Platin und Palladium: Divergenz nicht von Dauer
11.03.2015 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Platin ist momentan so billig wie vor 5½ Jahren und im Vergleich zu Palladium sogar so preiswert wie seit 13 Jahren nicht. Die Nachfrage nach beiden Edelmetallen aus der Automobilindustrie sollte in diesem Jahr weiter steigen. Dem steht ein voraussichtlich steigendes (Minen-)Angebot aus Südafrika gegenüber. Die zuletzt schwächere Investmentnachfrage dürfte in beiden Märkten die Höhe der Angebotsdefizite bestimmen. Diese werden wohl deutlich niedriger ausfallen als im letzten Jahr. Dennoch sehen wir sowohl bei Platin als auch bei Palladium Aufwärtspotenzial für die Preise.
Platin und Palladium stehen zumeist im Schatten von Gold. Aus aktuellem Anlass lohnt ein genauerer Blick auf die Preisentwicklung dieser beiden Edelmetalle. Der Platinpreis ist Anfang März auf 1.140 USD je Feinunze gefallen, das niedrigste Niveau seit Juli 2009 (Grafik 1).
Platin hat sich in diesem Jahr auch deutlich schlechter entwickelt als Gold. Seit Mitte Januar handelt Platin mit einem Abschlag gegenüber Gold. Dieser betrug zwischenzeitlich 50 USD je Feinunze. Normalerweise ist Platin aufgrund seiner höheren Werthaltigkeit und Knappheit teurer als Gold. Zudem schneidet Platin auch im Vergleich zu Palladium deutlich schlechter ab. Während der Platinpreis in den letzten 12 Monaten um 23% gefallen ist, hat sich Palladium im selben Zeitraum um 5% verteuert und erreichte Anfang März ein 5½-Monatshoch von gut 830 USD je Feinunze.
Diese divergierende Preisentwicklung ist sehr ungewöhnlich, denn mormalerweise besteht zwischen den Preisen von Platin und Palladium ein hoher Gleichlauf. Aktuell notiert der Platinpreis nur noch 40% über dem Palladiumpreis. Damit ist Platin gegenüber seinem Schwestermetall derzeit so preiswert wie zuletzt vor knapp 13 Jahren. Bis vor einem Jahr war Platin noch doppelt so teuer wie Palladium.
Rein fundamental lässt sich die akute Preisschwäche bei Platin nicht so einfach erklären. Laut dem weltgrößten Platinverarbeiter Johnson Matthey wies der globale Platinmarkt im letzten Jahr ein Angebotsdefizit von 1,133 Mio. Unzen auf. Das war gleichzeitig das höchste Defizit seit Beginn der Datenreihe vor 40 Jahren. Auch für das Jahr 2015 erwartete Johnson Matthey in seinem Halbjahresbericht im letzten November, dass die Nachfrage das Angebot merklich übertreffen wird.
Die Platinnachfrage dürfte weiterhin von der voranschreitenden Erholung der Autokonjunktur profitieren. Die Autoindustrie stellte im letzten Jahr mit 3,39 Mio. Unzen knapp 40% der gesamten Platinnachfrage und war damit die wichtigste Nachfragekomponente. Die Fahrzeugverkäufe in den USA erreichten im Jahr 2014 mit 16,4 Mio. Einheiten das höchste Niveau seit dem Jahr 2006, wobei die Dynamik im Jahresverlauf noch anzog. In China erreichten die Autoabsatzzahlen mit knapp 20 Mio. Einheiten im letzten Jahr sogar ein Rekordniveau.
Allerdings sind die Automärkte in den USA und China stark benzinlastig und daher für Platin weniger relevant. Denn Platin kommt überwiegend in Katalysatoren von Dieselmotoren zum Einsatz. Aus diesem Grund ist der diesellastige europäische Automarkt für Platin wichtiger. Doch auch dieser erholt sich. So sind die Pkw-Neuzulassungen in der EU seit mittlerweile 17 Monaten im Vorjahresvergleich gestiegen.
