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US-Gasmarkt: Henry Hub wird frühjahresmüde

23.04.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

Am amerikanischen Gasmarkt scheint wieder Ruhe einzukehren: Die Volatilität zu Beginn des Winters, die unterdurchschnittlich gefüllten Lägern geschuldet war, ist verschwunden. Eine weiterhin überraschend kräftig steigende Produktion hat den Preis für Henry Hub erstmals seit 2012 wieder auf 2,5 USD je mmBtu rutschen lassen. Kurzfristig dürfte das Produktionswachstum dank eines hohen Rückstaus an Bohrungen nicht abreißen. Mittelfristig bremsen jedoch die geringeren Bohraktivitäten auch die Gasproduktion, die auf eine kräftig steigende Nachfrage trifft. Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte dürfte deshalb der US-Gaspreis wieder leicht anziehen.

Die Volatilität am US-Gasmarkt ist gemeinhin höher als am Ölmarkt. Das dürfte der höheren Witterungsabhängigkeit bei gleichzeitig kleinerem (lokalen) Markt geschuldet sein. Schließlich macht die Nachfrage der privaten Haushalte noch immer 20% der gesamten USGasnachfrage aus, und davon wiederum entfällt drei Viertel der Nachfrage auf die Heizsaison November bis März. Momentan ist es aber andersherum: zwar hat sich die Volatilität an beiden Märkten nach der turbulenten Jahreswende abgekühlt, aber am Gasmarkt ist die Volatilität damit wieder auf dem Durchschnittsniveau der letzten Jahre, am Ölmarkt ist diese noch immer deutlich höher als üblich (Grafik 1).

Mit der Volatilität am US-Gasmarkt ist auch der Preis gesunken: Mit 2,5 USD je mmBtu ist US-Gas derzeit so günstig wie zuletzt vor rund drei Jahren, als übervolle Läger die Preise zwischenzeitlich sogar unter 2 USD je mmBtu rutschen ließen. Nach einer kurzen Preisspitze, die vor allem einem frühen Winterbeginn geschuldet war, waren die Preise vor allem zur Jahreswende deutlich unter Druck geraten und haben sich immer weiter von ihrem Zwischenplateau im 3. Quartal 2014 bei 4 USD je mmBtu entfernt.

Ausschlaggebend für den Preisrückgang waren überraschend starke Produktionsdaten. Im Dezember hatte die US-Gasproduktion ein neues Rekordhoch erreicht. Im Gesamtjahr 2014 ist damit die Gasproduktion um gut 6% gestiegen. Das war der höchste Produktionszuwachs seit 2011. Dieses Jahr ist zwar etwas weniger verheißungsvoll gestartet, weil kältebedingt Teile der Produktion zwischenzeitlich geschlossen werden mussten. Dennoch ermöglichte die hohe Produktion geringere Lagerentnahmen und folglich übertrafen die im kalten und langen Winter 2013/14 massiv geräumten Vorräte im Februar erstmals wieder das für diese Jahreszeit übliche Niveau.

Der starke Ausklang 2014 führte auch dazu, dass die USEnergiebehörde EIA in den letzten Monaten ihre Produktionsprognose für das laufende Jahr immer weiter angehoben hat. In ihrem jüngsten Monatsbericht erwartet sie nun, dass die Produktion im laufenden Jahr im Durchschnitt 5% über dem Vorjahr liegt. Im November 2014 hatte sie mal gerade eine halb so hohe Wachstumsrate von 2,4% für 2015 erwartet.

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Das Produktionswachstum war bis zuletzt der stark steigenden Schiefergasproduktion zu verdanken (Grafik 2). Sie stellt mittlerweile die Hälfte der US-Gasproduktion und kann die Produktionsrückgänge im Golf von Mexiko mehr als wettmachen. Das größte Schiefergasfeld ist die Marcellus Formation in West Virginia und Pennsylvania, wo die Produktion binnen fünf Jahren von knapp 2 auf 15 Mrd Kubikfuß pro Tag gestiegen ist und damit nun allein knapp ein Fünftel der US-Gasproduktion stellt.

