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Trotz Streikende angespannte Platin- und Palladiummärkte

01.07.2014  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

In der südafrikanischen Platinminenindustrie wurde der Streik jüngst nach fünf Monaten beendet. Dies sollte unseres Erachtens aber nicht zu einem Preisverfall führen. Vielmehr überwiegen für Platin und Palladium die Aufwärtsrisiken. So dürfte das Angebot aus Südafrika noch einige Monate deutlich eingeschränkt bleiben. Zudem zeigt sich die Nachfrage vor allem aus der Automobilindustrie sehr robust. Zuflüsse in die ETFs sind ebenfalls preisunterstützend. Wir erwarten daher sowohl für Platin als auch für Palladium zum Jahresende höhere Preise.

Johnson Matthey, der weltweit größte Verarbeiter von Platin und Palladium, hat im Mai turnusgemäß neue Schätzungen zur Angebots- und Nachfragesituation an den globalen Platin- und Palladiummärkten präsentiert. Demnach spitzt sich die Lage an beiden Märkten weiter zu. Sowohl bei Platin als auch bei Palladium sind die Angebotsausfälle in Südafrika und -risiken in Russland sowie eine starke Nachfrage aus der Automobilindustrie und seitens der Investoren dafür verantwortlich.

Im Falle von Platin soll das Angebotsdefizit 2014 um rund 30% gegenüber dem Vorjahr auf rekordhohe 1,22 Mio. Unzen steigen. Dies wäre das dritte Jahr in Folge, in dem die Nachfrage das Angebot übertrifft (Grafik 1). Zudem hat Johnson Matthey das Angebotsdefizit für 2013 im Vergleich zur Schätzung von vor einem halben Jahr nochmals um mehr als 300 Tsd. Unzen nach oben revidiert. Ausgehend von Südafrika soll die globale Minenproduktion 2014 um 4,6% auf 5,56 Mio. Unzen fallen.

Für Südafrika selbst erwartet Johnson Matthey, dass die Produktion auf nur noch 3,95 Mio. Unzen und damit das niedrigste Niveau seit mindestens 15 Jahren fällt, was auf die mehrmonatigen Streiks zurückzuführen sein dürfte. Da auch die Minenproduktion in Russland sinken soll, behält Südafrika aber seine dominante Stellung als weltweitgrößter Platinproduzent mit einem Marktanteil von 72% bei.

Die gesamte Brutto-Nachfrage, das heißt ohne Recycling, soll laut Johnson Matthey 2014 ein weiteres Rekordhoch von 8,98 Mio. Unzen erreichen (Grafik 2, Seite 2). Dies wären 2,3% mehr als im Vorjahr. Den größten Zuwachs mit +14,9% dürfte dabei die industrielle Nachfrage außerhalb der Automobilindustrie verzeichnen. Die Autoindustrie bleibt mit 3,38 Mio. Unzen (+8,5% gegenüber Vorjahr) die größte Nachfragekomponente.

Robust zeigt sich auch die Schmucknachfrage, die mit 3,19 Mio. Unzen einen Rekordwert erreichen soll. Die Investmentnachfrage dürfte sich dagegen nach dem Rekordjahr 2013 merklich abkühlen und auf 385 Tsd. Unzen mehr als halbieren. Im letzten Jahr hatte die Einführung eines physisch hinterlegten Platin-ETFs in Südafrika die ETF-Nachfrage emporschnellen lassen.

Für Palladium erwartet Johnson Matthey, dass das Angebotsdefizit 2014 mit 1,61 Mio. Unzen den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor 34 Jahren erreichen wird.

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Wie bei Platin wäre dies auch bei Palladium das dritte Defizitjahr in Folge (Grafik 1, Seite 1). Die gesamte Minenproduktion soll um 5,4% auf 6,18 Mio. Unzen zurückgehen, wozu auch hier maßgeblich die beiden größten Produzentenländer Russland und Südafrika beitragen.

Die gesamte Brutto-Nachfrage dürfte um 10,9% auf 10,5 Mio. Unzen zulegen und somit erstmals die Marke von 10 Mio. Unzen überschreiten (Grafik 3).

Getrieben wird diese durch eine nochmals höhere Nachfrage aus der Automobilindustrie, die mit 7,1 Mio. Unzen auf einen neuen Rekordwert zusteuert. Außerhalb der Automobilindustrie dürfte die industrielle Nachfrage leicht sinken und die Schmucknachfrage weiter an Bedeutung verlieren. Im Gegensatz zu Platin soll die Investmentnachfrage bei Palladium einen Sprung nach oben auf 965 Tsd. Unzen machen. Dies ist wohl durch die Einführung von zwei neuen, physisch hinterlegten Palladium-ETFs in Südafrika Ende März bedingt.

