Sojabohnen: Markt nicht zu bremsen oder doch?
04.07.2008 | Marc Nitzsche
Anfang März dieses Jahres hatte es bereits den Anschein, als habe die seit Ende 2006 laufende Sojabohnen-Hausse ihr Ende gefunden. Im "Schlepptau" der ersten US-Anbauflächen-Schätzungen brache die Kurse von über 1.500 auf rund 1.100 US-Cents pro Scheffel ein. Umso erstaunlicher war da natürlich die bemerkenswert dynamische Erholung im Anschluss. Dennoch: Wie bei Weizen gesehen endet jeder Bullenmarkt irgendwann. Und bei Sojabohnen dürfte das bald soweit sein.
Anbaufläche deutlich über Vorjahr
Immerhin gab das US-Landwirtschaftsministerium am Montag bekannt, dass im Herbst 72,12 Millionen Acres des Getreides auf die Aberntung warten. Dies sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig liegt der Wert etwa drei Prozent über den ersten Flächenschätzungen. Anders als beispielsweise bei Mais haben die Überschwemmungen im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten offenbar die Aussaat nur marginal beeinträchtigt.
Anstieg der Endbestände erwartet
Dennoch haben die Fluten natürlich negative Auswirkungen. Gegenwärtig befinden sich lediglich 58 Prozent der Pflanzen in einem guten bis ausgezeichneten Zustand. Im Vorjahr waren es zur Jahresmitte 68 Prozent. Nicht zuletzt deshalb reduzierten die US-Behörden auch vor gut zwei Wochen ihre Prognosen bezüglich der Endbestände. Erwartete man bis dahin noch 185 Millionen Scheffel, sehen die Experten nunmehr auf Grund der durch die Wassermassen verursachten Schäden nur noch 175 Millionen Scheffel. Das viel beachtete Ending Stock to Use Ratio wird mit sechs Prozent geschätzt. Damit ist dieses im historischen Vergleich zwar immer noch relativ niedrig. Gegenüber der vorherigen Saison zeigt sich aber eine signifikante Entspannung. Immerhin liegt das Verhältnis zwischen Endbeständen und Verbrauch im noch wenige Wochen laufenden Wirtschaftsjahr 2007/98 bei mageren vier Prozent.
Drohender Angebotsüberhang wegen schleppendem Export
Der Anstieg der Lagerbestände ist das Resultat eines aller Voraussicht nach bestehenden Angebotsüberhangs. Angesichts der deutlichen Flächenausweitungen in Übersee rechnet das US-Landwirtschaftsministerium mit Erträgen von 3,11 Milliarden Scheffeln. Der Verbrauch hingegen soll nur leicht von 3,04 auf 3,06 Milliarden Scheffel zunehmen, was nicht zuletzt an dem stagnierenden bzw. sogar leicht rückläufigen Export liegt. Offensichtlich ist den Chinesen die Lust auf amerikanische Sojabohnen bei den aktuellen Preisen doch langsam aber sicher vergangen. Bislang liegen die Ausfuhren gut ein Prozent unter ihrem Vorjahreswert.
Output-Schätzungen möglicherweise zu gering
Zu bedenken ist ferner, dass die Ernteschätzungen zum jetzigen Zeitpunkt häufig zu vorsichtig ausfallen. In den vergangenen Jahren konnte man mehr als einmal beobachten, dass die tatsächlichen Erträge erkennbar über den Prognosen des Frühsommers lagen. Ungeachtet des nur mäßig guten Zustands der Pflanzen gehen wir davon aus, dass es dieses Mal ähnlich laufen wird. Immerhin gelten Sojabohnen als ein überaus robustes Getreide, das ungünstigen Wetterverhältnissen für gewöhnlich in beeindruckender Art und Weise trotzt. Wir würden uns daher nicht wundern, wenn die schlussendlich eingefahrene Ernte über den jetzt prophezeiten 3,11 Milliarden Scheffeln liegt. Sollte es dazu kommen, werden die Notierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit unter verstärkten Abgabedruck geraten.
Hohe Erträge in Südamerika
Denn auch in den bedeutenden südamerikanischen Anbauländern Brasilien und Argentinien wächst aktuell eine überaus üppige Ernte heran. Szenekenner erwarten, dass der Output mindestens vier Prozent über dem Niveau der letzten Saison liegen wird, vor allem weil der Streik in Argentinien doch keine so großen Auswirkungen haben dürfte wie zunächst angenommen. Deshalb erwartet man auch auf globaler Ebene eine Zunahme der Lagerbestände um rund 50 Millionen Tonnen. Das Ending Stock to Use Ratio wird bei vergleichsweise komfortablen 21 Prozent gesehen.
Kursrückgänge wohl nur eine Frage der Zeit
Alles in allem kann daher festgehalten werden, dass die fundamentalen Aussichten für Sojabohnen alles andere als "bullisch" sind. Zwar wäre es sicherlich übertrieben, von einer bevorstehenden Sojabohnen-Schwemme zu sprechen. In jedem Fall aber spiegeln die derzeitig sehr hohen Kurse die tatsächliche Situation nur unzulänglich wider und legen die Vermutung nahe, dass ein hoher spekulativer Faktor im Markt ist. Von daher dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, wann die Kurse den Rückwärtsgang einlegen.
Technisch noch außerordentlich "buhlisch"
Technisch orientierte Händler sollten nichtsdestotrotz zur Stunde Short-Positionen noch meiden, wie der Teufel das Weihwasser: Unlängst konnte der Juni-Future ein neues Hoch markieren und dabei die Widerstandsmarke bei 1.600 US-Cents nach oben durchbrechen. Dadurch sind sämtliche Aufwärtstrends intakt. Konsequenterweise generieren sowohl der MACD als auch die Stochastik ein Kaufsignal und auch der RSI befindet sich im bullischen Bereich. Wer auf Grund der fundamentalen Situation und der Saisonalität mit Short-Positionen liebäugelt, sollte in jedem Fall abwarten, bis die jetzt als Unterstützung fungierende Marke bei 1.600 US-Cents unterschritten wird. Besser wäre es sogar, auf einen Bruch des nächsten Supports bei 1.530 US-Cents zu warten. Erst dann könnte nämlich ansatzweise von einer echten Trendwende gesprochen werden. Dadurch verpassen Sie zwar den Beginn der möglichen Abwärtsbewegung, stellen sich aber nicht derart aggressiv gegen die vorherrschende Bewegung als wenn Sie jetzt sofort short gehen würde. Dies hätte in gewisser Weise etwas von Harakiri-Trading, weil zumindest nicht auszuschließen ist, dass die Fonds den Markt weiter hochziehen.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de