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US-Shale-Blase platzt - Stunde der Wahrheit rückt näher

03.02.2015 | 7:00 Uhr | Pfauntsch, Uli, CompanyMaker
700-Billionen-$-Derivate-Bombe bedroht Finanzsystem. Historische Kaufgelegenheiten und neuer Boom-Zyklus.

Seit Sommer sind die Ölpreise um mehr als die Hälfte gesunken. Das wird die Welt verändern - und zwar mehr als alles andere. Wohlstand und Macht werden neu verteilt. Mit dem neuen Ölzeitalter wird nichts mehr so sein, wie es war.


US-Ölindustrie: Abwärtsspirale vor Beschleunigung!

Jede Phase einer ultralockeren Geldpolitik durch die US-Notenbank, endete bislang im Platzen einer Blase: Ob Asienkrise (1997), Internetblase (2000) oder die Subprime-Blase in 2008/2009, die mit der Pleite von Lehman Brothers das gesamte Banken- und Finanzsystem an den Rand des Abgrunds brachte. Nach der Immobilienblase entdeckte die Wallstreet den Energiesektor als Einnahmequelle. Warnungen wurden ignoriert, stattdessen feierten sich die USA als neue Öl-Supermacht. Alles, was zum exzessiven Wahn wird, endet böse. Und der US-Shale-Boom war ein exzessiver Wahn.

Die Nullzins-Politik der Fed über die letzten sechs Jahre, verleitete Investoren aus aller Welt zu Risiken, die sie unter normalen Umständen vermutlich nie eingegangen wären. In Wahrheit war der so genannte Shale-Boom ein Kredit-Boom. Seit Anfang 2010, haben US-Energieunternehmen rund 550 Milliarden Dollar an neuen Bonds und Darlehen aufgenommen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Wallstreet-Banker konnten sich hunderte Shale-Produzenten ohne jede Sicherheit am Junk-Bond-Markt verschulden. Und das traumhaften Konditionen, die selbst Unternehmen mit höchster Bonität (AAA) noch vor der Finanzkrise zahlten.

Aufgebaut war das System auf langfristigen Ölpreisen von 100 Dollar pro Barrel und stetigem Produktionswachstum. Jetzt ist das Spiel vorbei. Der Ölpreis-Schock droht das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen - mit weitreichenden Folgen für das US-Bankensystem und die US-Wirtschaft.


Job-Abbau beschleunigt sich

Die ersten "Opfer" zeigen sich in der Anzahl der Bohrtürme (Rigs). In den letzten 60 Tagen fiel der so genannte "Rig-Count" und 250 Rigs oder circa 15 Prozent auf aktuell 1.672. Das ist der stärkste Wegfall von Bohrtürmen seit 2009. Noch nicht einmal zwei Monate nach der verhängnisvollen Opec-Sitzung am 27. November, gibt es so gut wie kein Ölunternehmen, das noch keine drastischen Kosteneinsparungen angekündigt hat.

Die großen Ölservice-Unternehmen Baker Hughes und Halliburton fusionierten, weil sie offensichtlich bezweifeln, eigenständig überleben zu können. Beide Unternehmen wollen tausende Jobs abbauen. Auch Schlumberger, das weltgrößte Ölservice-Unternehmen, meldete zuletzt den Abbau von 9.000 Stellen (7,1 Prozent der Belegschaft). Suncor Energy, der größte kanadische Ölsandproduzent, meldete die Einstellung neuer Projekte und die Streichung von 1.000 Jobs. Das Unternehmen U.S. Steel, das Stahlrohre für die Ölfelder der Fracking-Industrie herstellt, plant die Entlassung von 600 Arbeitern.

Continental Resources, der größte Player im Bakken, kürzt das Budget für 2015 um 41 Prozent auf 2,7 Milliarden Dollar. Range Resources, der dominierende Gas-Explorer im Marcellus Shale, kürzt die Ausgaben um 33 Prozent auf 870 Millionen Dollar. Auch Majors wie Conoco Phillips oder BHP Billiton, haben beschlossen, deutlich weniger in US-Projekte zu investieren. Selbst der französische Ölkonzern Total meldete inzwischen eine Kürzung des Budges um 3 Milliarden Dollar, hauptsächlich in der Nordsee und für kanadische Ölsand-Projekte.


Auswirkung auf US-Konjunktur

Insgesamt gibt es in den USA mehr als 20.000 Firmen, die in den letzten Jahren zur "Energierevolution" beigetragen haben. Diese produzieren rund 75 Prozent der US-Öl- und Gasförderung. Öffentlich bekannt werden aber nur die Entlassungen der großen Unternehmen. Wie viele Jobs ohne großes öffentliches Aufsehen verloren gehen, wird sich erst noch zeigen. Fakt ist, dass der Energiesektor einen bedeutenden Anteil am Aufschwung der US-Wirtschaft hatte. Seit Mitte 2009 stieg die Anzahl der Beschäftigten um 50 Prozent auf über 779.000 (per Oktober 2014). Das Manhattan Institut schätzt die Zahl aller Jobs in Verbindung mit der Öl- und Gasindustrie, mit rund 10 Millionen auf ein Vielfaches.

Wie das Wallstreet Journal berichtet, zahlt die Ölindustrie ihren Arbeitern durchschnittlich 1.700 Dollar pro Woche - das ist das Doppelte von dem, was in anderen Sektoren verdient wird. US-Banken sitzen nicht nur auf erheblichen Krediten der Ölunternehmen selbst. Sie haben den gut bezahlten Öl-Arbeitern auch Häuser, Autos und Kreditkarten finanziert. Fallen die Jobs weg, können auch diese Kredite nicht mehr bedient werden.

Beim letzten großen Angriff der Saudis auf die US-Ölindustrie in den 80er Jahren, gingen in Texas hunderte Banken bankrott. Hauptsächlich deshalb, weil es infolge der vielen Job-Verluste zu einer Immobilienkrise kam. In den kommenden Quartalen könnten einige Regionalbanken in den USA in ernsthafte Schwierigkeiten kommen - was wiederum Turbulenzen im gesamten Finanzsektor auslösen dürfte.


"Stunde der Wahrheit" im April 2015

Die Liste an Negativ-Meldungen, die von Tag zu Tag länger wird, dürfte für die US-Ölindustrie erst der Anfang sein. Im Kalender dick angestrichen haben sich Öl- und Gasunternehmen den Monat April. Dann werden die Kreditgeber eine Neubewertung der Kreditsicherheiten durchführen. Das Problem: Als Sicherheiten dienen in der Regel kommerziell förderbare Reserven. Bei Ölpreisen von 100 Dollar ließen sich die Kreditlinien noch rechtfertigen.

Doch bei Ölpreisen, die weit unter den Break-Even-Kosten liegen, sind die Sicherheiten in Form von Reserven nichts wert. Die Kreditlinien werden üblicherweise in jedem Frühjahr neu festgesetzt und funktionieren wie Kreditkarten. Um die Kredite abzulösen, haben die Unternehmen in der Vergangenheit neue Bonds ausgegeben oder Assets verkauft. Aufgrund der Tatsache, dass Öl-Assets dramatisch an Wert verloren haben, befinden sich die Unternehmen in einer fast ausweglosen Lage. Wenn Banken die Kreditlinien streichen, muss irgendwo anders Kapital beschafft werden. Doch neues Kapital von Investoren gibt es nur zu horrenden Zinsen, wenn überhaupt.


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