Schicksalssitzung für die OPEC
24.11.2014 | Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die OPEC wird wohl auf ihrer turnusmäßigen Sitzung am nächsten Donnerstag in Wien das Produktionsziel von 30 Mio. Barrel pro Tag nicht reduzieren. Lediglich eine Rücknahme der tatsächlichen Produktion auf dieses Niveau dürfte in Aussicht gestellt werden. Damit kann sie einerseits Geschlossenheit demonstrieren, andererseits ein neues Ziel verfolgen: die rasant wachsende Ölproduktion in den USA einzubremsen. Der Ölpreis dürfte zwar zunächst weiter unter Druck geraten, aber langfristig wieder steigen.
Das Vertrauen in die "Preismacht" des Kartells war lange hoch: Schließlich hatte die OPEC in der Wirtschaftskrise 2008/09 die Produktion gekürzt und damit eine massive Preiserholung eingeleitet. In den Jahren danach wurde diese Macht selten herausgefordert, weil die Preise stabil waren. Doch das jüngste Verhalten Saudi-Arabiens stellt die langjährige Strategie auf den Prüfstand. Denn der einflussreichste Ölproduzent des Kartells nahm seine Produktion trotz des steigenden Ölangebots Libyens kaum zurück und räumte sogar den asiatischen Kunden zusätzliche Rabatte ein. Immer klarer kristallisierte sich ein „Preiskampf der OPEC“ heraus.
Wir sind von einem Strategiewechsel überzeugt. Der wichtigste Spieler innerhalb der OPEC, Saudi-Arabien, möchte künftig nicht mehr allein die Last von Produktionskürzungen tragen, sondern die anderen Kartellmitglieder in die Pflicht nehmen. Schließlich droht das Überangebot mit einer möglichen Lockerung der Sanktionen gegen den Iran und einer eventuell weiter steigenden Ölproduktion Libyens bei gleichzeitig schwacher Nachfrage noch zuzunehmen. Schon jetzt produziert die OPEC deutlich mehr Rohöl als vom Markt benötigt. Die Diskrepanz würde im nächsten Jahr noch zunehmen, stellt man die gegenwärtige OPEC-Produktion dem für 2015 geschätzten Bedarf an OPEC-Öl gegenüber (Grafik 1).
Aber Saudi-Arabien bzw. die OPEC hat noch ein weiteres Ziel: das Abbremsen des Wachstums der relativ kostspieligen Schieferölproduktion in den USA (Grafik 2).
Denn hier liegt die Hauptursache für den schrumpfenden Bedarf an OPEC-Öl. Dafür spricht, dass Saudi Arabien den Preis seiner Dezember-Lieferungen nach Nordamerika gesenkt hat, während die meisten Kunden schon wieder geringere Rabatte bekamen. Auch wenn ein Großteil der gegenwärtigen US-Ölproduktion bei den aktuellen Preisen noch profitabel ist, dürfte das Preisniveau Investitionen und folglich das Produktionswachstum langfristig bremsen. Denn der nach neuen Erschließungen übliche Produktionsrückgang ist bei Schieferöl stärker als in konventionellen Quellen, so dass immer neue Bohrungen für ein stabiles Produktionsniveau nötig sind. Der massive Preisverfall dürfte nun viele Investoren verschrecken.
Wir gehen davon aus, dass die OPEC nächsten Donnerstag lediglich das offizielle Produktionsziel von 30 Mio. Barrel pro Tag bestätigen wird. Da die tatsächliche Produktion des Kartells höher liegt, entspräche dies de facto einer Produktionskürzung (Grafik 3). Das Angebot läge aber noch immer über dem erwarteten Bedarf. Der Ölpreis dürfte daher weiter fallen. Für die Ölsorte Brent rechnen wir im 1. Quartal 2015 mit einem Durchschnittspreis von 77 USD.
Ein stärkerer Preisverfall würde aber wohl verhindert. Langfristig dürfte der Ölpreis wegen der schlechteren Produktionsperspektiven in den USA wieder anziehen: Ende nächsten Jahres wird Brentöl wohl wieder 85 USD je Barrel kosten. Deutlich höhere Preise sind aber aufgrund des Strategiewechsels der OPEC nur im Fall großer Produktionsstörungen zu erwarten.
Auf einen Blick
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG
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