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Rezessionsangst schickt Kupferpreis auf Talfahrt - Prognosen gesenkt

26.09.2011  |  Sven Streitmayer (LBBW)

Markt: Kupferpreis fällt auf 12-Monatsstief

Die Ratingherabstufung der USA und der daraus resultierende Kurssturz an den internationalen Aktienmärkten sorgte Anfang August für den zweiten größeren Einbruch der Metallbörsen im laufenden Jahr. Gegenüber der Korrektur im April fiel die Bewegung gleichwohl nochmals deutlich schärfer aus. So verzeichnete der Kupferpreis in nur acht Handelstagen einen Rückgang um über 1.200 USD auf knapp 8.600 USD/t und spiegelte damit die starke Verunsicherung und Nervosität der Marktakteure wider. Zwar führte die anschließende Erholungsphase in der zweiten Augusthälfte LME-Kupfer rasch wieder über die 9.000 USD-Marke.

Doch ist auch dies inzwischen bereits wieder Makulatur, nachdem wachsende Konjunktursorgen im Verbund mit einem massiven Abfluss spekulativer Gelder in den vergangenen zwei Wochen erneut für einen rasanten Preisverfall am Kupfermarkt gesorgt haben. Mit rund 7.300 USD/t notiert das rote Metall aktuell auf dem tiefsten Stand seit einem Jahr (-20% YTD).


Verunsicherung bei Investoren und Verbrauchern

Die unübersichtliche Gemengelage bestehend aus sich eintrübenden konjunkturellen Rahmenbedingungen, erhöhten politischen Risiken im Zusammenhang mit der europäischen Staatsschuldenkrise, fragilem Finanzsektor und allgemeiner Rezessionsfurcht hat bei Investoren und Unternehmen zuletzt erhebliche Verunsicherung hervorgerufen, welche sowohl auf finanz-, als auch auf realwirtschaftlicher Ebene bereits Folgen zeigt und durchaus die Gefahr einer “sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ mit sich bringt.

Ein Beispiel hierfür sind etwa die kurzfristig agierenden Finanzinvestoren am amerikanischen Terminmarkt für Kupfer. Seit Ende Juli haben diese ihr Netto-Investitionsvolumen von rund 2,7 Mrd. USD bzw. entsprechend 280.000 t auf aktuell gut 180 Mio. USD beinahe komplett reduziert (Abb. Mitte). Auch an den physischen Kupfermärkten ist jüngst eine zunehmende Kaufzurückhaltung der Verbraucher zu beobachten, wie sich neben entsprechenden Unternehmensmeldungen (Codelco, Aurubis) an den rückläufigen LME-Lagerentnahmen ablesen lässt (Abb. rechts).

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Weltweite Kupfernachfrage wächst langsamer ...

Einen Hinweis auf eine Abschwächung der Wachstumsdynamik am Kupfermarkt lieferte der jüngste Monatsbericht der International Copper Study Group. Demzufolge legte der globale Kupferverbrauch im ersten Halbjahr 2011 nur noch um rund 1% auf 9,75 Mio. t zu und verzeichnete damit eine deutlich geringere Steigerung als noch im ersten Quartal (+2,4%). Ausschlaggebend hierfür war in erster Linie der rückläufige Bedarf Chinas (-6%), dem mit Abstand wichtigsten Kupferkonsumenten (40% des Weltverbrauchs).

Als Gründe für die ungewohnte Nachfrageschwäche der Volksrepublik lassen sich v.a. zwei Faktoren anführen: (1) die Straffung der Geldpolitik, um der hohen Inflation sowie den ausufernden Immobilienpreisen Herr zu werden und die daraus folgende Dämpfung der Wirtschaftsaktivität im metallintensiven Verarbeitenden Gewerbe. (2) die preisinduzierte Substitution von Kupferimporten durch den Abbau heimischer Lagerbestände.


