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Silber und auch Gold hauptsächlich spekulativ getrieben

04.10.2010  |  Thorsten Proettel (LBBW)

Silber führt Edelmetallsektor an

Der Silberpreis pendelte von Anfang Juli bis Ende August in der Handelsspanne zwischen 17,40 US-Dollar und 18,60 US-Dollar seitwärts und startete dann zu einer bislang nicht unterbrochenen Klettertour. Das weiße Edelmetall verteuerte sich in den vergangenen fünf Wochen um mehr als 20% auf aktuell 22 US-Dollar und notiert damit so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Auf Euro-Basis stieg der Silberpreis wegen der Wechselkursbewegung nur um rund 15%. Eine Feinunze kostet derzeit im Interbankenhandel mit 16 Euro nur etwas mehr als Mitte Mai 2010.


Fundamentale Situation kaum verändert

Der plötzlich einsetzende und dann sehr markante Anstieg des Silberpreises während der letzten Wochen kann kaum mit der fundamentalen Nachfrage erklärt werden. Der trotz konjunktureller Krisenängste vonstatten gehende Aufschwung erhöht grundsätzlich die Silbernachfrage des verarbeitenden Gewerbes. Die Importe des wichtigen Einfuhrlandes China beliefen sich im August auf 444 Tonnen. Dies entspricht rund 70 Tonnen weniger als im Juli beziehungsweise exakt dem bisherigen Durchschnittswert des Jahres 2010.

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Hauptsächlich Spekulanten aktiv

Die bislang hohen physischen Käufe von Anlegern erhielten zuletzt einen deutlichen Dämpfer. Beispielsweise wurden von der beliebten Münze “Silver Eagle“ in diesem Jahr durchschnittlich knapp 3 Millionen Stück pro Monat geprägt. Nach vorläufigen Zahlen waren es im September lediglich 1,2 Millionen Exemplare. Etwas anders sieht es bei den börsengehandelten Silberfonds mit physischer Deckung, den ETCs/ETFs aus.

Während der letzten fünf Wochen wurden rund 500 Millionen US-Dollar in die Papiere investiert und auf diesem Wege knapp 740 Tonnen Silber vom Markt genommen. Der größte Teil hiervon entfällt auf die letzten Tage. Viel stärker waren allerdings die Aktivitäten am Terminmarkt. Die Netto-Long-Position der Non-Commercials, die das Engagement der Spekulanten misst, stieg in den letzten fünf Wochen um 14.600 Kontrakte im rechnerischen Umfang von 2.260 Tonnen Silber an. Wird daneben berücksichtigt, dass auch die gekauften US-amerikanischen Silber-ETCs/ETFs häufig von institutionellen Anlegern erworben werden, dann scheinen weniger die Privatanleger, aber eher größere Adressen den Silberpreis mit Käufen angetrieben zu haben.

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Großanleger sorgen sich wegen Schuldenkrise

Mehrere Gründe könnten hinter dem plötzlichen Engagement von Banken, Hedgefonds und anderen Großanlegern stehen. Der Goldpreis hat in den letzten Wochen ebenfalls hinzugewonnen und das gelbe Edelmetall zieht das weiße oft mit. Da Silber zu heftigeren Bewegungen neigt, überrascht die relativ stärkere Wertentwicklung seit Ende August nicht. Beide Metalle dürften von der wieder aufflammenden Staatsschuldenkrise in den Peripheriestaaten der Eurozone profitiert haben (siehe Grafik rechts Mitte). Das Thema wurde beispielsweise in der deutschen Presse bislang kaum aufgegriffen und hat wahrscheinlich deswegen noch kaum Resonanz unter Kleinanlegern gefunden. Möglicherweise steigt aber der Absicherungsbedarf bei Großanlegern, die den Preis mit wenig Kapital stark bewegen können.


Shorteindeckungen könnten Preis treiben

Am Markt gibt es zudem das Gerücht, wonach US-Investmentbanken zur Deckung ihrer umfassenden Short-Positionen gezwungen seien, nachdem das Dodd-Frank-Gesetz die Eigenhandelsaktivitäten dieser Institute seit kurzem stark einschränkt. Da keine detaillierten Informationen über die Positionierung der Banken vorliegen, kann diese Behauptung nicht überprüft werden. Als relativ sicher kann jedoch angenommen werden, dass einige Händler auf dem falschen Fuss erwischt wurden und nun zur Deckung von Short-Positionen gezwungen sind. Außerdem verstärken Spekulanten mit Trendfolgeansätzen die Hausse.


Die Zeit für eine Preiskorrektur ist überreif

Da der Wirtschaftsaufschwung weiterhin intakt ist und da mehr als 50% des Silberbedarfs auf die Industrie entfallen, ist mittelfristig mit einer steigenden Nachfrage und entsprechend mit einer Unterstützung des Preisniveaus von Silber zwischen 21 und 22 US-Dollar zu rechnen. In den letzten Wochen überwog jedoch das spekulative Interesse an Silber. Ähnlich verhält es sich bei Gold. Das gelbe Metall war in den vergangenen Wochen nur unterdurchschnittlich von physischen Anlegern gefragt. Die ETC/ETF-Bestände legten seit dem Sommer-Preistief von Ende Juli lediglich um 18 Tonnen zu. Der Anstieg der Netto-Long-Position an der Terminbörse belief sich im selben Zeitraum dagegen umgerechnet auf das 11fache Volumen! Da Spekulanten in der Regel wenig loyale Investoren sind, wird eine Preiskorrektur immer wahrscheinlicher. Hierfür spricht auch die überkaufte Marktsituation. Der Relative-Stärke-Index beträgt bei Gold derzeit 81 Punkte und bei Silber 82 Punkte.

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© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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