EU-Zuckermarkt: Zuckersüße Preise vor Quotenende
15.12.2016 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Der Zuckerpreis in der EU steigt weiter. Für den Preisanstieg ist inzwischen weniger die interne Produktion verantwortlich als die im Vergleich zum Vorjahr höheren Weltmarktpreise und die niedrigen Importe. Auf höhere Importe war gesetzt worden, um trotz der mit der Zuckermarktreform 2006 verbundenen geringeren Binnenproduktion eine ausreichende Versorgung des EU-Marktes sicherzustellen.
Mit dem Quotenende stehen die Zeichen für die EU auf einen moderaten Produktionszuwachs innerhalb der Union und die Rückkehr zum Status eines Nettoexporteurs.
Der EU-Zuckerpreis arbeitet sich langsam aus seiner Talsohle heraus. Dabei lässt sich die jüngste Preisentwicklung aus den veröffentlichten Daten der EU-Kommission noch nicht einmal nachvollziehen, da die Preisdaten mit einer Verzögerung von drei Monaten veröffentlicht werden. Demnach kostete eine Tonne Weißzucker auf dem EU-Markt im September durchschnittlich 450 Euro (Grafik 1).
Immer wieder wird aber von aktuellen Spotpreisen von rund 600 Euro je Tonne berichtet. Dies wäre ein Anstieg um über 40% im Vergleich mit der Talsohle in der ersten Jahreshälfte 2015, wenn auch noch deutlich unter den Höhen der Jahre 2012 und 2013.
Anfänglich war für den Preisauftrieb die niedrige EU-Zuckerproduktion 2015/16 von nur knapp 15 Mio. Tonnen verantwortlich, die gemeinsam mit hinter den Erwartungen zurückbleibenden Importen das Angebot in der EU verknappte. Nun erholt sich zwar in der laufenden Kampagne die Produktion, die aktuelle Schätzung der EU-Kommission liegt mit 16,7 Mio. Tonnen aber noch immer unter dem Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre.
Auch die Importe aus den über Präferenzabkommen mit der EU verbundenen Entwicklungsländern (AKP-Staaten und 49 Länder der "Everything-But-Arms"-Initiative), die zollfrei in die Union liefern dürfen, bleiben noch deutlich hinter dem Vorjahr zurück. Schon damals waren die Importe niedriger als ein weiteres Jahr zuvor. Bis zu den jüngsten Daten der EU-Kommission hat sich die Schere zum Vorjahr immer weiter geöffnet. Entsprechend wurden in der Saison 2015/16 nur 1,6 Mio. Tonnen Zucker aus dieser Ländergruppe eingeführt.
Um dies abzufedern wurden andere zollreduzierte Quoten stärker als in anderen Jahren genutzt: Die sogenannte CXL-Quote, unter der Brasilien, Kuba und einige andere Staaten insgesamt 660 Tsd. Tonnen zu einem auf 98 Euro je Tonne reduzierten Zollsatz in die EU einführen dürfen, wurde 2015/16 fast vollständig genutzt. Dasselbe gilt für die - allerdings nur knapp ein Drittel so hohe - sogenannte Balkan-Quote.
Daneben gibt es noch weitere zollreduzierte Zuckerimportquoten, die aber im Umfang noch kleiner sind (etwa für Mittelamerika, Kolumbien und Peru). Die gesamten EU-Zuckerimporte lagen 2015/16 mit zwar etwa gleichauf mit denen 2014/15, aber deutlich unter 2013/14 (Grafik 2).
Für die niedrigeren Lieferungen von Zucker in die EU durch Drittländer sind auch die Vorgänge am Zuckerweltmarkt verantwortlich. Denn global hat 2015/16 die Produktion nicht ausgereicht, um den Verbrauch zu decken. Dies gilt auch für die laufende Saison 2016/17. Zwar wurden die Defizitschätzungen zuletzt wieder reduziert, doch liegt die aktuelle Schätzung der Internationalen Zuckerorganisation ISO noch immer bei 6,2 Mio. Tonnen. Allerdings sieht die ISO Licht am Horizont. Normale Witterung vorausgesetzt, könnte ihrer Ansicht nach die Defizitphase 2017/18 enden und der Markt in etwa ausgeglichen sein.
