Industriemetalle: Frühjahrstagungen der International Study Groups
30.04.2015 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
In der Woche vom 20. bis 24. April 2015 fanden die Frühjahrstagungen der sog. International Study Groups statt. Dank der Verfügbarkeit neuer Daten haben sie ihre Einschätzungen für 2015 zur Lage an den globalen Kupfer-, Nickel-, Blei- und Zinkmärkten aktualisiert. Die ganz großen Überraschungen blieben aber aus. Wir fassen in dieser Ausarbeitung die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Kupfermarkt 2015 weiter mit deutlichem Angebotsüberschuss
Die International Copper Study Group (ICSG) zeigt sich für den globalen Kupfermarkt unseres Erachtens sehr optimistisch und hat im Vergleich zum Oktober überraschend nur geringfügige Änderungen ihrer Einschätzung zur Lage vorgenommen. Sie erwartet für 2015 noch immer einen Angebotsüberschuss von 364 Tsd. Tonnen (Grafik 2).
Dies wäre der erste Überschuss seit sechs Jahren. Die weltweite Produktion von Kupferraffinade soll dabei 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 4,1% auf 23,4 Mio. Tonnen steigen. Hierzu trägt vor allem China bei. Global betrachtet wird ein erwarteter Rückgang der Recyclingproduktion wegen der anhaltenden Knappheit von hochwertigem Kupferschrott durch eine deutlich höhere Primärproduktion überkompensiert, da mehr Kupferkonzentrat zur Verfügung steht. Denn die Minenproduktion soll um 4,4% auf 19,5 Mio. Tonnen steigen - bedingt durch die Expansion bestehender Minen und durch neues Material aus Minen, die kürzlich in Betrieb genommen wurden.
Hauptursache für den hohen unterstellten Überschuss ist aber die Nachfrage. Denn die ICSG rechnet für 2015 mit einem globalen Nachfragewachstum von nur noch 0,6%, nach gut 7% im Vorjahr. Die schwache Nachfrage führt die ICSG primär auf China zurück, wo sich die Wirtschaft spürbar abkühlen dürfte.
Als einziger der Branchenverbände hat die ICSG zugleich eine Einschätzung für 2016 abgegeben. Demnach bleibt der Angebotsüberschuss auch im nächsten Jahr bestehen, allerdings nicht im selben Ausmaß. Das Angebot soll die Nachfrage dann noch um 228 Tsd. Tonnen übertreffen (Grafik 2). Während der Anstieg der Produktion mit +2,5% verhaltener ausfallen sollte, dürfte die Nachfrage wieder stärker anziehen (+3,1%). Dies führt die ICSG primär auf China zurück, aber auch außerhalb Chinas unterstellt sie eine höhere Nachfrage.
Wir gehen weiter von steigenden Kupferpreisen im Jahresverlauf aus, da wir hinsichtlich des Angebots pessimistischer sind und den globalen Kupfermarkt wesentlich angespannter sehen. Ende des Jahres rechnen wir mit einem Kupferpreis von 6.500 USD je Tonne.
Nickelmarkt 2015 nun im Angebotsüberschuss
Die International Nickel Study Group (INSG) erwartet für 2015 einen Angebotsüberschuss von rund 20 Tsd. Tonnen (Grafik 3) - den vierten Jahresüberschuss in Folge -, nachdem sie im Oktober 2014 noch von einem Defizit in etwa derselben Größenordnung ausging. Die weltweite Produktion soll dabei im Vergleich zum Vorjahr um 1,5% auf 1,96 Mio. Tonnen sinken.
Wegen der Unsicherheit hinsichtlich der chinesischen NPI-Produktion könnte die Produktionsschätzung im Verlauf des Jahres aber noch angepasst werden. Ferner hat die INSG - im Gegensatz zur ICSG - in ihrer Schätzung keine Adjustierungen für mögliche Angebotsausfälle vorgenommen. Das globale Angebot könnte daher wohl noch etwas niedriger ausfallen als jetzt unterstellt.
Die weltweite Nickelnachfrage soll zwar im Vorjahresvergleich um 3,7% auf 1,94 Mio. Tonnen zulegen, der Anstieg ist aber nicht stark genug, um den Markt ernsthaft anzuspannen. Vor allem in China soll das Nachfragewachstum wegen des geringeren Wirtschaftswachstums 2015 schwächer ausfallen als in den Jahren zuvor. In Europa und den USA soll die Nickelnachfrage ebenfalls nur moderat zunehmen, was dem verhaltenen Produktionswachstum in der Edelstahlindustrie im ersten Halbjahr geschuldet ist. Gegen Ende des Jahres soll sich die Lage hier jedoch verbessern.