Erstmals seit sieben Jahren wurden in der EU im letzten Jahr wieder mehr Autos neu zugelassen als im Vorjahr. Allerdings liegt die Zahl noch immer deutlich unter dem Niveau von vor der Finanz- und Wirtschaftskrise (Grafik 2). Das bedeuet aber auch, dass die Autoflotte in Europa relativ alt ist und bei einer Konjunkturerholung mit einem erheblichen Nachholpotenzial bei den Autokäufen zu rechnen ist.
Zusätzlichen Auftrieb könnte die Platinnachfrage von strengeren Emissionsstandards erhalten. In Europa, welches immerhin 25% der weltweiten Platinnachfrage stellt, ist ab September 2015 die Euro-6-Norm für alle neu zugelassenen Fahrzeuge verbindlich. Die Platinnachfrage aus der Autoindustrie dürfte dadurch begünstigt 2015 unseres Erachtens auf 3,5 Mio. Unzen steigen. Die Industrienachfrage sollte auch von der Belebung der europäischen und internationalen Konjunktur profitieren und insgesamt auf ungefähr 5,5 Mio. Unzen steigen.
Die Schmucknachfrage stellte im letzten Jahr immerhin 35% der Gesamtnachfrage nach Platin und war damit die nach dem Automobilsektor zweitwichtigste Nachfragekomponente. Einen guten Anhaltspunkt für die Stärke der Schmucknachfrage liefern die Platinimporte Chinas, welches der größte Nachfrager von Platinschmuck ist. Im Jahr 2014 beliefen sich die chinesischen Platinimporte auf 2,46 Mio. Unzen und kehrten damit wieder auf das Niveau der Jahre 2010-2012 zurück, nachdem sie 2013 auf ein Rekordniveau von 3,16 Mio. Unzen gestiegen waren (Grafik 3).
Eine Schwäche der Schmucknachfrage lässt sich daraus nicht zwingend ablesen. Vielmehr dürfte sie 2015 von dem niedrigen Platinpreis absolut betrachtet sowie relativ zu Gold profitieren. Denn die Schmucknachfrage ist für gewöhnlich sehr preiselastisch. Wir rechnen mit einer stabilen Schmucknachfrage von ca. 3 Mio. Unzen.
Anlass zur Sorge gibt derzeit dagegen die Investmentnachfrage. Insbesondere die ETF-Anleger haben zuletzt in beträchtlichem Ausmaß Platin verkauft. Die Bestände der von Bloomberg erfassten Platin-ETFs sind in den ersten beiden Monaten 2015 um 80 Tsd. Unzen gefallen. Drei Viertel der Abflüsse entfielen dabei auf den in Südafrika gelisteten weltgrößten Platin-ETF von Absa Capital. Schon im zweiten Halbjahr 2014 verzeichneten die Platin-ETFs kräftige Abflüsse.
Vom Rekordhoch Ende Juli 2014 sind zwischenzeitlich gut 240 Tsd. Unzen Platin aus den ETFs abgezogen worden (Grafik 19). Dies entspricht der Minenproduktion in Südafrika von ca. drei Wochen und könnte den Platinbedarf der Automobilindustrie von fast einem Monat decken. Wir hatten in unserem Jahresausblick im Dezember geschrieben, dass die Investmentnachfrage 2015 kaum noch einmal einen negativen Beitrag zur Gesamtnachfrage leisten dürfte wie im Vorjahr.
Diese Aussage steht nach dem schwachen Start in das neue Jahr in Frage. Denn dafür müsste die Investmentnachfrage mindestens wieder das Niveau des Vorjahres von 300 Tsd. Unzen erreichen, was entsprechende Zuflüsse in die Platin-ETFs erforderlich macht. Münzen und Barren spielen bei Platin nur eine unbedeutende Rolle. So wurden im letzten Jahr lediglich 16,9 Tsd. Unzen US-Platinmünzen verkauft, verglichen mit 524,5 Tsd. Unzen US-Goldmünzen.
Neben den ETF-Anlegern befanden sich bei Platin zuletzt auch die spekulativen Finanzanleger auf der Verkäuferseite und haben damit ebenfalls zur Preisschwäche beigetragen. Deren Netto-Long-Positionen sind in Februar um 40% gesunken und befinden sich damit auf dem niedrigsten Niveau seit Mitte November 2014 (Grafik 18).
