Edelmetalle Aktuell
27.05.2010 | Wolfgang Wrzesniok-Roßbach (Heraeus)
Gold
Herausragendes Ereignis im Berichtszeitraum war der erstmalige Anstieg des Goldpreises über die Marke von 1.000 € je Unze hinweg. Am Ende erreichte das gelbe Metall einen Spitzenpreis von 1.012,50 €; dies waren immerhin rund 230 € je Unze mehr als noch zu Jahresbeginn.
Die deutschen Anleger haben sich von den hohem Kursen zu Beginn des Berichtszeitraums wenig abschrecken lassen. Edelmetallhändler und Banken berichteten in der vorletzten Woche von z.T. langen Schlangen vor den Schaltern. Die ansteigende Nachfrage traf dabei auf ein begrenztes Angebot, so dass es trotz ausgeweiteter Produktion bei Barren (und sicher auch bei Münzen) in den letzten beiden Wochen je nach Typ zu mehr oder weniger langen Wartezeiten bis zur Lieferung kam.
Erst mit Beginn dieser Woche ebbten die Käufe etwas ab, so dass es, eine weitere Beruhigung der Marktsituation vorausgesetzt, zumindest bei den gegossenen Barren (mit einer Größe von 100g bis zu 1 kg) und bei den 1-Unzen-Barren in den nächsten 1 - 2 Wochen zu einer Entspannung bei der Liefersituation kommen sollte. Bis der Auftragsstapel bei den kleineren geprägten Barren abgearbeitet ist, könnte es allerdings noch etwas länger dauern.
Es waren aber nicht nur die Barrenkäufer im deutschsprachigen Raum, welche den Goldpreis zeitweise massiv stützten. Auch bei den ETFs wurden alleine in der letzten Woche fast 20t Gold neu hinzugekauft. Inzwischen stehen die offenen Positionen bei den neun maßgeblichen Produkten dieser Art bei 60,7 Mio. Unzen (1.888 t) und damit auf dem höchsten Stand seit diese Anlageform erstmals auf den Markt gebracht wurde.
Der gestiegene Goldpreis in Euro zu Beginn des Berichtszeitraums war ja eine direkte Folge des hohen internationalen Goldpreises einerseits und des jüngsten Wertverfalls des Euros auf der anderen Seite. Während aber die Unsicherheit hinsichtlich des finanziellen Status einiger Mitgliedsländer des Euro-Raums Scharen von Anlegern in die Arme des Goldes trieben, nutzten auf der anderen Seite Inhaber von Altgold die Gunst der Stunde und machten Kasse. Dabei waren es nicht nur unsere Kollegen aus den Recyclingabteilungen in Deutschland, sondern auch jene in Asien, die über einen erneut sehr hohen Altgoldanfall berichteten, der noch bis in diese Woche hinein anhielt.
Während das Gold auf Euro-Basis den oben erwähnten Preisrekord erst in der letzten Woche erreichte, konnte das Gold in Dollar gerechnet das bereits am 14. Mai verzeichnete Allzeithoch von 1.248,50 $ je Unze im Berichtszeitraum nicht noch einmal erreichen.
Stattdessen sorgte die Flucht der internationalen Anleger aus vermeintlich risikoreicheren Anlagen (warum auch immer hierunter in der letzten Woche plötzlich auch das Gold fiel) bei dem gelben Metall, wie auch bei den anderen Edelmetallen, bei Rohstoffen und bei Aktien für kräftige Kursverluste.
Das Gold fiel in diesem Umfeld bis zum vergangenen Freitag auf 1.165 $ je Unze zurück, bevor es sich im Zuge der Probleme im spanischen Bankensektor (und da war es auf einmal doch wieder Krisenmetall) auf 1.215 $ je Unze befestigen konnte. Der weiter schwache, aber wenigstens auf niedrigem Niveau stabilisierte Euro machte das Metall auch in heimischer Währung wieder teurer, mit aktuell 980 € je Unze liegt es aber noch immer ein gutes Stück von vierstelligen Preisen entfernt.
Stellt sich die Frage, wie es in dieser jetzt eher etwas undurchsichtigen Lage mit dem gelben Metall weitergeht. Die Charts bieten derzeit keine große Hilfe, auch wenn sich der Goldpreis kurzfristig in einem Aufwärtstrend befindet, der theoretisch in nächster Zeit auch wieder Kurse von 1.230 $ bringen könnte. Auf der anderen Seite könnte es kritisch werden, wenn die Marke von 1.200 $ wieder durchbrochen wird; darunter gibt es erst wieder Unterstützung beim Tiefstkurs der vergangenen Woche.
Falls weitere finanzpolitische Hiobsbotschaften aus dem Mittelmeerraum ausbleiben, schließen wir denn auch nicht aus, dass sich der Euro in nächster Zeit erst einmal stabilisiert und die physische Goldnachfrage durch Investoren wieder etwas nachlässt. Damit würde der Goldpreis dann auch "fundamental" erst einmal unter Druck geraten. Einen über die Schwächephase der letzten Woche hinausgehenden Preisverfall dürfte es in nächster Zeit dabei gleichwohl nicht geben, dazu bleibt die internationale Lage (neben der neuen Finanzkrise siehe auch das Säbelrasseln in Korea) insgesamt einfach zu instabil.