Trotz der derzeit entspannteren Marktlage erwarten wir zum Jahresende höhere Nickelpreise. Viele Produzenten können auf dem aktuellen Preisniveau nicht mehr profitabel arbeiten, so dass unseres Erachtens Kapazitäten stillgelegt werden dürften. Insbesondere die NPI-Produktion in China, die im letzten Jahr für rund 25% des weltweiten Nickelangebots stand, dürfte stark gedrosselt werden. Wir sehen den Nickelpreis am Jahresende bei 15.500 USD je Tonne.
Bleimarkt 2015 weitgehend ausgeglichen
Die International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) hat ihre Erwartung vom Oktober nur leicht revidiert und geht für 2015 von einem moderaten Angebotsdefizit von 17 Tsd. Tonnen aus (Grafik 4). Der Bleimarkt wäre damit das dritte Jahr in Folge nahezu ausgeglichen. Das weltweite Angebot soll im Vergleich zum Vorjahr um karge 1,1% auf 11,03 Mio. Tonnen steigen, was dem nur geringen Anstieg der Minenproduktion geschuldet ist. Denn durch die Schließung von großen Minen steigt das Angebot an Bleikonzentrat, welches zu Raffinade verarbeitet wird, langsamer als zuvor.
Die globale Nachfrage soll im Vorjahresvergleich allerdings ebenfalls nur um 1,1% auf 11,05 Mio. Tonnen zulegen. Ein stärkeres Nachfragewachstum wird laut ILZSG durch eine verhaltene Nachfrage in China verhindert, die insbesondere der E-Bike-Industrie geschuldet ist. Diese steht für 30% der chinesischen Bleinachfrage. Ähnlich wie im Vorjahr dürfte China allerdings auch in diesem Jahr knapp 1 Mio. Tonnen Blei importieren. In Europa und den USA erwartet die ILZSG ebenfalls nur ein sehr moderates Nachfragewachstum.
Wir erachten den Bleipreis nach wie vor als gut unterstützt. Da der fast 25%-ige Preisanstieg seit Mitte März aber etwas schnell erfolgte, könnte es zunächst zu einem Rücksetzer kommen. Zum Jahresende erwarten wir noch einen Bleipreis von 2.000 USD je Tonne.
Angebotsdefizit am Zinkmarkt 2015 nicht ganz so hoch
Die ILZSG hat ihre bisherige Einschätzung eines hohen Angebotsdefizits am globalen Zinkmarkt für 2015 deutlich nach unten revidiert. Ging sie im Oktober noch von einem Angebotsdefizit von 366 Tsd. Tonnen für 2015 aus, soll das Defizit "nur" noch bei 151 Tsd. Tonnen liegen (Grafik 5). Dieses wäre zwar weniger als halb so hoch als im letzten Jahr, würde aber dennoch das dritte Defizitjahr in Folge darstellen. Die globale Zinkproduktion soll im Vergleich zum Vorjahr stärker als bislang erwartet um 5,2% auf 13,99 Mio. Tonnen steigen.
Hauptverantwortlich hierfür ist China, wo die Produktion um 8,9% ausgeweitet werden soll. Die ILZSG stuft zudem die Folgen der Minenschließungen (zum Beispiel Lisheen in Irland, Century in Australien) nicht so gravierend ein, da diese durch die erhöhte Förderung andernorts mehr als wettgemacht werden.
Hauptursache für das geringer erwartete Angebotsdefizit ist aber die relativ verhaltene Nachfrage, die auf globaler Ebene im Vorjahresvergleich um 3,7% auf 14,14 Mio. Tonnen steigen soll. Denn der chinesische Verbrauch soll laut der Einschätzung "nur" noch um 4,8% zunehmen, nach +8,7% im Vorjahr. Dies dürfte sich demnach auch in verhaltenen chinesischen Zinkimporten widerspiegeln. Der größte Nachfragezuwachs (+6%) wird für die USA erwartet. Für Europa unterstellt die ILZSG ein Plus von 2,4%.
Ähnlich wie bei Blei sehen wir auch den Zinkpreis gut unterstützt. Seit Mitte März hat sich allerdings auch Zink bereits um gut 15% verteuert, so dass sich Korrekturpotenzial aufgebaut hat. Aktuell erwarten wir noch einen Zinkpreis von 2.250 USD je Tonne zum Jahresende.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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