Hauptverantwortlich hierfür war ein Aufbau von Short-Positionen, während die Long-Positionen nur geringfügig zurückgeführt wurden. Einer weitgehend stabilen Menge an Optimisten steht also eine steigende Menge an Pessimisten gegenüber. Das Niveau der spekulativen Netto-Long-Positionen ist aber nicht mehr außerordentlich hoch, so dass das Korrekturpotenzial von dieser Seite nun eher begrenzt ist.
Das Platinangebot dürfte in diesem Jahr kaum noch einmal so stark zurückgehen wie 2014. Denn der Rückgang im letzten Jahr um knapp 6% auf ein 10-Jahrestief von 7,38 Mio. Unzen war in erster Linie auf den streikbedingten Einbruch der Minenproduktion in Südafrika zurückzuführen (Grafik 4). Diese fiel im letzten Jahr um 18% auf 3,46 Mio. Unzen, was dem niedrigsten Niveau seit dem Jahr 1996 entspricht. Grund hierfür war ein 5-monatiger Streik in der ersten Jahreshälfte.
Die Platinproduktion in Südafrika, welche 70% des globalen Platinminenangebots stellt, sollte sich davon in diesem Jahr erholen und in etwa wieder das Vorstreikniveau von gut 4 Mio. Unzen erreichen. Begünstigt werden die Produzenten in Südafrika auch durch den rapiden Wertverfall des Südafrikanischen Rand (Grafik 5). Hinzu kommt der Rückgang der Energiepreise, welcher die Kostenseite der Produzenten entlastet.
Ein Risikofaktor sind die wiederkehrenden Probleme bei der Stromversorgung, welche zu temporären Produktionsunterbrechungen führen können. Ebenso besteht das Risiko, dass es zu neuerlichen Arbeitsniederlegungen kommt. Der weltweit zweitgrößte Platinproduzent Impala Platinum hat angekündigt, aufgrund der niedrigen Preise Schächte schließen und Investitionen kürzen zu wollen, was nicht ohne Widerspruch seitens der streiklustigen Gewerkschaften geschehen dürfte. Die bis 2007 in Südafrika erreichten Produktionsniveaus von mehr als 5 Mio. Unzen bleiben daher in weiter Ferne.
Das Recycling von Platin erreichte 2014 mit 2,28 Mio. Unzen ein Rekordniveau, was den kräftigen Rückgang des Minenangebots in Südafrika zumindest teilweise zu kompensieren half. Das niedrige Preisniveau lässt in diesem Jahr allerdings einen Rückgang des Angebots aus wiedergewonnenem Platin auf ca. 2 Mio. Unzen erwarten. Das Gesamtangebot dürfte u.E. daher zwischen 7,5 und 8,0 Mio. Unzen liegen.
Damit dürfte das Angebotsdefizit auf dem globalen Platinmarkt 2015 zwischen 500 Tsd. und 1 Mio. Unzen betragen und somit voraussichtlich deutlich niedriger ausfallen als im letzten Jahr. Ob das Defizit am oberen oder unteren Ende dieser Spanne liegt, dürfte maßgeblich von der Investmentnachfrage abhängen. Fällt diese niedriger aus als im Vorjahr, dürfte das Angebotsdefizit eher bei 500 Tsd. Unzen liegen.
Für ein Angebotsdefizit in Höhe von 1 Mio. Unzen ist eine im Jahresverlauf deutlich anziehende Investmentnachfrage erforderlich. Wir rechnen in den kommenden Monaten wieder mit Zuflüssen in die Platin-ETFs. Denn das sowohl absolut als auch relativ niedrige Preisniveau von Platin und die Aussicht auf eine weiterhin robuste Platinnachfrage aus der Autoindustrie dürfte wieder Käufer anlocken.
