Rohöl: WTI-Future mit ersten Ermüdungsanzeichen
29.04.2019 | Björn Heidkamp (Kagels Trading)
Der abgebildete Chart zeigt die langfristige Kursentwicklung des Rohöl-Futures von 2004 bis heute, bei Kursen von 63,30 USD/Barrel. Ein Notierungsstab bildet das Kursverhalten des Rohöl Futures für jeden Monat ab.
Anfang Oktober 2018 erreichte der Rohöl-Future ein mehrjähriges Hoch bei 76,90. Von dort brachen die Kurse des schwarzen Goldes bis Dezember um über 40% auf 42,36 ein.
Ende Dezember drehten die Preise erneut und setzten zu einer Erholungsrally an. In der abgelaufenen Woche erreichte dieser Aufwärtsimpuls bis dato das aktuelle Hoch bei 66,60.
Langfristiges Chartbild verbessert sich
Im Zuge der Aufwärtsbewegung dieses Jahres wurden viele wichtige Widerstandsbereiche klar überschritten. Die Kurse erholten sich über das große 61,8%ige Fibonacci-Korrektur-Niveau auf die starke Abwärtsbewegung des letzten Quartals aus 2018.
Viele Chancen zur Wiederaufnahme des langfristigen Abwärtstrends konnten von den Bären nicht genutzt werden, so dass der Anstieg nicht mehr nur als Gegenbewegung im Abwärtstrend zu werten ist.
Mittelfristig stark verbrauchtes Momentum
Aus der Perspektive des mittelfristigen Wochencharts befindet sich der WTI-Future in einem klaren Aufwärtstrend. Mit einem Anstieg von über 57% seit Weihnachten 2018 verschlechtert sich jedoch das Chance-Risiko-Verhältnis für die Bullen. Viele Long-Investoren sind nach einer solchen erschöpften Aufwärtsbewegung schneller bereit aufgelaufene Gewinne zu realisieren oder ihre Gewinnrealisierungsstops zu nähern. Dadurch sind die Kurse idealtypisch anfällig für einen Rücksetzer.
Negative Candlestick-Formation
In diesem Zusammenhang wurde in der abgelaufenen Woche eine negative Candlestick-Formation in Form des "Bearish Engulfing Pattern" ausgebildet. Diese soll eine Trendumkehr voraussagen und tritt nur dann auf, wenn sich der Markt in einem erkennbaren Aufwärtstrend in der entsprechenden Zeitzone befindet.
Divergenzen auf dem Tageschart
In den vergangenen Tagen haben sich außerdem zahlreiche Divergenzen gebildet. Als Divergenz bezeichnet man eine Situation, in der ein Indikator eine tatsächliche Kursbewegung nicht mehr mitmacht. Im Normalfall erreichen Kurs und Indikator gleichzeitig neue Höchststände.
Divergenzen sind allerdings nur als Warnzeichen zu interpretieren und eignen sich schwer in der Einzelbetrachtung zum Timing von Korrekturen. Beispielsweise könnten sich diese durch längere Seitwärtsphasen abbauen oder durch einen neuen Aufschwung entkräftet/geheilt werden.
Fazit:
Durch den Kursanstieg seit Weihnachten hat sich das langfristige Chartbild des Monatscharts verbessert. Anhand der Stärke der Bewegung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um mehr als nur eine Erholung im Abwärtstrend handelt.
Aus der Sichtweise des mittelfristigen Wochencharts befindet sich der WTI-Future in einem eindeutigen Aufwärtstrend. Aufgrund des verbrauchten Momentums der letzten Monate steigt die Gefahr eines Rücksetzers. In diesem Zusammenhang nehmen die technischen Warnhinweise, wie z.B. die angegebenen Divergenzen und die Candlestick-Formation, sowie die traditionell saisonal eher schwächeren ersten Tage des Mais zu.
Insbesondere bei Kursen unter 60 ist ein weiteres Absinken der Kurse bis 54,50 möglich, ohne die seit Weihnachten bestehende Aufwärtsbewegung zu gefährden. Für eine idealtypische langfristige untere Umkehrformation wäre eine Korrektur durchaus sinnvoll. Bei diesem Szenario würde eine weitere Überhitzung vermieden werden und die Bullen könnten für einen weiteren Aufwärtsschub Kraft sammeln.
Erst Kurse unter 49,60 würden die Möglichkeit auf eine, durch den Kursaufschwung seit Ende Dezember eingeleitete, langfristige Trendwende zerstören. Als Konsequenz wären weiter fallende Kurse bis 45 wahrscheinlich.
Bei Kursen über 67 ist der nächsthöhere starke Widerstandsbereich ist zwischen 70 und 77 zu definieren.
© Björn Heidkamp
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