Der abgebildete Chart zeigt die langfristige Kursentwicklung des Rohöl-Futures von 2010 bis heute, bei Kursen von 87,69 USD/Barrel. Ein Notierungsstab bildet das Kursverhalten des Rohöl-Futures für jeden Monat ab.
Rohöl scheitert im ersten Anlauf an Widerstandsniveau
Ende August schaffte es der WTI Future aus der seit Dezember 2022 bestehenden richtungslosen Konsolidierung nach oben auszubrechen. Im Zuge dieses Kaufsignals legten die Kurse des schwarzen Goldes bis zum 27. September auf ein neues Bewegungshoch bei 94,17 zu. Dort befindet sich der der Widerstandsbereich, resultierend aus Marktwendepunkten aus Oktober und November 2022. Ausgehend von diesem Bereich erhöhter Abgabebereitschaft setzten sich die Bären erst einmal wieder durch.
"Pull Back" an die Ausbruchzone
Anleger und Investoren haben von Dezember 2022 bis August 2023 zugeschaut, wie der WTI Future ein ums andere Mal vom Widerstandsniveau zwischen 81 und 84 nach unten abprallte und ein Fest für die Bären zu werden drohte. Immer wieder war die Abgabebereitschaft um diese markanten und gut sichtbaren Widerstände extrem hoch.
Ist diese Abgabebereitschaft erst einmal abgearbeitet und der Widerstand überschritten, dann wird ein Kaufsignal generiert und der Markt stürmt nach oben. Viele Anleger wurden auf dem falschen Fuß erwischt und werden versuchen bei einem "Pull back" an dem Ausbruchspunkt ihre Bestände aufzustocken. Genau deshalb wird der ehemalige starke Widerstand eine ebenso starke Unterstützung.
In einer kurzen, steilen Abwärtsbewegung korrigierten die Rohölkurse bis zum 06. Oktober auf ein Bewegungstief bei 81,62. Damit wurde ein fast perfekter Rücksetzer ("Pull Back") auf die alte Widerstands- und jetzige Unterstützungszone vollzogen.
"Pull Backs" haben in der Technischen Analyse eine starke Aussagekraft, da sie als eine Art Bestätigung für Ausbrüche angesehen werden.
Korrektur im mittelfristigen Aufwärtstrend
Aus der Sichtweise des mittelfristigen Wochencharts wurde durch den Konsolidierungsausbruch Ende August ein neuer Aufwärtstrend etabliert. Der Kursabschwung der letzten Wochen bis an die alten Konsolidierungshochs hat diese Aufwärtsbewegung durch eine trendbestätigende Korrektur abgelöst. Dabei wurde als "kleiner Wehrmutstropfen" die seit Juni bestehende Aufwärtstrendlinie kurzfristig unterschritten.
Bei Kursen über 88, idealerweise bestätigt durch einen oder mehrere Schlusskurse darüber, würde sich der übergeordnete Aufwärtstrend wieder durchsetzen. Ein erneuter Test des Widerstandsbereiches um 94 wäre dann wahrscheinlich.
WTI Future mit saisonalem Marktwendepunkt Mitte Oktober
Aufgrund historischer Erfahrungswerte lassen sich für Aktien, Indizes und Rohstoffe statistische Durchschnittswerte berechnen.
Im langfristigen saisonalen Vergleich gehört der Zeitraum von Mitte Oktober bis Mitte Dezember statistisch zu den eher schlechten Performern. In den vergangenen 20 Jahren konnten in der Kursentwicklung des Rohöls in diesem Zeitraum überwiegend Kursverluste beobachtet werden. Selbst in „guten“ Zeiten war der Zuwachs weit geringer, als das Minus in „schlechten“ Jahren.
Jedoch muss weiterhin deutlich erwähnt werden, dass die Korrelation der Kursbewegungen des WTI Futures mit den typischen saisonalen Mustern bis dato in diesem Jahr kleiner war als üblich.
Fazit:
Aus der Perspektive des langfristigen Monatscharts hat sich das Chartbild des Rohöl Futures seit Ende August deutlich verbessert. Bei Kursen über dem Septemberhoch und somit über dem Widerstandsbereich zwischen 92 und 95 ließe sich mittels Kurszielprojektion aus der vergangenen Konsolidierung weiteres Aufwärtspotential in Richtung 100 und knapp darüber ableiten.
Für dieses bullische Szenario sollte der WTI Future idealtypischerweise in den nächsten Wochen nicht mehr wesentlich unter 77 fallen. Ansonsten droht, aufgrund der verpassten Chance der Bullen und der eher nachteiligen Saisonalität bis Mitte Dezember, ein weiteres Absinken in Richtung 70.
Aus der Sichtweise des mittelfristigen Wochencharts befindet sich Rohöl aufgrund des Konsolidierungsausbruches der letzten Wochen wieder in einem etablierten Aufwärtstrend. Bei der aktuellen Abwärtsbewegung handelt es sich derzeit lediglich um eine Korrektur im bestehenden mittelfristigen Aufwärtstrend.
Bei Kursen über 88 wäre diese Gegenbewegung beendet und der übergeordnete Aufwärtstrend würde sich wieder durchsetzen. Ein erneuter Angriff der Bullen auf den Bereich erhöhter Abgabebereitschaft zwischen 92 und 95 wäre in den nächsten Wochen anzunehmen. Lediglich die kommende Saisonalität trübt die mittelfristigen positiven Aussichten etwas ein. Aufgrund der eher schwachen Kalendereffekte scheint ein Überschreiten dieser Widerstände in den nächsten Wochen eher unwahrscheinlich.
© Björn Heidkamp
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