Die deutlich bessere Preisentwicklung von Palladium im Vergleich zu Platin erklärt sich vor allem mit der robusteren Nachfrage. Diese stieg im letzten Jahr laut Johnson Matthey um gut 10% auf rekordhohe 10,51 Mio. Unzen. Da gleichzeitig das (Minen-)Angebot in Südafrika um 14% und in Russland um 4% zurückging, verzeichnete der globale Palladiummarkt im Jahr 2014 ein Angebotsdefizit von 1,618 Mio. Unzen. Dies entspricht dem höchsten Fehlbetrag seit Beginn der Datenreihe vor 34 Jahren (Grafik 6).
Wichtigster Treiber der Palladiumnachfrage waren im letzten Jahr die ETF-Investoren. Begünstigt durch die Einführung eines physisch gedeckten Palladium-ETFs in Südafrika flossen 2014 gut 900 Tsd. Unzen in die Palladium-ETFs (Grafik 21). Auf die Investmentnachfrage entfiel deshalb im letzten Jahr der Großteil des Anstiegs der Gesamtnachfrage. Der wichtigste dauerhafte Treiber der Palladiumnachfrage ist seit Jahren aber die Automobilindustrie. Diese stellt inzwischen 70% der Gesamtnachfrage und ist damit für Palladium weitaus wichtiger als für Platin.
Palladium kommt zudem vor allem in Autokatalysatoren von Benzinmotoren zum Einsatz und profitiert damit stärker als Platin von den boomenden Automärkten in China und den USA (Grafik 7). Die Industrienachfrage außerhalb des Automobilsektor ist dagegen seit Jahren rückläufig, auch wenn sie im letzten Jahr noch immer knapp 20% der Palladiumnachfrage stellte. Die Schmucknachfrage ist bei Palladium inzwischen nahezu bedeutungslos geworden. Bis 2008 lag deren Anteil noch bei mehr als 10%.
Von der Automobilindustrie ist auch 2015 Rückenwind für die Palladiumnachfrage zu erwarten. Die benzinlastigen Automärkte in China und den USA dürften dank steigender (Real-)Einkommen weiter robust wachsen. Der deutliche Rückgang der Benzinpreise hat in den USA die Nachfrage nach größeren Fahrzeugen (SUVs) steigen lassen. Auch in China dürften die Abgasnormen mit steigendem Umweltbewusstsein strenger werden. Beides spricht für eine höhere Nachfrage nach Palladium.
Allerdings könnte die relative Verteuerung von Palladium gegenüber Platin dazu führen, dass sich die seit Jahren zu beobachtende Substitution von Platin durch Palladium in Katalysatoren von Dieselmotoren verlangsamt (Grafik 23).
Die Palladiumnachfrage aus der Autoindustrie sollte das Rekordniveau des Vorjahres von 7,3 Mio. Unzen unserer Meinung nach erneut um ca. 5% übertreffen. Die Gesamtnachfrage nach Palladium dürfte dennoch voraussichtlich nicht ganz wieder das Rekordniveau des Vorjahres erreichen. Denn die Investmentnachfrage dürfte 2015 wegen der Abflüsse aus den Palladium-ETFs seit Jahresbeginn merklich hinter dem Niveau des Vorjahres von mehr als 800 Tsd. Unzen zurückbleiben.
Da sich zugleich das Minenangebot aus Südafrika vom streikbedingten Rückgang im vergangenen Jahr erholen dürfte, ist mit einem merklich geringeren Angebotsdefizit zu rechnen. Dessen Höhe dürfte weitgehend von der Investmentnachfrage abhängen. Erholt sich diese im Jahresverlauf nicht, dürfte das Angebotsdefizit auf ca. 500 Tsd. Unzen schrumpfen. Realistisch erscheint uns ein Defizit zwischen 500 Tsd. und 1 Mio. Unzen.
Die Aussicht auf erneute Angebotsdefizite spricht für höhere Preise für Platin und Palladium, auch wenn die Defizite 2015 deutlich geringer ausfallen werden als die durch Sonderfaktoren beeinflussten Rekorddefizite im letzten Jahr. Wir rechnen mit einem Platinpreis von 1.275 USD je Feinunze und einem Palladiumpreis von 850 USD je Feinunze am Jahresende.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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