Industriemetalle: Jahresausblick 2011
07.12.2010 | Sven Streitmayer (LBBW)
Rückblick 2010: Außergewöhnlich unspektakulär?:
Ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Dennoch erscheint die Metallmarktbilanz 2010 auf den ersten Blick äußerst unspektakulär. So fand die historische Preisrallye aus 2009 quasi mit dem Jahreswechsel ein abruptes Ende. Im Anschluss wurde das Handelsgeschehen an LME und Co. über weite Strecken v.a. durch die zahlreichen makroökonomischen “Baustellen“ (Startpunkt: Griechenlandkrise) und den damit einher gehenden Finanzmarktturbulenzen bestimmt. Zwar sollte dies zwischenzeitlich durchaus zu heftigen Preisbewegungen führen.
Rückblickend entpuppte sich der Sturm aus Metallmarktperspektive jedoch eher als das sprichwörtliche Rauschen im Walde. Gemessen am Gesamtmarktindex LMEX befanden sich die Metallnotierungen nach den ersten neun Monaten 2010 ungeachtet aller Schwankungen wieder auf dem Niveau vom Jahresbeginn, was in etwa unseren Erwartungen an das “Übergangsjahr 2010“ (Jahresausblick 2010 vom 11.01.2010) entsprach. Erst das Bekanntwerden des zweiten Maßnahmenpakets der US-Notenbank (Anleihenkäufe, QE2) sorgte an Finanz- wie Rohstoffmärkten für neuerlichen Preisauftrieb und gab den Ausschlag, dass die Metallindizes das laufende Jahr vermutlich doch noch mit einem moderaten Plus abschließen werden. Per Anfang Dezember liegt der LMEX rund 10% über dem Stand zum Jahresstart (Abb. 1). 
Ein wesentlich spannenderes, da klar zweigeteiltes Bild, bietet sich dagegen auf Einzelmarktebene (Abb. 2). Mit einem Preiszuwachs zwischen 15% und 45% sowie neuen Rekordhöchstständen (Kupfer, Zinn) überraschten Kupfer, Nickel und Zinn auf der Oberseite. Nahezu unverändert präsentierte sich dagegen der Aluminiumpreis, während sich die Notierungen von Blei und Zink um bis zu 20% ermäßigten. Aus unserer Sicht reflektiert die Preisentwicklung damit die unterschiedliche physische Marktlage der einzelnen NE-Metalle deutlich besser, als dies in dem breit angelegten Metallpreisaufschwung des Vorjahres der Fall war. 
Die ungleiche Lagerdynamik bestätigt dies. So verzeichneten Kupfer (-30%), Nickel (-20%) und Zinn (-40%) allesamt einen nennenswerten Rückgang der börsenregistrierten Lagerbestände, wohingegen Aluminium (-7%), Zink (+30%) und Blei (+40%) eine Stagnation oder gar einen Anstieg der Überschussbestände registrierten.
Wie erwartet hat der dynamische Konjunkturaufschwung (Welt-BIP 2010e: +4,8%) insbesondere in den Industrienationen zu einer starken Belebung der Metallnachfrage geführt. Weltweit dürfte die Basismetallnachfrage 2010 um durchschnittlich rund 10% gestiegen sein (LBBWe: von Blei +5% bis Nickel +15%).
Ausblick 2011: Solide Metallmarktperspektiven
Ungeachtet der Vielzahl langfristiger Risikofaktoren zeichnet sich aktuell zunächst einmal eine (etwas verlangsamte) Fortsetzung der robusten Konjunkturentwicklung im kommenden Jahr ab. Auf globaler Ebene rechnen wir für 2011 mit einem Wirtschaftswachstum von 4,3%, womit auch die Zeichen für die Märkte von Kupfer, Aluminium und Co. grundsätzlich weiterhin auf Wachstum stehen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir einen Anstieg der weltweiten Industriemetallnachfrage von durchschnittlich rund 5%. Im Unterschied zum laufenden Jahr, in dem China noch von den Rekordimporten aus 2009 zehren konnte und damit nur eine untergeordnete Rolle für den Weltmarkt gespielt hat, werden die Nachfrageimpulse 2011 u.E. wieder vermehrt aus dem Reich der Mitte stammen.
Auf der Angebotsseite stellt die komfortable Ertragssituation der Metallförderer zwar einen klaren Anreiz für eine anhaltende Produktionsausweitung dar. Nachdem ein Großteil der krisenbedingt stillgelegten Kapazitäten inzwischen jedoch bereits wieder auf Hochtouren läuft und Neuprojekte speziell auf der Minenebene rar gesät sind, dürfte sich das Wachstum der Metallproduktion nach dem starken Anstieg 2010 (durchschnittlich 8%) im kommenden Jahr wieder normalisieren.
Eine Ausnahme stellt hierbei Nickel dar, wo wir aufgrund der Streikbelegung in den kanadischen Vale-Minen, dem wahrscheinlichen Start lange verzögerter Neuprojekte (u.a. Goro, Onco Puma) sowie vereinzelter Reaktivierungen mit einem signifikanten Produktionsanstieg rechnen (+9%). Für die übrigen Metalle prognostizieren wir ein Angebotszuwachs i.H.v. durchschnittlich 3%. 
Unserer Einschätzung nach wird der Nachfrageanstieg das Angebotswachstum somit im kommenden Jahr auf allen Basismetallmärkten außer Nickel übersteigen. In der Folge wird sich der bestehende Angebotsüberhang bei Aluminium und Zink deutlich reduzieren (von 4% bzw. 3% einer Jahresnachfrage auf rund 1% bzw. 2%).
Im Falle des Schwermetalls Blei erwarten wir einen ausgeglichenen Markt, wohingegen Nickel von einem (streikbedingten) Marktdefizit in eine Überschuss Situation drehen dürfte. Die gravierendste Entwicklung vollzieht sich u.E. derzeit bei Kupfer, dessen unerwartet frühes Marktdefizit sich in den kommenden beiden Jahren noch weiter ausweiten wird. Unter Einbezug der verfügbaren Lagerbestände sind somit sowohl bei Kupfer, als auch bei Blei und Zinn bereits erste Knappheitsanzeichen auszumachen. Die Rückkehr der Backwardation an allen drei Märkten unterstreicht diesen Eindruck zusätzlich. Für die Metallpreise erwarten wir in unserem Basisszenario 2011 einen Anstieg von durchschnittlich 11%, bei einer Spanne von +4% bei Nickel bis zu 14% bzw. 18% bei Kupfer und Blei.
© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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