Der hohe Goldpreis zieht auch neue Investments der Minenindustrie nach sich. Auf dem alle zwei Jahre stattfindenden Gold-Kongress in Lima/Peru, an dem in der letzten Woche zahlreiche internationale Minengesellschaften und Weiterverarbeiter teilnahmen, herrschte diesmal eine überwiegend positive Stimmung. Ein Ergebnis dessen sind Absichtserklärungen diverser Minengesellschaften, nach denen man in den nächsten Jahren in neue Förderstätten investieren wolle, um so die Goldproduktion zu erhöhen. So will Gold Fields eine neue Mine in Mali eröffnen und Newmont plant eine 3 Mrd.-Dollar-Investition in Peru. Näheres hierzu findet sich unter den Links auf Seite 4 dieses Berichts.
Während die Minen derzeit nicht wirklich klagen können, sieht es in Teilen der Schmuckindustrie, vor allem in Europa, schon anders aus. Auf der alljährlichen, wichtigen Messe im italienischen Vincenza gab es zwar durchaus einige hoffnungsvolle Stimmen, insgesamt herrscht aber weiter ein Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft dieses Sektors in Europa vor. Einige von Reuters eingefangene Stimmungen zu dem Thema finden sich ebenfalls unter den Links auf Seite 4.
Nur kleinere Meldungen gab es derweil von den Zentralbanken: In Europa haben in den vergangenen beiden Wochen zwei Notenbanken kleinere Mengen Gold, z.T. in Form von Münzen, verkauft. Die Zentralbank von Aserbaidschan gab dagegen bekannt, dass sie in jüngerer Zeit erstmals in kleinem Umfang als Käufer auf dem Goldmarkt aktiv war und dass sie plane, weitere Zuflüsse in die aktuell 22 Mrd. Dollar großen Devisenreserven in Form von Gold anzulegen.
Silber
Dem Silberpreis, der zuletzt ebenfalls deutlich zugelegt und den höchsten Preis seit Anfang 2008 erreicht hatte, ging in den letzten beiden Wochen erst einmal die Puste aus. Von den 19,75 $ je Unze vor zwei Wochen fiel das Metall im Rahmen der plötzlichen Furcht der Anleger vor vermeintlich risikoreicheren Anlagen auf 17,38 $ am vergangenen Freitag zurück. Immerhin verfehlte das Metall damit aber das bisherige Monatstief vom 5. Mai deutlich, auch wenn es im Gegensatz zum Gold in den letzten Tagen nur begrenzt wieder Boden gutmachen konnte .
Meldungen, nach denen der mexikanische Minengigant Fresnillo die Produktion bis 2018 um 71% auf 65 Mio. Unzen steigern wolle, haben zu dem Preisverfall letzte Woche sicherlich ihren Beitrag geleistet, ebenso wie die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Wirtschaftsentwicklung und damit der industriellen Nachfrage.
Die weitere Entwicklung wird stark vom Gold abhängen, zumindest charttechnisch befindet sich das Metall aber - im Gegensatz zu Platin und Palladium - noch immer in einem seit nunmehr fast sieben Quartalen andauernden Aufwärtstrend.
Die Nachfrage nach Silberbarren ist in Deutschland aktuell nicht so ausgeprägt wie 2008, allerdings reicht das Interesse trotzdem aus, um wie bei den Goldbarren für Lieferfristen zu sorgen.
Platin
Es geht nicht anders; unser Marktbericht muss einfach mit einer sprichwörtlichen Frage an Radio Eriwan beginnen: "Gehen während der alljährlichen Platinwoche in London die Platinmetallpreise immer noch oben?" Antwort: "Im Prinzip ja, aber es kann auch mal anders kommen". Und getreu dieser Antwort verlief die vergangene Woche: Während sich hunderte Vertreter von Minen, Händlern, Banken, Inverstoren, Weiterverarbeitern und industriellen Endverbrauchern in London zum Gedankenaustausch versammelten und zumindest einige von ihnen anfangs noch behaupteten, dass während dieser immer in der dritten Mai-Woche stattfindenden Veranstaltung die Platinmetallpreise am Ende noch immer nach oben gegangen seien, mussten sie alle sich von den Märkten eines Besseren belehren lassen.
Von dem schon während des letzten Berichtszeitraums erreichten höchsten Kurs seit Anfang 2008 bei 1.745,50 $ je Unze fiel das Metall nämlich zuerst langsam und dann in der vergangenen Woche immer schneller zurück. Am Ende lag die Notierung zeitweise bei nur noch 1.452 $ je Unze und damit auf dem tiefsten Stand seit Februar 2010. Der Kursverlust bedeutete ein Minus in Höhe von 17% in nur fünf Handelstagen und erinnerte schon fast an den beispiellosen Einbruch vom Herbst 2008.