Im Folgenden gehen wir nun auf die aktuelle Situation an den globalen Platin- und Palladiummärkten ein: In Südafrika hatte die radikale Gewerkschaft AMCU seit dem 23. Januar ihre Mitglieder aufgerufen, die Arbeit niederzulegen, um ihren Lohnforderungen Nachdruck zu verleihen. Diesem Aufruf folgten über 70.000 Arbeiter. Betroffen waren die weltweit drei größten Platinproduzenten Anglo American Platinum, Impala Platinum und Lonmin. Über Wochen und Monate waren die Fronten zwischen den beiden Parteien verhärtet und es gab so gut wie keine Bewegung im Tarifstreit.

Mitte Juni hatte sogar der um eine Vermittlungslösung sehr bemühte neue südafrikanische Bergbauminister entnervt das Handtuch geworfen und seine Task Force der Regierung aufgelöst. Kurz darauf kam es überraschenderweise doch noch zu einer deutlichen Annäherung und schließlich Einigung beider Parteien. Der neue Tarifvertrag, der Ende Juni unterschrieben wurde, läuft bis zum Sommer 2016 und tritt rückwirkend ab Juli bzw. Oktober 2013 in Kraft. Dieser sieht Lohnerhöhungen von jeweils 8% im ersten und zweiten Laufzeitjahr sowie von 7,5% im dritten Jahr vor.

Die am schlechtesten bezahlten Arbeiter erhalten jährlich 1.000 ZAR pro Monat mehr, sofern deren Grundlohn nicht 12.500 ZAR pro Monat übersteigt. Für diese Arbeitergruppe bedeutet dies Lohnerhöhungen von bis zu 20% p.a. Die Gewerkschaft hat sich verpflichtet, während der Laufzeit des Tarifvertrags nicht zu streiken.

Als sich die Einigung abzeichnete, verlor der Platinpreis kräftig. Auch Palladium fiel innerhalb kürzester Zeit um rund 40 USD unter 820 USD je Feinunze. 24 Stunden vorher hatte der Preis noch ein 13½-Jahreshoch erklommen. Prozentual entsprach der Preisrückgang mit deutlich über 4% dem größten Tagesverlust seit fast einem Jahr. Seitdem haben sich die Preise überraschenderweise etwas erholt und nach der endgültigen Einigung nicht weiter nachgegeben.

Den Unternehmen sind während des Streiks Umsätze von insgesamt 24 Mrd. ZAR (entspricht rund 1,64 Mrd. EUR) entgangen, während die Minenarbeiter auf Löhne in Höhe von knapp 11 Mrd. ZAR (rund 750 Mio. EUR) verzichten mussten. Die zunehmend prekäre Lage der Arbeiter, die während des Streiks nicht bezahlt wurden, dürfte den Druck auf die Gewerkschaftsführung erhöht und somit zur Heibeiführung der Verhandlungslösung beigetragen haben.

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Zwar schließen wir kurzfristige Preisrückgänge nicht vollständig aus, mittel- bis langfristig überwiegen u.E. aber auch nach dem Streikende die Aufwärtsrisiken bei Platin und Palladium: Die jetzt erzielte Einigung wird die Produzenten, deren reale Lohnkosten zwischen 2004 und 2012 um fast das 2½-fache gestiegen sind, finanziell zusätzlich massiv belasten. Die Unternehmen müssen versuchen, die steigenden Kosten z.B. über höhere Preise weiterzureichen. Denn die (Teil-)Schließung von Minen und ein Abbau von Arbeitsplätzen werden von AMCU wohl kaum akzeptiert werden und könnten schnell zu neuerlichen Streiks führen.

Umfassende Restrukturierungsmaßnahmen der Branche lassen sich allerdings kaum vermeiden. Die physische Angebotssituation wird wohl in jedem Fall auch nach der Beendigung des Streiks auf absehbare Zeit erst einmal angespannt bleiben, da es laut Aussagen der Minenunternehmen bis zu fünf Monate dauern wird, um die Produktion wieder vollständig hochzufahren. Denn die seit 25. Juni zurückkehrenden Arbeiter müssen erst wieder neu eingewiesen und die Produktionsanlagen betriebsbereit gemacht werden.