In dem primär für die Gasproduktion genutzten Schieferfeld ermöglichen hohe Effizienzfortschritte bei den Bohrungen sowie ein hoher Rückstau an Bohrlöchern, die zwar bereits gebohrt, aber noch nicht fertiggestellt sind, eine kurzfristig weiter steigende Produktion, zumal eine verbesserte Pipeline-Anbindung zusätzliche Produktionsanreize gibt. Auch die momentan stark wachsende Produktion im angrenzenden Utica Feld soll laut dem jüngsten "Drilling Productivity Report" der EIA für Mai weiter steigen. In anderen Feldern dagegen dürfte die Produktion in den kommenden Monaten schrumpfen.

In der Bakken und der Eagle Ford Formation wird Gas häufig im Verbund mit Öl gefördert und entsprechend dürfte sich der massive Einbruch der Ölbohrungen stärker bemerkbar machen. Damit wird sich also die Schiefergasproduktion dem Abwärtssog der Ölbohrungen nicht gänzlich entziehen können, aber während am Ölmarkt eine echte Produktionsdelle zu erwarten ist, dürfte sich die US-Gasproduktion lediglich verlangsamen (Grafik 3).

Die sich etwas ermüdende Gasproduktion trifft jedoch im laufenden Jahr auf eine deutlich steigende Nachfrage. Dank der niedrigeren Gaspreise ist der Beitrag des Energieträgers Gas bereits von 2005 bis 2013 um 5 Prozentpunkte auf 28% am US-Energieverbrauch gestiegen. Im letzten Jahr geriet dieser Trend etwas in Stocken, aber im laufenden Jahr sollte er wieder Fahrt aufnehmen: laut US-Energiebehörde dürfte der US-Gasverbrauch wieder kräftig zulegen.

Zwar wird der Verbrauch der privaten Haushalte wohl wegen der diesjährigen milderen Temperaturen nach dem kalten und langen Winter 2013/2014 leicht fallen, aber Industrie und Stromversorger, die beide mehr als ein Viertel der gesamten Nachfrage stellen, werden wohl deutlich mehr konsumieren: die gasbasierte Stromversorgung hatte bis vor zwei Jahren ihren Beitrag an der Stromversorgung zulasten der Kohlekraftwerke deutlich ausgebaut. Fallende Kohlepreise hatten den Trend ins Stocken gebracht.

Aber im laufenden Jahr wird sich wegen der Stilllegung mehrerer Kohlekraftwerke der Trend fortsetzen: 2015 sollen Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 20 GW ans Netz gehen und davon sollen 6,3 GW gasbasiert sein. Denn es werden Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 13 GW vom Netz genommen. Die US-Energiebehörde rechnet folglich mit einem Zuwachs der Gasnachfrage seitens der Stromversorger um 11%. Der Anteil der gasbasierten Stromproduktion wird dann wohl auf 30% steigen, rund 10 Prozentpunkte höher als zehn Jahre zuvor. Zusammen mit einer leichten Zunahme des Gasverbrauchs der Industrie dürfte die Gasnachfrage im laufenden Jahr insgesamt um knapp 4% steigen.

Die Kombination aus kräftiger Nachfrage, auch aus dem Nachbarland Mexiko, und einer im Jahresverlauf nur noch leicht expandierenden Gasproduktion dürfte dem US-Gaspreis Auftrieb geben. Das momentane 3-Jahrestief am Gasmarkt erachten wir auch deshalb als zu niedrig, weil es primär dem hohen Pessimismus der spekulativen Anleger geschuldet sein dürfte (Grafik 24). Wir denken, dass der Henry-Hub-Preis im Verlauf der zweiten Jahreshälfte wieder über 3 USD je mmBtu klettern wird.

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Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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