von Nickel eine Steigerung von schätzungsweise gut 9% auf einen neuen Rekordwert von 1,58 Mio. t. Überdurchschnittlich hohe Zuwächse verbuchten im vergangenen Jahr die chinesischen Nickelproduzenten, die ihre Ausbringungsmenge (ex NPI) mit Hilfe erneuter Kapazitätserweiterungen um rund 15% auf über 190 Tsd. t erhöhen konnten. Im laufenden Jahr sollte sich das starke Angebotwachstum u.E. weiter fortsetzen, weshalb wir mit einem Anstieg der globalen Raffinerieproduktion von Nickel um etwa 8% auf 1,71 Mio. t rechnen.


Neue Großminen beginnen mit der Förderung

Nach zum Teil Jahre langer Verzögerung und einer schier endlosen Serie technischer Probleme hat 2011 gleich eine ganze Reihe prominenter Minenprojekte ungeachtet der Preisschwäche den Betrieb aufgenommen. Hierzu zählen beispielsweise die brasilianischen Ferro-Nickel-Vorkommen Barro Alto (Anglo American) und Onca Puma (Vale). Auch das viel beachtete Großprojekt Goro bzw. VNC in Neukaledonien ist nach Angaben der Betreiberfirma Vale inzwischen “zu 100% startklar“. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, da Goro, wie viele der neuen Nickelvorhaben (z.B. Ambatovy, Ravensthorpe) auf das bislang noch unausgereifte und äußerst Fehler anfällige HPAL-Verfahren (High Pressure Acid Leach) setzt, bei welchem das Metall unter hohem Druck mit Schwefelsäure aus dem Gestein gewaschen wird.

Selbst unter konservativen Annahmen sollten allein die Top 5-Minenprojekte 2012 für eine Mehrproduktion von rund 80 Tsd. t bzw. gut 4% der letztjährigen Weltproduktion sorgen und im Verbund mit der vollständigen Reaktivierung der Streik geplagten Nickelförderung in Kanada (Sudbury, Voisey’s Bay) einen signifikanten Angebotsschub auslösen. Mittelfristig haben die neuen Angebotsquellen bei einigermaßen planmäßiger Realisierung u.E. das Potenzial, den Nickelmarkt bis 2015 in einer Überschuss-Situation zu halten.

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Chinesische Nickel Pig Iron-Produktion als Wild Card Das aus lateritischen Nickelerzen gewonnene Nickel Pig Iron (NPI) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem immer wichtigeren Angebotsfaktor entwickelt und wird überwiegend von chinesischen Edelstahlproduzenten als Alternativrohstoff anstatt raffiniertem Nickel verwendet. Nach jüngsten Schätzungen des Analyse-Hauses Antaike stammte 2011 erstmals mehr als die Hälfte der gesamten Nickelproduktion Chinas aus der NPI-Herstellung. Aufgrund der hohen Preissensitivität ist die energie- und kostenintensive NPI-Produktion als eine Art Wild Card für das globale Nickelangebot zu betrachten, welche entsprechend dem herrschenden Preisniveau relativ flexibel aktiviert und wieder stillgelegt werden kann.

Dies ließ sich im vergangenen Jahr gut beobachten. So führte der Preisrutsch in der zweiten Jahreshälfte rasch zu einer Abschaltung von etwa der Hälfte der NPI-Kapazitäten in der Volksrepublik. Denn diese noch mit konventionellen Hochöfen ausgestatten Hersteller weisen Produktionskosten von derzeit durchschnittlich rund 20.000 USD/t auf, womit sie nicht mehr länger profitabel waren.

Neue Werke, die immer häufiger auch direkt bei den Edelstahlanbietern integriert sind, produzieren dagegen mit modernen Lichtbogenöfen (Electric Arc Furnace) zu wesentlich niedrigeren Kosten von rund 16.000-17.000 USD/t. Die ausgeprägte Angebotselastizität der chinesischen NPI-Produktion hat damit aber auch den umgekehrten Effekt auf die Preisbildung, da sie gewissermaßen eine natürliche Ober- bzw. Untergrenze für den Weltmarktpreis von Nickel darstellt.

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LME-Lagerbestände auf niedrigstem Stand seit 2009 Gut in das fundamentale Angebots-Nachfrage-Bild passt indes die Entwicklung der an der London Metal Exchange registrierten Lagerbestände von Nickel, welche sich im Unterschied zu allen anderen NE-Metallen (außer Zinn) erheblich reduziert haben.

Gegenüber dem Stand zum Jahresbeginn 2011 sind die Börsenbestände des Legierungsmetalls um mehr als 40 Tsd. t bzw. 30% gefallen und reflektieren damit das über weite Strecken des vergangenen Jahres bestehende Primärmarktdefizit. Zuletzt haben die Nickellager gleichwohl wieder leicht zugelegt, was aus unserer Sicht bereits die Rückkehr zu einer Überschuss-Situation ankündigt.

Mit aktuell rund 95 Tsd. t bzw. 6% einer Jahresnachfrage ist das Lager-niveau inzwischen jedoch lange nicht mehr der komfortable Angebotspuffer, wie noch in den Jahren 2009 bis 2011. Als problematisch könnte sich darüber hinaus auch die extrem ungleiche regionale Verteilung der LME-Nickelbestände (90% Europa, 10% Asien) erweisen.

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Fazit

Wenngleich der Nickelmarkt weiterhin ein robustes Nachfragewachstum und zuletzt stark rückläufige Lagerbestände aufweist, betrachten wir den Aufwärtsspielraum für die notorisch volatilen Preise des Legierungsmetalls jenseits temporärer Übertreibungen für begrenzt. Begründet ist dies in der selbst bei konservativer Abschätzung überdurchschnittlich hohen Produktionsausweitung, die aus den im vergangenen Jahr angelaufenen Minenprojekten zu erwarten ist.

In der Folge wird der globale Nickelmarkt u.E. 2012 wieder zu einem deutlichen Angebotsüberschuss in der Größenordnung von etwa 5% des Weltjahresbedarfs zurückkehren und damit auch eine erneute Trendwende bei den Lagerbeständen einleiten. Im Jahresmittel erwarten wir LME-Nickel Cash bei rund 21.400 USD/t und damit etwas unterhalb des Niveaus aus dem Vorjahr. Die Risiken für Verbraucher und Investoren liegen aus unserer Sicht in der voraussichtlich sehr breiten Preisspanne, die wir bei 17.000-27.000 USD/t sehen.


© Sven Streitmayer
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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