Wie schon damals sahen die Endverbraucher das Absacken des Preises eher mit einem lachenden, denn einem weinenden Auge (ein solches hatten dafür die Investoren) und nutzten die niedrigeren Kurse für umfangreiche Eindeckungen ihrer zukünftigen Verbräuche. Dieses Verhalten dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass sich die Notierung am Ende auf einem Niveau rund um die Marke von 1.500 $ einpendelte.
Auch wenn wir den vorherigen, exorbitanten Anstieg des Platinpreises schon länger eher kritisch gesehen haben, halten wir den Preiseinbruch der vergangenen Woche, was seine Geschwindigkeit angeht, aber doch für übertrieben. Wir stimmen deshalb den strategischen Überlegungen jener Verbraucher durchaus zu, die bei unter 1.500 $ Termingeschäfte abgeschlossen haben.
Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass das Platin durch die jüngste Abwärtsbewegung den seit Ende 2008 andauernden Aufwärtstrend auf den langfristigen Charts deutlich durchbrochen hat und jetzt den Tiefstkurs der vergangenen Woche unbedingt verteidigen muss.
Sollte dies nicht gelingen, wäre nämlich sogar ein Rückschlag bis 1.375 $ je Unze möglich. Aus diesem Grund sollten industrielle Endverbraucher auch nicht jetzt schon ihre gesamten zukünftigen Bedarfe eindecken, sondern etwas Pulver für einen nicht ganz auszuschließenden größeren Einbruch trocken halten.
In den Diskussionen während der Platinwoche spielte vor allem die Investmentnachfrage eine herausragende Rolle. Die Teilnehmer waren sich einig, dass es vor allem dieser Bereich war, der den Platinpreis seit Dezember so deutlich nach oben getrieben hatte. Ob dies eine nachhaltige Entwicklung sein kann, darin schieden sich die Geister. So wies Johnson Matthey in seinem alljährlich Jahresbericht darauf hin, dass die Metallnachfrage für Autokatalysatoren 2009 mit einem Minus von 39% massiv eingebrochen sei. So lag es am Ende am chinesischen Schmuckmarkt (mit einem plus von 50%) und an den oben schon erwähnten Investoren, dass sich der Platinpreis überhaupt so deutlich befestigen konnte. Die Produktion in den Minen war 2009 im Vergleich zum Vorjahr nach Ansicht von JM praktisch unverändert geblieben, während das Angebot aus Recycling um fast ein Viertel abnahm.
Alles in allem sieht die fundamentale Lage beim Platin derzeit nicht mehr ganz so gut aus. Letzte Meldungen aus China sprechen so auch von einer Abkühlung der Schmucknachfrage aufgrund der hohen Preise und die jüngsten Autoverkaufszahlen waren ebenfalls nicht mehr ganz so positiv, zumindest was die Tendenz angeht. Was bleibt ist die Frage, wie sich die Investoren angesichts des Preisrückgangs der letzten Woche verhalten werden. Hier wissen wir in der nächsten Woche mehr, wenn die neuesten Bestandszahlen von der New Yorker Börse kommen.
Palladium
Das Palladium wurde in den letzten Wochen brutalstmöglich (das Wort wird uns weiter begleiten; sein Schöpfer bekanntermaßen nicht) und am Ende auch nicht ganz unerwartet auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Die Notierung des weißen Metalls fiel angesichts einer deutlichen Zurückhaltung der Industrie und vor dem Hintergrund von einsetzenden Gewinnmitnahmen durch Investoren innerhalb von nur 25 Tagen von rund 570 $ auf zeitweise nur noch 393 $ zurück, dies entsprach einem Minus in Höhe von über 30%. Angesichts dieses Prozentsatzes sind wir der Meinung, dass die vorherige, spekulative Übertreibung im Markt nunmehr weitgehend korrigiert ist und rechnen weiterhin damit, dass Kurse unter 400 $ im derzeitigen Umfeld nicht von Dauer sein sollten. Der Wiederanstieg auf jetzt 446 $ kommt deshalb nicht völlig überraschend und industrielle Endverbraucher sollten einen möglichen neuen Anlauf nach unten für weitere Eindeckungen nutzen.
Rhodium, Ruthenium, Iridium
Das Rhodium konnte sich in den letzten 12 Tagen von der negativen Entwicklung bei den Hauptmetallen nicht abkoppeln. Einzelne Verkäufe von Investoren und eine Kaufzurückhaltung durch die industriellen Endverbraucher sorgten für einen Rückgang der Notierung um 250 $ auf 2.600 $ je Unze. Auf dem aktuellen Niveau sehen wir allerdings bereits wieder Kaufinteresse, die Luft nach unten scheint deshalb begrenzt.
Die einzige wirkliche Erfolgsgeschichte im Berichtszeitraum schrieb das Iridium, dass in den letzten Tagen weiter zulegen konnte und aktuell bei 700 $ - 740 $ notiert. Die Nachfrage hält dabei auch aktuell noch weiter an.
Ruthenium liegt etwas schwächer bei 230 $ - 260 $ je Unze.
© Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
Heraeus Metallhandelsgesellschaft mbH
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