Der Zuckerhändler Sucden erwartet sogar einen Überschuss von 1 Mio. Tonnen, auch F.O. Licht spricht von einem kleinen Überschuss (Grafik 3). Die Aussicht auf ein Ende der Defizitphase hat die Weltmarktpreise bereits wieder sinken lassen und wir erwarten nicht, dass 2017 nochmals Preise wie im Herbst bis 24 US-Cents je Pfund realisiert werden.
Zwar halten wir in der ersten Jahreshälfte eine leichte Erholung für wahrscheinlich, prognostizieren aber für das vierte Quartal 2017 einen Rohzuckerpreis von 19 US-Cents je Pfund. Der Weltmarktpreis für Weißzucker an der Börse in London ist inzwischen ebenfalls wieder von über 600 USD je Tonne (550 EUR je Tonne) im Herbst auf jetzt 510 USD je Tonne (480 EUR je Tonne) gesunken.
In der EU läuft die seit Jahrzehnten bestehende, immer wieder veränderte Quotenregelung bei der Zuckererzeugung im September 2017 und damit zum Ende des laufenden Zuckerjahres 2016/17 aus. Die noch gültige Quotenproduktion in der EU beträgt rund 13,5 Mio. Tonnen. Darüber hinausgehende Mengen mussten bisher entweder auf die nächste Saison übertragen oder als Industriezucker verwertet werden. Diese Beschränkungen fallen nun fort.
Das heißt aber nicht, dass es danach keine Eingriffe in den Markt mehr geben wird. Insbesondere die Außenhandelsregelungen bleiben bestehen. Dennoch wird der Preiszusammenhang zwischen dem EU- und dem weltweiten Zuckermarkt enger werden. Für die mittelfristige Preisperspektive in der EU bedeutet der jüngste Rückgang der Weltmarktpreise daher einen Dämpfer.
Entsprechend hat auch die EU-Kommission auf ihrer letzte Woche in Brüssel stattfindenden Prognosekonferenz verdeutlicht, dass der Auftrieb des EU-Zuckerpreises aus ihrer Sicht nicht dauerhaft sein wird. Vielmehr rechnet sie damit, dass der EU-interne Zuckerpreis über die nächsten beiden Jahre auf 400 EUR je Tonne sinkt und dort über den Prognosehorizont bis 2026 verharrt (Grafik 4).
Für den Weißzucker-Weltmarktpreis wird dabei ein wieder niedrigeres Niveau von 350 EUR je Tonne über den Großteil des Prognosehorizonts unterstellt. Aufgrund des bestehen bleibenden, durch Importzölle und zollreduzierte Quoten gekennzeichneten Außenhandelsregimes bleibt eine Differenz zwischen dem EU- und dem Weltmarktpreis bestehen.
Als wichtiger Aspekt für die künftig wieder niedriger unterstellten Preise auf dem Weltmarkt wird von der Kommission eine von ihr erwartete weitere deutliche Abwertung des Brasilianischen Real herausgestellt. Diese soll zu einem nochmaligen starken Anstieg der Zuckerpreise innerhalb Brasiliens führen - mit entsprechenden Anreizen für eine Produktionsausdehnung in diesem weltgrößten Produzentenland.
In der kommenden Saison, also der ersten nach Quotenende, soll die EU-Zuckerproduktion laut EU-Kommission gegenüber dem 5-Jahresdurchschnitt um 11% auf rund 19,5 Mio. Tonnen steigen. Mit einem Anstieg in dieser Größenordnung rechnen auch viele andere Beobachter. 2018/19 soll die Produktion laut EU-Kommission angesichts sinkender Preise aber - zunächst sehr leicht - rückläufig sein und sich ab 2019/20 auf einem gegenüber dem 5-Jahresdurchschnitt nur 6% erhöhten Niveau einpendeln (Grafik 5).