Aber nicht nur angebotsseitig bleiben die Platin- und Palladiummärkte angespannt. Daneben sorgt eine weiter sehr robuste Nachfrage insbesondere aus der Automobilindustrie für gut unterstützte Preise. Selbst in Europa, dessen Automarkt im Gegensatz zu den USA und China in den letzten Jahren schwächelte, steigen die Autoneuzulassungen seit neun Monaten im Vorjahresvergleich wieder.

Sollte sich der Trend der letzten Monate im weiteren Jahresverlauf fortsetzen, dürfte die Branche 2014 erstmals seit sieben Jahren wieder mehr Autos verkaufen. In den USA werden die Fahrzeugabsätze dieses Jahr wohl das fünfte Jahr in Folge steigen. Mit 1,6 Mio. verkauften Einheiten im Mai wurde dort sogar der höchste Monatswert seit fast neun Jahren erzielt. In China wiederum bleibt die Automobilindustrie klar auf Wachstumskurs. Im größten Automarkt der Welt werden 2014 aller Voraussicht nach über 19 Mio. Autos verkauft - ein Rekordwert (Grafik 4).

Da die Automobilindustrie die mit Abstand wichtigste Nachfragekomponente für Platin und Palladium ist, sollte der positive Trend auf den wichtigsten Automärkten der Welt die Preise beider Edelmetalle unterstützen bzw. zu höheren Notierungen beitragen. Palladium sollte hiervon stärker profitieren als Platin. Denn gemäß Angaben von Norilsk Nickel, dem weltgrößten Palladiumproduzenten, hat die Technik mittlerweile so große Fortschritte gemacht, dass in Dieselkatalysatoren Platin zu 50% durch das günstigere Palladium ersetzt werden kann.

In Benzinkatalysatoren, wo ohnehin schon vorwiegend Palladium verwendet wird, kann demnach Platin nunmehr im Verhältnis 1:1 durch Palladium ersetzt werden. Früher lag das Verhältnis noch bei 1:1,5. Damit untermauert Palladium eine Vorherrschaft in Autokatalysatoren.

Zu einer höheren Nachfrage tragen auch die ETF-Investoren bei. Denn die Bestände der von Bloomberg erfassten Platin- und Palladium-ETFs wurden seit Streikbeginn um 13% bzw. über 37% ausgebaut und haben mit 2,83 Mio. bzw. 2,98 Mio. Unzen jeweils Rekordstände erreicht (Grafik 5). Bei den Platin-ETFs ist ein robuster Aufwärtstrend sogar bereits seit Mai letzten Jahres auszumachen, als der heute größte Platin-ETF in Südafrika neu aufgelegt wurde. Bei Palladium war ein kräftiger Zufluss in Folge der Einführung zwei neuer ETFs ebenfalls in Südafrika im März dieses Jahres zu verzeichnen.

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Die hohen ETF-Zuflüsse dürften einen möglichen Rückzug der kurzfristig orientierten spekulativen Finanzanleger zumindest teilweise auffangen können. Sowohl bei Platin als auch bei Palladium lagen die Netto-Long-Positionen zuletzt mit 34,4 Tsd. bzw. 20,6 Tsd. Kontrakten auf relativ hohen Niveaus. Seit Streikbeginn im Januar kam es allerdings nur bei Platin zu einem nennenswerten Aufbau von Netto-Long-Positionen, der mittlerweile bereits wieder zum Teil egalisiert wurde (Grafik 16).

Auch wenn wir kurzfristige Abwärtsbewegungen nicht ausschließen, spricht u.E. sowohl die Situation auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite für mittel- bis langfristig höhere Preise: Südafrika wird als Anbieter noch mehrere Monate größtenteils enttäuschen. Das Angebot aus Russland ist unserer Meinung nach ebenfalls mit Risiken behaftet, sollte es im Zuge des Ukraine-Konflikts doch noch zu Sanktionen gegen die russische Wirtschaft kommen - auch wenn dieser Aspekt derzeit eher in den Hintergrund gerückt ist.

Weltweit steigende Autoabsätze sollten die Nachfrage nach Platin und insbesondere Palladium weiter antreiben. Die bis zuletzt starke Investmentnachfrage ist ebenfalls ein preisunterstützender Faktor. Zum Ende des Jahres erwarten wir einen Platinpreis von 1.550 USD je Feinunze, Palladium sollte dann bei 875 USD je Feinunze notieren.


Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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