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Jüngster Ölpreisanstieg ist übertrieben

22.04.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

Die Ölpreise verzeichneten letzte Woche die stärksten Wochenanstiege seit mehreren Jahren. Nachrichten eines fallenden Ölangebots aus den USA lockten Anleger in den Ölmarkt. Fundamental lässt sich der Preissprung nicht erklären. Aufgrund einer kräftig gestiegenen OPEC-Ölproduktion bleibt der Markt deutlich überversorgt. Wir rechnen damit, dass der jüngste Preisanstieg bald wieder korrigiert wird.

Die Ölpreise sind in der letzten Woche um fast 10% gestiegen. Bei Brent entsprach dies dem stärksten prozentualen Wochenzuwachs seit 5½ Jahren, bei WTI seit mehr als vier Jahren. Beide Ölsorten erreichten jeweils die höchsten Preisniveaus seit Dezember 2014 (Brent 65 USD je Barrel, WTI 57,5 USD je Barrel). Rein fundamental lässt sich dies kaum erklären.

So meldeten die Internationale Energieagentur IEA und die OPEC in ihren ebenfalls vergangene Woche veröffentlichten Monatsberichten für März einen deutlichen Anstieg der OPEC-Ölproduktion um 800-900 Tsd. Barrel pro Tag. Gemessen am derzeitigen Produktionsniveau der OPEC von ca. 31 Mio. Barrel pro Tag und dem für 2015 geschätzten Bedarf an OPEC-Öl ist der Ölmarkt aktuell um ca. 1,5 Mio. Barrel pro Tag überversorgt.

Die IEA sieht die Ölförderung der OPEC kurzfristig sogar weiter steigen und stellte zudem die bislang im zweiten Halbjahr erwartete Einengung des Ölmarktes in Frage.

Warum sind die Preise dennoch so stark gestiegen? Wir führen dies vor allem auf ein stark gestiegenes Anlegerinteresse zurück. Laut Daten der ICE erreichten die spekulativen Netto-Long-Positionen bei Brent Mitte April das höchste Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen im Januar 2011 (Grafik 1). Die entsprechenden Positionen bei WTI stiegen innerhalb von drei Wochen gemäß CFTC um knapp 70% und erreichten zuletzt das höchste Niveau seit Ende Juli 2014.

Das Überschreiten psychologisch wichtiger Marken wie das bisherige 2015er-Hoch aus dem Februar dürfte weitere Anleger in den Markt gelockt haben. Es hat sich damit allerdings ein beträchtliches Korrekturpotenzial aufgebaut, wenn sich diese Anleger wieder aus dem Markt zurückziehen.

Viele Marktteilnehmer scheinen zudem stark auf das sich abzeichnende (vorläufige) Ende des Schieferölbooms in den USA fokussiert zu sein. Die US-Energiebehörde EIA berichtete in ihrem aktuellen Drilling Report, dass die US-Schieferölproduktion im Mai zum ersten Mal seit vier Jahren zurückgehen soll. Die EIA erwartet außerdem in ihrem Monatsbericht, dass die US-Rohölproduktion zwischen Juni und September um ca. 300 Tsd. Barrel pro Tag zurückgehen wird.

Laut der wöchentlichen Lagerdaten des US-Energieministeriums ist die US-Rohölproduktion in zwei der letzten drei Berichtswochen gefallen und scheint bei 9,3-9,4 Mio. Barrel pro Tag ein Plateau auszubilden. Dies allein wird aber nicht ausreichen, damit das beträchtliche Überangebot auf dem globalen Ölmarkt verschwindet. Erst recht dann nicht, wenn die OPEC gleichzeitig ihr Angebot auf dem derzeitigen Niveau beibehält. Wir erachten den jüngsten Preisanstieg daher für überzogen und rechnen damit, dass dieser bald wieder korrigiert wird.

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Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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