... Chinas Rückkehr an die Weltmärkte erwartet

Perspektivisch stehen beide Triebfedern u.E. vor einer Trendwende oder haben diese bereits vollzogen. Angesichts nachlassenden Inflationsdrucks, bei zugleich gestiegenen Konjunkturrisiken erscheinen zumindest weitere Zinsschritte nach oben sehr unwahrscheinlich. Darüber hinaus registrierten die Weltmärkte zuletzt wieder eine erhöhte Aktivität chinesischer Importeure (Abb. oben), was in Anbetracht der günstigen absoluten, wie relativen (LME vs SHFE) Preise durchaus bereits den Wendepunkt im Lagerzyklus darstellen könnte.





Vor diesem Hintergrund rechnen wir auf Sicht der kommenden Monate mit einer wieder anziehenden Kupfernachfrage im Reich der Mitte. Demgegenüber dürften die traditionellen Industrieländer, welche im ersten Halbjahr noch zu den Nachfragetreibern gehört haben (EU: +4%, USA: +2%) mittelfristig eine Abschwächung erleiden. Japan nimmt infolge von Wiederaufbau bedingten Effekten eine Sonderrolle in unserem Szenario ein. Auch mit Blick auf das historische Nachfragemuster (Abb. Mitte) erscheint eine antizyklische Entwicklung der Volksrepublik nicht unrealistisch. Unter Berücksichtigung der Dominanz Chinas sollte der Kupferbedarf somit auch auf globaler Ebene weiterhin robust bleiben.

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Angebotsseite ist weiterhin die Achillesferse

Zwar stellt sich die Kupfernachfrage im laufenden Jahr etwas schwächer dar, als ursprünglich von uns erwartet. Gleiches gilt jedoch auch für die Angebotsseite, welche abermals von Produktionsstörungen, wie zuletzt aufgrund von Minenstreiks in Chile, Peru und Indonesien, geplagt ist. Die jüngsten ICSG-Zahlen belegen dies eindrucksvoll.

Trotz hoher Weltmarktpreise konnte die globale Kupferförderung in den ersten sechs Monaten 2011 nur um magere 1,5% auf 7,8 Mio. t zulegen. Mit Chile, Peru und den USA verzeichneten drei der vier wichtigsten Bergbaunationen sogar einen Rückgang der Minenproduktion. Die Ausweitung des Raffinerieausstoßes um rund 2,5% auf 9,6 Mio. t musste daher fast vollständig von einer erhöhten Sekundärproduktion (Recycling) getragen werden. Per saldo stand für den globalen Kupfermarkt im ersten Halbjahr 2011 somit ein Angebotsdefizit von etwa 130.000 t bzw. 1,3% des Weltverbrauchs zu Buche.

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Fazit

Nach den heftigen Turbulenzen der vergangenen Tage und einem Preiseinbruch von über 2.000 USD seit Anfang August drängt sich die Frage nach einer Neubewertung der Marktlage geradezu auf. Doch während momentan fast ausschließlich exogene Einflüsse, allen voran die Verschuldungsproblematik der Industrieländer, das Bild bestimmen, hat sich an der fundamentalen Angebots-Nachfrage-Situation von Kupfer nichts Grundlegendes getan.

So befindet sich der physische Markt nach wie vor in einem signifikanten Produktionsdefizit und wird dies u.E. auf absehbare Zeit auch beibehalten. Die aktuell vorherrschenden Rezessionsszenarien teilen wir indessen nicht, erwarten jedoch - analog zu den jüngsten Konjunkturprognosen des Internationalen Währungsfonds - eine Phase schwächeren Weltwirtschaftswachstums. Da letzteres insbesondere von den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens getragen werden dürfte (Abb. oben), sollte die Nachfrage nach Industriemetallen im Allgemeinen und Kupfer im Besonderen weiterhin robust bleiben.

Dessen ungeachtet tragen wir den verringerten Wachstumserwartungen und den jüngsten Marktverwerfungen Rechnung, indem wir unsere Preisprognosen für Q4/2011 und Q4/2012 auf 8.600 USD/t und 9.900 USD/t reduzieren, den grundsätzlich aufwärts gerichteten Preistrend aber beibehalten.

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© Sven Streitmayer
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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