Bei dem prognostizierten Zuckerpreis soll es der meist aus Mais hergestellten Isoglukose, die vor allem in der Getränkeindustrie Verwendung findet, nicht gelingen, ihren Marktanteil von heute rund 4% auf über 9% am Konsum von Süßungsmitteln hinaus auszudehnen. Damit ist die Kommission nun kritischer als im Vorjahr, als sie mittelfristig einen Marktanteil von 11% prognostizierte. Allerdings soll die Produktion nach dem Ende der zeitgleich mit der Zuckerquote fallenden Isoglukosequote auf 1,9 Mio. Tonnen steigen. Bisher beträgt die Produktion quotenbedingt nur rund 720 Tsd. Tonnen.
Die Verwendung von Zucker zur Produktion von Ethanol wird wohl durch eine nur wenig dynamische Nachfrage begrenzt. Auch die Kommission schließt sich der vielfach geäußerten Erwartung an, dass die Zuckerimporte in die EU bei der Annäherung der EU- und Weltmarktpreise künftig wenig attraktiv und insbesondere die nicht zollbefreiten Einfuhren rückläufig sein werden.
Auf der Exportseite dagegen wird mit einem Anstieg um über 2 Mio. Tonnen gerechnet, da mit der Zuckerquote auch die Exportbeschränkung im Rahmen der WTO fällt. Diese beschränkt bisher die EU-Zuckerausfuhren auf jährlich knapp 1,4 Mio. Tonnen. Die EU wird damit also zum Status eines Nettoexporteurs zurückkehren, den sie vor der Reform 2006 innehatte.
Die Prognosen der EU-Kommission ähneln dem Ergebnis einer für das EU-Parlament erstellten und im Juni 2016 veröffentlichten Simulationsstudie. Hier werden für das Jahr 2025 für den Fall einer mittleren Weltmarktpreishöhe von 330 EUR je Tonne eine EU-Zuckerproduktion von 17 Mio. Tonnen und ein EU-Zuckerpreis von 400 EUR je Tonne prognostiziert. Bereits in diesem Szenario würde die EU zu einem Nettoexporteur von Zucker.
Bei einem höheren Weltmarktpreis von 500 EUR je Tonne wären demnach ein EU-Zuckerpreis von 610 EUR je Tonne und eine EU-Zuckerproduktion von knapp 19 Mio. Tonnen wahrscheinlich. Dies würde die interne Nachfrage übertreffen und Exporte in Höhe von rund 4 Mio. Tonnen ermöglichen. Bei einem niedrigen Weltmarktpreis von 250 EUR je Tonne sänke der EU-Zuckerpreis auf 340 EUR je Tonne und die EU-Produktion auf 16 Mio. Tonnen. Nur in diesem Szenario bliebe die EU ein Nettoimporteur von Zucker.
Auch eine aktuelle Simulationsanalyse des bundeseigenen Thünen-Instituts zeigt, dass - außer bei niedrigen Weltmarktpreisen - mit einer Ausdehnung der EU-Zuckerproduktion zu rechnen ist. Wegen hoher Produktions- und Transportkosten wird Deutschland nur eine mittlere Wettbewerbsstärke der Zuckerproduktion bescheinigt, doch soll Deutschland seine Position als zweitgrößter EU-Anbieter verteidigen können. Die Unternehmen dürften versuchen, durch eine Verlängerung der Verarbeitungssaison Effizienzgewinne zu realisi9eren. So hat Südzucker bereits angekündigt, die Kampagne auf durchschnittlich 120 Tage verlängern zu wollen.
Bisher werden die wichtigsten Zuckerkontrakte in New York (Rohzucker) und London (Weißzucker) in US-Währung gehandelt. Auf den EU-internen Markt zielt nun ein neuer Zuckerkontrakt, der laut der Börse Euronext im ersten Quartal 2017 in Paris aufgelegt werden soll. Dieser soll sich auf Weißzucker beziehen, in Euro denominiert sein und die Möglichkeit zur physischen Erfüllung vorsehen.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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